Symptome und Differenzialdiagnosen bei respiratorischen Infekten

Banale Infekte haben ihren Ursprung meist im Bereich der oberen Atemwege. Dort liegt auch die Eintrittspforte der meisten Viren, die sich in der Schleimhaut einnisten und zu entzündlichen Reaktionen führen. Die meisten Viruserkrankungen sind harmlos und bedürfen neben der klinischen Untersuchung keiner weiteren Abklärung. Zur Beurteilung, ob eine Erkrankung rein viralen Ursprungs ist oder eine bakterielle Infektion oder Superinfektion vorliegt, haben wir die Möglichkeit eines Entzündungslabors mit Differenzialblutbild und C-reaktivem Protein (CRP). Man muss dabei jedoch bedenken, dass weder Leukozytose noch hohes CRP eine bakterielle Infektion beweisen oder ausschließen. Das Labor dient also nur zur Ergänzung unserer klinischen Einschätzung.

Rhinitis

Der klassische Schnupfen ist in der Regel durch Viren verursacht und muss nicht behandelt werden. Erleichterung schaffen aber oft abschwellende Nasentropfen. Diese haben allerdings auf die Dauer der Erkrankung keinen Einfluss und sollten sparsam eingesetzt werden, da sie schnell zur Gewöhnung führen und eine chronische Rhinitis sicca begünstigen. Alternativ kann auch eine saline Lösung eingesetzt werden.

Sinusitis

Die Nasennebenhöhlenentzündung kann eine oder alle Nasennebenhöhlen befallen. Auch die klassische akute Sinusitis ist viral bedingt und zur Symptomenkontrolle mit NSAR und abschwellenden Nasentropfen zu behandeln. Auch eine fieberhafte Sinusitis bedarf in der Regel keines Antibiotikums. In einer Cochrane-Metaanalyse konnte gezeigt werden, dass Antibiotika nur zu einer minimalen Krankheitsverkürzung führen und Komplikationen nicht verhindern, aber Resistenzen begünstigen und in einem von acht Fällen zu relevanten unerwünschten Wirkungen führen.1

Differenzialdiagnose: Zahnherd im Oberkieferbereich

Abklärung: Wenn sich nach 10 Tagen keine Besserung abzeichnet, sollte ein CRP gemacht werden. Ein Wert über 10 mg/l spricht für eine bakterielle (Super-)Infektion und sollte antibiotisch behandelt werden (Amoxicillin). Bildgebung ist bei akuter Sinusitis nicht indiziert. Nur bei chronischen Verläufen kann eine Computertomografie zur OP-Planung erfolgen. Die NNH-Übersichtsröntgenaufnahme ist obsolet.2

Red Flags/Komplikationen: Nasennebenhöhlenempyem, Orbita-Symptomatik, periorbitaler Abszess, intrakranialer Abszess, Osteomyelitis im Bereich von Stirn und Kiefer – alle diese Komplikationen gehen in der Regel mit Fieber und entsprechenden Lokalbefunden einher.

Halsschmerzen (Pharyngitis, Tonsillitis)

Halsschmerzen werden häufig als Symptom angegeben, oft kann der Ort der Schmerzempfindung vom Patienten auch nicht klar benannt werden. Als Halsschmerzen werden sowohl Schmerzen im Bereich der Tonsillen als auch im Rachenbereich wahrgenommen.

Differenzialdiagnose:

  • Tonsillitis viral
  • Streptokokkenangina
  • Angina Plaut-Vincenti
  • Angina herpetica
  • Mononukleose
  • Pharyngitis viral
  • Aphthen

Abklärung: Die klinische Untersuchung ist in den meisten Fällen ausreichend. Zur Differenzierung zwischen viraler Tonsillitis und Gruppe-A-Streptokokken-Angina (GAS) wird für Erwachsene der CENTOR-Score empfohlen3: Wenn mehr als zwei von vier Kriterien (1. Fieber, 2. kein Husten, 3. zervikale Lymphknotenschwellung, 4. Tonsillenexsudate) erfüllt sind, ist eine Streptokokken-Tonsillitis wahrscheinlich. Diese kann durch Rachenabstrich und Schnelltest mit ausreichender Sensitivität und Spezifität gesichert werden. Die GAS kann nach klinischem Ermessen, muss aber nicht antibiotisch (mit Penicillin) behandelt werden. Antibiotika verkürzen die Krankheitsdauer um 1–2,5 Tage. Eine Reduktion der extrem selten gewordenen Streptokokken-Folgeerkrankungen (rheumatisches Fieber, Nephritis) durch orale Antibiotika ist nicht gesichert.3

Red Flag/Komplikation: Peritonsillarabszess

Heiserkeit, Laryngitis

Heiserkeit ist in der Regel Ausdruck einer Irritation oder Entzündung im Stimmbandbereich und ist sehr häufig viral oder mechanisch bedingt. Die Erkrankung ist meist selbstlimitierend und bedarf keiner spezifischen Behandlung. Sollte eine Heiserkeit länger als 2 Wochen dauern, braucht es eine exakte HNO-Abklärung mit Inspektion der Stimmbänder.

Differenzialdiagnose:

  • Epiglottitis
  • Refluxerkrankung

Abklärung: in der Regel rein klinisch

Red Flag: Atemnot, besonders bei Kindern

Ohrenschmerzen

Die typische infektinduzierte Otitis media ist eine Folge eines Infektes im Bereich der oberen Atemwege mit Schwellung der Schleimhaut und vermehrter Schleimproduktion in der eustachischen Röhre und im Mittelohr. Im Erwachsenenalter kommt die Otitis seltener vor, im Kindesalter ist sie eine häufige Erkrankung. Die Diagnose wird rein klinisch gestellt. Als typisches Bild zeigt sich ein Erguss im Mittelohr, der zu einer Verschattung und Vorwölbung des Trommelfells (TF) führt und/oder zu Infektzeichen mit Rötung, Verdickung und Belägen. In seltenen Fällen kommt es bei putriden Otitiden zu einer spontanen Perforation des TF mit eitrigem Sekret im äußeren Gehörgang.

Therapie: symptomatisch mit abschwellenden Nasentropfen und NSAR. Im Kindesalter ist nur in Ausnahmefällen eine antibiotische Behandlung indiziert, da diese lediglich eine geringfügige Krankheitsverkürzung bewirkt, aber keinen Einfluss auf Komplikationen und Langzeitverlauf hat und zudem in einem von 14 Fällen mit relevanten unerwünschten Wirkungen verbunden ist.4 Im Erwachsenenalter empfehlen die EbM-Guidelines als First-Line-Therapie eine Antibiose mit Amoxicillin.5

Red Flags: Mastoiditis, Kinder unter sechs Monaten, Kinder mit hohem Fieber (> 39 °C) und ausgeprägte Ohrenschmerzen.

Respiratorische Infekte der unteren Atemwege: Husten-Bronchitiden- Pneumonien

Husten ist ein sehr häufiges Symptom in der alltäglichen Praxis und ist in den meisten Fällen harmlos. Allerdings können sich auch gravierende Verläufe ergeben. Oft ist Husten Begleitsymptom eines Infektes der oberen Atemwege durch vermehrte Schleimproduktion. Dieser Husten kann oft sehr hartnäckig bleiben und über mehrere Wochen bestehen. Entscheidend ist beim Husten, Red Flags und möglicherweise gefährliche abwendbare Verläufe im Vorfeld zu erkennen.

Entscheidend ist die Anamnese. Fragen wie „Wie hat es begonnen? War am Anfang Fieber, Schnupfen, Krankheitsgefühl? Wie ist der Husten: schleimig, trocken, anfallsartig? Rauchen, Atemnot?“ et cetera sind sehr wichtig und können uns rasch zu einer Verdachtsdiagnose bringen. Bei Infekten der Atemwege sind die Inspektion und Auskultation, manchmal auch die Perkussion unerlässlich.

Die häufigsten Ursachen des Hustens im Rahmen von Infekten:

Klassische Virusinfektion (rhinobronchiales Syndrom)
Das rhinobronchiale Syndrom beginnt sehr häufig mit Erkältungssymptomen mit oder ohne Fieber, zieht sich über die oberen Atemwege in Richtung unterer Atemwege und erzeugt einen meist schleimigen Husten, der allerdings dann auch in einen trockenen Reizhusten übergehen kann.

Diagnostik: rein klinisch, in seltenen Fällen Infektlabor.

Therapie: rein symptomatisch mit abschwellenden Nasentropfen, eventuell schleimlösende Maßnahmen oder bei trockenem Husten befeuchtende Inhalationen.

Akute Bronchitis
Bronchitis ist eine Entzündung der Bronchialschleimhaut und überwiegend viral bedingt. Die typischen Symptome sind Husten, oft eitriger Auswurf, Dyspnoe, Giemen, Brustschmerz, Fieber bei 10–30 Prozent aller Patienten. Dauer: etwa 1–2 Wochen.

Diagnostik: Neben der klinischen Untersuchung eventuell (nicht routinemäßig) bei ausgeprägter Klinik und hohem Fieber CRP und Blutbild zum Ausschluss einer Pneumonie. Ein niedriges CRP schließt in der Regel eine Pneumonie aus. Röntgen ist nur bei begründetem Verdacht auf Pneumonie erforderlich.

Therapie: rein symptomatisch, ein Antibiotikum ist in der Regel nicht erforderlich. Antibiotika führen laut Cochrane-Metaanalyse zu einer Krankheitsverkürzung um einen halben Tag und verhindern keine Komplikationen.6 Bei obstruktiver Komponente kann ein inhalatives Broncholytikum hilfreich sein.

Cave: Säuglinge, ältere Menschen, Alkoholkranke, Patienten mit Opiatmedikation haben einen herabgesetzten Hustenreflex und damit ein höheres Risiko für eine Pneumonie.

Red Flag: Hämoptoe, Zyanose, Ruhedyspnoe

Pneumonie
Als Pneumonie bezeichnet man, wenn die Entzündung auf das Lungenparenchym übergegriffen hat. Leitsymptom ist wieder der Husten, die Erkrankung geht in den meisten Fällen mit Fieber und deutlicher Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens einher. Weitere Symptome können Giemen, Thoraxschmerz, Dyspnoe und purulentes Sputum sein. Speziell bei älteren Patienten kann es durch die Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes zu einem totalen Verfall und zu Verwirrtheitszuständen kommen. Klinisch hört man meist bei der Auskultation typische feinblasige Rasselgeräusche (RG) über einer Lungenregion, bei zentralen Pneumonien kann der Auskultationsbefund auch bland sein. Atemfrequenz (16–20) und Pulsfrequenz (um die 100) sind meist erhöht.

Diagnostik: neben klinischer Untersuchung CRP und Blutbild. Röntgen zur Dokumentation des Infiltrats und zur Differenzialdiagnostik sind bei klinischem Verdacht auf Pneumonie indiziert. Ein fehlendes Infiltrat im Röntgen bei eindeutiger Klinik schließ allerdings eine Pneumonie nicht aus.

Therapie: Die Pneumonie bedarf eines Antibiotikums. Für unkomplizierte Pneumonien ist in der Regel ein einfaches Aminopenicillin (Amoxicillin) das Mittel der Wahl, bei Mycoplasmenpneumonien sollten Makrolidantibiotika gegeben werde. Bei massivem Verlauf und COPD sind Amoxicillin + Clavulansäure zu bevorzugen, Reserveantibiotika sind moderne Gyrasehemmer (Moxifloxacin/Levofoxacin), auch Doxycyclin hat noch immer seinen Stellenwert. (Als weitere Option gibt es etliche intravenöse Antibiotika, die allerdings dem klinischen Bereich vorbehalten sind.)

Differenzialdiagnose von Husten:

  • COPD/Asthma bronchiale
  • unerwünschte Arzneinebenwirkung (ACE-Hemmer)
  • Refluxkrankheit
  • Lungenfibrose
  • Pertussis
  • Tumor
  • Lungenembolie
  • Tuberkulose

Eine stationäre Aufnahme ist bei Tachypnoe, Tachykardie, Zyanose, neu aufgetretener Verwirrtheit, Hypotension und ausgeprägter Schwäche sinnvoll.

Kopfschmerz und Fieber
Kopfschmerzen sind ein häufiger Beratungsanlass in der Ordination. Im Rahmen eines Virusinfektes kommt es ebenfalls häufig als Begleitsymptomatik zu Kopfschmerzen, die eher milde oder klar einem Krankheitsbild wie einer Sinusitis zuordenbar sind. Diese Kopfschmerzen haben eines gemeinsam: sie führen nicht zu einer Nackensteifigkeit.

Red Flags im Rahmen eines Infekts:

  • Fieber > 38,5 °C
  • Brechreiz, Erbrechen
  • Nackensteifigkeit
  • Verwirrtheit
  • Hautveränderungen bei Kleinkindern, die von sich aus über Kopfschmerz klagen
  • schlechter Allgemeinzustand

Meningitis

Bakterielle Meningitis: ein bedrohliches Krankheitsbild, das zur sofortigen Einleitung einer Therapie führen sollte:

Symptome: Kopfschmerz, Fieber, Nackensteifigkeit und Bewusstseinsstörung, möglicherweise Übelkeit und Erbrechen und Krämpfe. Bei einer Meningokokkeninfektion auch Petechien und Endotoxinschock mit lebensbedrohlichen Verläufen.

Diagnostik: klinisches Bild, CRP und Differenzialblutbild

Therapie: Einleitung einer Antibiotikatherapie und sofortige Krankenhauseinweisung

Virale Meningitis ist 3–4-mal so häufig wie die akute bakterielle Meningitis, verläuft allerdings in der Regel viel milder und entwickelt sich nicht so schnell.

Symptome: Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen, Mattigkeit, häufig, aber nicht in allen Fällen findet sich Nackensteifigkeit.

Diagnostik: klinisches Bild, CRP ist oft niedrig. Eine Liquorpunktion ergibt bis auf wenige Ausnahmen aus differenzialdiagnostischen Gründen Sinn, deshalb auch da eine Krankenhauseinweisung.