Banale virale respiratorische Infekte treten gehäuft in der kalten Jahreszeit („respiratory season“) auf und sind eine der Hauptursachen für unnötige Antibiotikaverordnungen. Sofern es zu keiner bakteriellen Superinfektionen kommt, sind diese Infekte auch immer selbstlimitierend. Im Vordergrund steht die symptomatische Symptomlinderung (Fieber, Halsweh, Heiserkeit, Husten). Dabei haben auch Hausmittel (Topfenwickel, Hühnersuppe, Honig vor dem Schlafengehen) und Phytotherapeutika ihre Berechtigung. Antibiotika hingegen ändern nichts daran, dass diese Infekte sehr unangenehm und lange anhaltend sein können. Typische Erreger sind Rhino-, Corona- (nicht COVID-19!), Adeno-, Parainfluenza- und respiratorische Synzytial-Viren. Liegt – im Gegensatz zum grippalen Infekt – eine echte Influenza vor, kann bei Risiko-patient:innen ein Virustatikum zum Einsatz kommen. Die entsprechenden Indikationen sind in der Tabelle zusammengefasst.
Kommt es infolge des viralen Infektes zur Superinfektion mit bakteriellen Erregern, sind Antibiotika indiziert: gegen akute Otitis media, bakterielle Bronchitis, akut exazerbierte chronische Bronchitis, postvirale Pneumonie. Klinisch typisch für eine bakterielle Superinfektion ist ein erneutes Krankwerden nach initialer Besserung sowie hohes Fieber, deutliche Lokalsymptome und bei Patient:innen mit chronischer Bronchitis Atemnot und vermehrtes Sputum. Ist eine Bestimmung des CRP-Wertes möglich, weist ein Wert > 50 mg/l bzw. > 5 mg/dl auf eine bakterielle Infektion hin. Bei Kindern vor dem 5. Lebensjahr und Erwachsenen älter als 65 Jahre sind Pneumokokken die gefährlichsten Erreger derartiger Komplikationen; diese Altersgruppen sollten daher auch gegen Pneumokokken geimpft sein.
Antibiotika der Wahl sind Amoxicillin, alternativ orale Cephalosporine, Cotrimoxazol oder Makrolide, bei wiederholten Infekten oder Nichtansprechen dann Amoxicillin+Clavulansäure, bei Erwachsenen auch Atemweg-Chinolone (z. B. Levofloxacin, Moxifloxacin). Die „Rote Hand“-Warnung vor Chinolonen bezieht sich auf die unnötige Gabe dieser Substanzen bei banalen, unkomplizierten Infekten; bei Nichtansprechen der Standardtherapie sind Chinolone als Reserve natürlich erlaubt. Bei postviraler Pneumonie – gilt auch für Patient:innen mit COVID-19-Infekten – wären Amoxicillin+Clavulansäure, Doxycyclin, Cotrimoxazol oder auch wieder die Atemweg-Chinolone indiziert. Eine Therapiedauer von 5–7 Tagen ist bei nichthospitalisierten Patient:innen ausreichend.
Auch bei gastrointestinalen Infekten unterscheidet man zwischen viralen Erkrankungen (z. B. Noro-Viren) und den bakteriellen Durchfallerkrankungen. Bei Auslandsreisen in Länder mit geringen Hygienestandards gehören Gastroenteritiden zum kalkulierten Risiko. Die Symptome sind meist mild und dauern nicht lange – Flüssigkeits- und Elektrolytersatz sind ausreichend. Ähnliches gilt natürlich auch bei Durchfall im Inland. Sollte eine Indikation für ein Antibiotikum bestehen (Spalte rechts), ist Azithromycin das Mittel der Wahl, da sowohl im Inland als auch auf Reisen der Durchfallerreger Campylobacter meist Chinolon-resistent ist. Alternativen sind Cotrimoxazol und Doxycyclin.
Harnwegsinfekte sind nicht saisonal und werden üblicherweise durch Bakterien verursacht. Zudem ist die Diagnostik im Vergleich zu den Infekten der Atemwege recht einfach. Die Klinik wird durch die immer verfügbaren Harnstreifentests ergänzt. Unglücklicherweise hat sich gerade in dieser Indikation das Resistenzmuster deutlich verändert.
Dementsprechend sind die aktuellen Therapieempfehlungen gestaltet (Spalte rechts). Erste Wahl sind Substanzen mit aktuell sehr guter Resistenzlage, von denen eine „sichere“ Wirkung zu erwarten ist. Die Resistenzlage von E. coli ist bei Trimethoprim, mit weniger als 80 % In-vitro-Aktivität, nicht gut genug für eine empirische Anwendung, sondern nur noch nach positiver Testung. Amoxicillin+Clavulansäure sowie Chinolone (z. B. Ciprofloxacin) sind in vitro nicht mehr so wirksam wie früher. Da diese Substanzen auch gegen andere Enterobakterien wirksam sind, ist die Anwendung bei „komplizierten“ Infekten aber möglich.
Praxismemo