Systematischer Overview zu Wirksamkeit und Sicherheit

Bei der Osteopathie handelt es sich um eine ganzheitliche Methode, bei der Patient:innen ausschließlich mit den Händen behandelt werden. Anders als in vielen anderen europäischen Ländern ist die Osteopathie dabei in Österreich bislang gesetzlich nicht im Gesundheitssystem verankert. Da jedoch auch hierzulande immer mehr Personen osteopathische Behandlungen bei diversen Erkrankungen oder Beschwerden in Anspruch nehmen, stellt sich die Frage hinsichtlich ihrer Wirksamkeit und Sicherheit.

Methodik

Um dieser Frage nachzugehen, erstellte das Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung der Medizinischen Universität Graz im Auftrag der Österreichischen Gesellschaft für Osteopathie einen systematischen Overview of Reviews. Dazu erfolgte im April 2022 eine umfassende Literaturrecherche in bibliografischen Datenbanken und zusätzlichen Informationsquellen nach systematischen Übersichtsarbeiten auf Basis von randomisiert kontrollierten Studien (RCTs) in deutscher oder englischer Sprache zu manual-therapeutischen osteopathischen Behandlungen bei Personen jeglichen Alters. Die Ergebnisse der inkludierten Arbeiten wurden extrahiert und vergleichend gegenübergestellt. Basierend auf den berichteten Effekten und Schlussfolgerungen der einzelnen Reviews wurde unter Berücksichtigung der Qualität der Übersichtsarbeiten, der Anzahl und Qualität der inkludierten RCTs, der Teilnehmerzahl sowie der Konsistenz der Ergebnisse für die einzelnen Indikationsgebiete die Wirksamkeit der osteopathischen Interventionen analysiert sowie die Verlässlichkeit der Evidenz eingestuft.

Ergebnisse

Insgesamt konnten 27 systematische Reviews zu den Indikationen chronische nicht­onkologische Schmerzen, Kreuzschmerzen, Nackenschmerzen, Fibromyalgie, Migräne und Kopfschmerzen unterschiedlicher Ursache, Gleichgewichtsstörungen/Schwindel­erkrankung, Reizdarmsyndrom, Symptome des unteren Harntrakts, COPD, Hypertonie, gynäkologische Beschwerden sowie verschiedene pädiatrische Erkrankungen identifiziert und in die Evidenzsynthese eingeschlossen werden. Die meisten Arbeiten befassten sich dabei mit manual-thera­peutischen osteopathischen Behandlungen bei muskuloskelettalen Erkrankungen/Beschwerden, wobei systematische Reviews zu unspezifischen Kreuzschmerzen besonders häufig vorlagen. Auch war hier die Anzahl der in den Übersichtsarbeiten inkludierten RCTs mit bis zu 26 am größten. Für die ­meisten anderen Indikationen lagen nur einzelne Reviews mit oft geringer Anzahl an inkludierten RCTs vor. Für Zahn- und Kiefer­heilkunde bzw. Onkologie konnten keine systematischen Reviews zu osteopathischen Behandlungen identifiziert werden. In den inkludierten Arbeiten wurden unterschiedliche Interventionen/Techniken im Rahmen einer osteopathischen Behandlung untersucht wie z. B. osteopathische manipulative Therapie, Myofascial Release, spinal-manipulative Therapie, viszerale Manipulation, Cranio-Sacral-Therapie oder Muskelenergie­techniken. Neben den unterschiedlichen Techniken waren auch Häufigkeit und ­Dauer der Anwendungen sehr heterogen. Zudem wurden osteopathische Behandlungen in den Studien sowohl als alleinige ­Therapie als auch als Add-on zu anderen Therapien eingesetzt. Auch die Vergleichsinterventionen waren sehr unterschiedlich. Zumeist wurde gegenüber einer Scheinbehandlung oder keiner Behandlung ver­glichen. Aber auch aktive Interventionen wie Physiotherapie, Massagen oder Bewegungstherapien kamen in den Kontroll­gruppen zur Anwendung. Die methodische Qualität der Reviews sowie der darin inkludierten RCT war insgesamt moderat bis niedrig. Nur 26 % der RCTs wiesen eine hohe methodische Qualität auf.

Berichtet wurden hauptsächlich Ergebnisse zur Verbesserung der Symptomatik/Schmerzen sowie der körperlichen Funktionalität. Angaben zu unerwünschten Ereignissen fanden sich in etwa 60 % der Reviews, allerdings ist unklar, ob die Erfassung in den einzelnen Studien vollständig erfolgte. In der nachfolgenden Tabelle sind die Ergebnisse zur Wirksamkeit und Sicherheit osteopathischer Behandlungen für die einzelnen untersuchten Indikationen sowie für die Verlässlichkeit der Evidenz dargestellt.

Fazit

Insgesamt können osteopathische Behandlungen bei erwachsenen Personen mit chronischen nichtonkologischen Schmerzen – im Speziellen bei chronischen Kreuzschmerzen inklusive schwangerschaftsbedingten Kreuzschmerzen – zu einer Verringerung der Schmerzen und einer Verbesserung der Funktionalität führen. Bei akuten Kreuzschmerzen scheinen osteopathische Behandlungen keine Wirksamkeit zu haben. Bei chronischen oder akuten Nackenschmerzen sowie bei Migräne oder Reizdarmsyndrom könnte mit osteopathischen Behandlungen eine Verringerung der Schmerzen erreicht werden. Keine Wirksamkeit auf die Symptomatik der Erkrankung konnte hingegen bei Kopfschmerzen unterschiedlicher Ursache, Fibromyalgie, Symptomen des unteren Harntrakts oder COPD festgestellt werden. Bei Hyper­tonie, Gleich­gewichtsstörungen/Schwindel­er­kran­kungen sowie gynäkologischen Be­schwerden ist die Evidenzlage derzeit nicht ausreichend, um die Wirksamkeit osteopathischer Behandlungen beurteilen zu können.

Osteopathische Behandlungen können zudem bei frühgeborenen Säuglingen zu einer Verkürzung der Aufenthaltsdauer im Krankenhaus führen. Bei Kindern mit Otitis media können osteopathische Behandlungen zu einer Verringerung der Erkrankungshäufigkeit führen. Bei Kindern mit Zerebralpa­rese scheinen osteopathische Behandlungen keine Wirksamkeit zu haben. Bei weiteren pädiatrischen Indikationen ist die Evidenzlage derzeit nicht ausreichend, um die Wirksamkeit osteopathischer Behandlungen beurteilen zu können.

Ein erhöhtes Schadenspotenzial konnte für manual-therapeutische osteopathische Behandlungen insgesamt nicht festgestellt werden.