Das Ulcus cruris jeglicher Genese ist eine chronische Erkrankung v. a. des höheren Lebensalters, welche sowohl Behandler:innen als auch Patient:innen immer wieder herausfordert. Verschiedenste Ursachen sind für die Entstehung verantwortlich: u. a. eine chronisch venöse Insuffizienz (in bis zu 70 %), periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK), Diabetes mellitus mit dem diabetischen Fußsyndrom oder eine chronische Druckeinwirkung (Dekubitus) sowie selten Neoplasien, Infektionen, Autoimmunerkrankungen, Medikamente und andere (Abb.).
Daher ist vor Therapieeinleitung eine entsprechende Diagnostik durchzuführen, damit auch eine mögliche kausale Intervention (z. B. Varizenoperation, Rekanalisierung bei pAVK etc.) bereits von Beginn an in die Therapieplanung integriert wird, wobei Allgemeinzustand und persönliche Präferenz der Patient:innen mit berücksichtigt werden sollten.
Erster Abklärungsschritt ist das Tasten der Fußpulse (Fußrücken und medialer Knöchel) sowie Abfragen der Gehstrecke (uneingeschränkt bzw. eingeschränkt). Bei Verdacht auf eine periphere arterielle Durchblutungsstörung ist der nächste Schritt die Durchführung eines arteriellen Arm-/Bein-Indexes (ABI). Bei pathologischem Befund ist die weitere Abklärung (arterielle farbcodierte Duplexsonografie und/oder MR-Angiografie) angezeigt. Bei einer chronisch venösen Insuffizienz sollte eine farbcodierte Duplexsonografie des Venensystems die weitere Abklärung beinhalten, bei Patient:innen mit einem diabetischen Fußsyndrom sollte ein Neuropathie-Screening durchgeführt werden. Die Bestimmung der Stoffwechsellage, Medikamenten-, Allergie- und Schmerzanamnese sowie die Beurteilung des Allgemein- und Ernährungszustandes runden das Bild ab.
Etabliert in der Behandlung chronischer Wunden hat sich das Prinzip der feuchten Wundbehandlung; ausgenommen davon ist die trockene periphere Gangrän. Ein physiologisches, feuchtes Wundmilieu unterstützt die Heilung durch ein ideales Mikroklima für die überlappend ablaufenden Wundheilungsphasen. Zusätzlich sorgen atraumatische Verbandswechsel für anhaltende Wundruhe und Reduktion der Schmerzen bei selbigem. Heute steht allen Wundbehandler:innen eine große Produktpalette für die verschiedenen Wundheilungsphasen, Exsudatmanagement und Infektionsbehandlung/-vermeidung zur Verfügung. Die einzelnen Wundheilungsphasen – Reinigungs-, Granulations- und Epithelialisierungsphase – gehen fließend ineinander über. Die Lokaltherapie muss daher diesen Wundstadien immer wieder angepasst werden.
Schon die Beurteilung des Wundverbandes gibt erste Hinweise auf das Exsudatmanagement, denn dieser sollte nicht durchnässt sein und keinen üblen Geruch verbreiten. Nach Entfernung des Verbandes erfolgt die Wundreinigung mit z. B. physiologischer Kochsalzlösung, isotonen Lösungen oder Wundspülungen. Nekrosen und/oder Beläge müssen entfernt werden, am besten mechanisch mit einem scharfen Löffel oder einer Kürette nach vorheriger Lokalanästhesie mittels Spray oder Creme. Die am meisten verwendeten Produktgruppen als Wundauflage sind Alginate und Hydrofaserverbände, Schaumstoffe, Hydrokolloidverbände und Superabsorber; die Auswahl erfolgt abhängig von der Exsudationsmenge und der Wundheilungsphase (siehe QR-Code).
Ein wichtiger Faktor bei der Behandlung von chronischen Wunden ist die Infektionsprävention und -kontrolle. Abhängig von der Bakterienlast werden folgende Stadien unterschieden: Kontamination, Kolonisation, kritische Kolonisation, lokale Infektion und die systemische Infektion. Die Zunahme der Bakterienlast zeigt sich klinisch durch vermehrte Sekretion, Geruchsentwicklung und vermehrte Schmerzsymptomatik. Eine systemische Antibiotikagabe ist nur bei einer Infektion (Calor, Rubor, Tumor, Dolor, Functio laesa) mit Systemzeichen (Fieber) indiziert; dann sollte auch ein Abstrich inkl. Antibiogramm durchgeführt werden. Zur Infektionsprophylaxe, Eradikation multiresistenter Keime oder Behandlung lokaler Infektionen werden antimikrobiell wirksame Lösungen und/oder Wundverbände zeitlich begrenzt eingesetzt (z. B. Polihexanid, Natriumhypochlorit/hypochlorige Säure, silber- oder kupferhaltige Produkte, medizinischer Honig, Aktivkohleverbände oder Dialkylcarbamoylchlorid-Verbände [DACC-Technik]). Spezielle Interventionen bei der Wundbehandlung stellen die Unterdruck-, hyperbare Sauerstoff- und Kaltplasmatherapie sowie Hautersatzmaterialien und chirurgische Maßnahmen dar, welche in spezialisierten Zentren eingeleitet bzw. durchgeführt werden.
Das venöse Ulcus cruris erfordert eine Kompressionstherapie (Cave: pAVK!), bei einer arteriellen Durchblutungsstörung ist eine Rekanalisation oder eine konservative Durchblutungsförderung anzustreben. Druckulcera inkl. diabetischem Fußsyndrom erfordern eine entsprechende Druckentlastung.
Bei der Behandlung von chronischen Wunden sollte auch immer die Umgebungshaut entsprechend mitbehandelt, d. h. entsprechende Hautpflege durchgeführt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei bis zu 80 % dieser Patient:innen Kontaktsensibilisierungen gefunden werden. Diese betrifft sowohl Hautpflegemittel als auch Inhaltsstoffe von Produkten, die direkt auf die Wunde appliziert werden. Dazu gehören u. a. Kolophonium, Propylenglykol, Wollwachsalkohole, Cetylstearylalkohol, Gentamicin und Neomycin, wobei lokale Antibiotikagabe keine Indikation in der Behandlung von chronischen Wunden hat.
Die Behandlung chronischer Wunden jeglicher Genese erfordert eine interdisziplinäre und interprofessionelle Zusammenarbeit. Eine ausführliche primäre Diagnostik, kausale Therapie, wenn möglich, phasengerechte Wundbehandlung und entsprechende Schmerztherapie tragen positiv zur Abheilung bei. Niedergelassene Ärzt:innen, v. a. praktische Ärzt:innen, sind meist die erste Anlaufstelle von Wundpatient:innen. Hier sollte die primäre Abklärung mittels Anamnese, klinischer Untersuchung sowie erster Diagnostik und Definition mit Einleitung der entsprechenden Therapie erfolgen. Kann die Ursache für die chronische Wunde nicht definiert werden, ist eine weitere Abklärung an einem entsprechenden Zentrum erforderlich (Dermatologie, chirurgische oder konservative Gefäßabteilung, plastische Chirurgie, diabetische Fußambulanz etc.). Eine weitere wichtige Aufgabe für Allgemeinmediziner:innen ist die Begleitung der Patient:innen im Krankheitsverlauf und in der Prävention.