Auch die European Academy of Teachers in General Practice/Family Medicine – kurz EURACT – musste aufgrund der COVID-19-Pandemie ihren ursprünglich bereits 2020 geplanten Kongress mehrfach verschieben bzw. absagen, bis dieser nun endlich in Bled in Slowenien vom 5. 10. bis 7. 10. 2023 stattfinden konnte.
Kongressthema war „Surfing the waves of change“, und das in vielerlei Hinsicht: Die COVID-19-Pandemie hat auch das Lehren und Lernen in der Allgemein- und Familienmedizin buchstäblich auf den Kopf gestellt. Viele Inputs des Kongresses handelten daher von „pandemischen Lessons learned“ – sowohl im universitären als auch postgraduellen Setting. Auch im Erfahrungsaustausch und den Gesprächen in den Pausen rund um den Kongress herum war eine weite Spanne an Erzählungen zwischen „Es fand zuerst überhaupt kein Unterricht statt“ über „Wir haben begonnen, virtuell oder an Puppen zu üben, um uns trotzdem vorzubereiten“ bis hin zu „Wir haben mit der Lehre weitergemacht, als gäbe es keine Pandemie, weil wir uns das in unserem Beruf sowieso nicht aussuchen können. Wir haben uns halt anders angezogen“ zu hören.
Weitere Beiträge lieferten auch die ukrainischen Kolleg:innen, u. a. mit einer Keynote von Dr. Pavlo Kolesnyk (WONCA Europe 5 Star Doctor 2023) und Posterpräsentationen/Kurzpräsentationen seiner Jungärzt:innen über die Lehre und das Lernen in Krisenzeiten, über die Möglichkeit, Lehre auch unter widrigsten Umständen sinnvoll zu gestalten, aber auch Lehre und Mentoring dazu zu nutzen, Resilienz zu erzeugen, Sicherheit und Geborgenheit zu geben und psychische/mentale Unterstützung für junge Kolleg:innen wie Betroffene zu liefern und Sinnhaftigkeit in Zeiten des Ohnmachtgefühls und der Sinnlosigkeit zu geben.
Andere Beiträge wiederum widmeten sich generell dem Thema der Lehre in der Allgemeinmedizin und den damit verbundenen Änderungen der Lern- und Lehrmethoden. Allen Beiträgen gemein war jedoch, dass in den letzten Jahren (beginnend bereits vor der Pandemie, jetzt aber umso mehr) eine Weiterentwicklung der Lehre für Allgemein- und Familienmedizin im „Turbogang“ stattfindet, vor allem durch die Nutzung bzw. Entwicklung von digitalen Tools, welche die Lehrenden wie Lernenden unterstützen können, und wie durch klugen Einsatz die berufliche Weiterentwicklung in einem motivierenden Lernumfeld gestaltet werden kann.
Ein weiterer Teil der Beiträge widmete sich den relevanten INHALTEN der allgemeinmedizinischen Lehre, denn etwas mehr als 20 Jahre nach der ersten Ausformulierung der europäischen Definition für Allgemein- und Familienmedizin und Jahre nach seiner ersten Gestaltung bekam der „WONCA Tree“ einen soliden Grund und Boden, in dem er und damit die Wurzeln unseres Faches ruhen – „One Health, Planetary Health and Sustainability is the Bedrock of General Practice/Family Medicine“.
Somit beschäftigte sich der Kongress auch intensiv mit den Fragen:
Was soll unterrichtet werden?
Wo liegen unsere Tätigkeiten und Kompetenzen?
Was müssen wir lehren?
Welche Kompetenzen können andere Fächer in der Lehre (sicher nicht) übernehmen?
Welche Inhalte sind dazu gekommen? – Fragen, die auch uns in Österreich in Bezug auf unsere Fachentwicklung in naher Zukunft beschäftigen werden.
In diesem Zusammenhang bin ich sehr dankbar für diese Möglichkeit, einmal mehr internationale Perspektiven mit nach Hause genommen zu haben.