Thomas Szekeres: Plötzlich überbieten einander alle mit Vorschlägen, wie man den Hausarzt aufwerten kann. So soll es Übergangspraxen geben, was auch immer das bedeuten mag. Manche reden von virtuellen Praxen zur Unterstützung und Erstdiagnose, wieder andere wollen mit Prämien locken und mit einem Sonderstudium für Landärzte. Jahrzehntelang hat man den Allgemeinmediziner ausgehungert – mit lächerlich geringen Honoraren, mit Drohungen, die Hausapotheken wegzunehmen, dann wieder mit PHC als Wunderwuzi-Lösung. Andere meinten, das Modell Hausarzt habe ausgedient, weil die Medizin zu komplex geworden sei – nun also das reuige Bekenntnis zum Hausarzt. Ob die Ankündigungen ernst gemeint sind, werden wir noch diesen Herbst sehen.
Eine Aufhebung ist nicht in unserem Sinne – auch nicht im Sinne der anderen Kammern. Die Sozialpartnerschaft hat ihre Berechtigung, und sie hat Österreich in der Vergangenheit auch gutgetan. Auch ist eine Aufhebung unrealistisch, weil sich dafür wohl keine Zweidrittelmehrheit im Parlament finden wird. Allerdings könnte es zu einer Kürzung von Beiträgen kommen, und das würde Strukturen zerstören.
Drei der Modelle sehen eine teilweise Zusammenlegung von Trägern vor, eines würde die derzeitige Struktur beibehalten. Hier bleibt alles de facto wie gehabt, die Krankenkassen müssten sich aber per Gesetz und via Serviceeinrichtungen koordinieren. Und genau darin liegt die Schwäche der präsentierten Studie: Für die Umsetzung der Vorschläge bleibt bis zum Wahltag am 15. Oktober keine Zeit.
Nach den jüngsten Äußerungen der Spitzenkandidaten und der Gesundheitsministerin kann man davon ausgehen, dass der Ernst der Lage erkannt wurde. Voraussetzung für alle Reformen sei eine Harmonisierung der unterschiedlichen Leistungen, wurde erklärt. Hier gilt es aus Sicht der Ärztekammer zu verhindern, dass weder bei den Leistungen noch bei deren Finanzierung eine Nivellierung nach unten stattfindet. Sollten einzelne Kassenfunktionäre genau das unter „Vereinheitlichung“ verstehen, werden wir als Standesvertretung mit voller Kraft dagegen mobilisieren.
Wenn Österreicher über Harmonisierung reden, gibt es zumeist einen Haken: Es wird hoffentlich, wie gesagt, keine Nivellierung der Leistungen nach unten geben. Bei den Ausgaben der Sozialversicherungen werden immer die ewig gleichen Parameter genannt: zu hohe Ambulanzkosten in den Spitälern, zu geringe Vernetzung zwischen muralem und nichtmuralem Bereich, zu hohe Kosten für Medikamente. All das kennen wir schon. Das sagen österreichische Studien und Experten seit Jahren. Dass Leistungen österreichweit vereinheitlicht werden – und Honorare nach oben gesetzt werden – wäre sinnhaft und notwendig. Klar ist: Spielraum nach unten besteht nicht mehr. Dazu kommt, dass sich die Parteien gerade mit der Ankündigung überbieten, Milliarden bei Lohnnebenkosten und Steuern einsparen zu wollen. So eine Senkung geht nur mit massiven Kürzungen in anderen Bereichen, und da ist gerade der Sozial- und Gesundheitsbereich gefährdet.
Wenn das gelingt, soll es uns recht sein. Woher das Geld kommen soll, ist mir aber nicht ganz klar. Dass Mittel aus der Betrugsbekämpfung kommen, erscheint mir unrealistisch. Im Bereich der Beitragseinnahmen bei den Unternehmen gelingt das schon jetzt nicht, und bei den Ärzten zeigt sich, dass es das nicht gibt. Eine Ausweitung des Mystery Shoppings wäre zudem abzulehnen. Man müsste vielmehr überlegen, ob man nicht auch die Beiträge erhöht – das ist seit Jahrzehnten nicht passiert. Die aktuellen Tarife für ärztliche Leistungen sind aus Ärztekammersicht in keiner Weise den Anforderungen und Leistungen adäquat.
Bei aller Kritik: So schlecht ist unser Gesundheitssystem im Vergleich nicht. Was wir ändern müssen – und in diese Richtung werden wir ein Modell vorschlagen – ist der generelle Zugang zum Thema Gesundheit – nicht von einem Krankenkassensystem, sondern von einem Gesundenkassensystem müssen wir ausgehen. Gesundheit erhalten – von Geburt an, das ist Gesundheitspolitik mit Nachhaltigkeit. Hier wird es auch die Hausärzte brauchen. Wer jetzt als Hausarzt überleben will, benötigt aber genügend „Scheine“ und hat dann wieder zu wenig Zeit, sich den Patienten wirklich zu widmen. Ein Teufelskreis, solange eines nicht rasch und radikal geändert wird: die deutliche Heraufsetzung der ärztlichen Honorarsätze. Nicht ohne Grund habe ich eine Erhöhung von 40 % gefordert. Das ist nicht übertrieben viel.