Das neue Sterbeverfügungsgesetz stellt zweifelsohne einen Liberalisierungsschritt in unserer Gesellschaft dar. Es ist aber durch die zu erfüllenden Voraussetzungen und den aufwendigen Aufklärungsprozess sehr restriktiv gehalten. Derzeit geht man in Österreich von etwa 400 errichteten Sterbeverfügungen pro Jahr aus. Das Ziel des Gesetzgebers dürfte es also gewesen sein, die Tür zur Sterbehilfe nur einen kleinen Spalt zu öffnen. Wissenschaftlich fundierte Prognosen, wie oft diese Form des Sterbens in Anspruch genommen werden wird, sind schwierig. Es können allerdings Daten aus anderen Ländern als Anhaltspunkt herangezogen werden.
In den Niederlanden sind seit über 20 Jahren sowohl Suizidassistenz als auch Tötung auf Verlangen legal. Es dürfen sowohl physisch als auch psychisch unheilbar Kranke Sterbehilfe in Anspruch nehmen, unter bestimmten Voraussetzungen sogar Minderjährige. 2020 wurden 6.938 Fälle von Sterbehilfe gemeldet. Dies entspricht 4,1 % aller Todesfälle und einer Zunahme um 9,1 % im Vergleich zum Vorjahr. Dies stellt im internationalen Vergleich eine recht hohe Zahl dar. Zur Veranschaulichung: Jeder 25. Todesfall in den Niederlanden wird mittlerweile durch Sterbehilfe herbeigeführt.
Die Schweiz hat eine eigene Regelung der Suizidbeihilfe. Es wird hier nur bestraft, wer „aus selbstsüchtigen Beweggründen“ jemandem zum Suizid verhilft. Eine Beschränkung auf bestimmte Krankheiten gibt es nicht. Aufgrund der ähnlichen Bevölkerungszahl lässt sich die Schweiz als passender Vergleich zu Österreich heranziehen. 2018 nahmen in der Schweiz 1.176 Personen Suizidassistenz in Anspruch. Dabei ist die Suizidhilferate in den letzten 20 Jahren von 0,8 auf 14,3 Fälle pro 100.000 Einwohner gestiegen.
Die bereits seit 1997 bestehende Regelung der Suizidassistenz in Oregon wird oft als Musterlösung bezeichnet. Tötung auf Verlangen ist dabei verboten, Sterbewillige müssen volljährig, entscheidungsfähig und in Oregon wohnhaft sein. Zudem müssen sie an einer unheilbaren Krankheit leiden, die innerhalb von sechs Monaten zum Tod führt. Der Suizidwunsch muss zweimal mündlich sowie einmal schriftlich geäußert werden. Da es sich aber um terminal Kranke handelt, ist die Überlegungsfrist mit 15 Tagen deutlich kürzer als in Österreich. Seit das Gesetz 1997 beschlossen wurde, wurde 3.280 Personen das Suizidmittel verschrieben, 66 % davon haben es schlussendlich eingenommen. Suizidbeihilfe war 2021 in Oregon für 0,6 % der Todesfälle verantwortlich.
Die Entscheidung, die Aufklärung für die Sterbeverfügung bürokratisch aufwendig zu gestalten, könnte maßgeblich dazu beitragen, dass sich die assistierten Suizidfälle in Österreich in Grenzen halten werden. Eine Steigerung der Fälle von Suizidbeihilfe wie in den Niederlanden dürfte damit jedenfalls verhindert werden. Es scheint daher eher eine moderate Entwicklung der Fallzahlen wie in Oregon wahrscheinlich.