Die Diagnose einer Schilddrüsenerkrankung verläuft schrittweise.
Dazu zählen die Abklärung des symptomatischen oder zufällig entdeckten Schilddrüsenknotens, des Schilddrüsenkarzinoms sowie der laborchemisch manifesten Funktionsstörungen bei einer Hypo- oder Hyperthyreose. Für die Diagnose von Funktionsstörungen ist i. d. R. die initiale Bestimmung des basalen TSH ausreichend und sinnvoll. Ausnahme ist die Anamnese einer hypophysären Erkrankung oder eines schweren Schädel-Hirn-Traumas. Die ausschließliche TSH-Bestimmung wird deshalb von zahlreichen (inter-)nationalen Richtlinien und diagnostischen Leitfäden zur initialen Abklärung von Funktionsstörungen und Erkrankungen der Schilddrüse empfohlen. Es werden manifeste von latenten Funktionsstörungen unterschieden (Tab.).
Nicht jeder außerhalb des Referenzbereiches liegende Laborbefund hat einen Krankheitswert oder stellt eine Behandlungsindikation dar. Gerade die Kontrastmittelexposition im Rahmen von CT-Untersuchungen oder Angiografien führt zu Schwankungen der Schilddrüsenfunktion, die je nach Jodversorgung der Patient:innen von der latenten Hypothyreose (Wolff-Chaikoff-Effekt) bis zur latenten oder, sehr selten, manifesten Hyperthyreose reichen können.
Beim Fehlen einer wegweisenden Anamnese und typischen Klinik für latente Hypothyreose oder Hyperthyreose und unauffälliger Sonomorphologie der Schilddrüse (Größe − Volumen, Morphologie − Struktur) ist bei Erwachsenen mit abnormem TSH eine Verlaufskontrolle der Schilddrüsenfunktion ausreichend. Eine Verlaufskontrolle sollte in 3 bis 6 Monaten erfolgen.
Ursache
Eine häufige Ursache latenter Funktionsstörungen sind Änderungen der Einnahmemodalitäten der Thyroxin-Substitutionstherapie bei chronischer Immunthyreoiditis oder Z. n. Thyreoidektomie. Ein überdurchschnittlich hoher Thyroxin-Bedarf sollte die Aufmerksamkeit in Richtung der Therapieadhärenz lenken.
Kinderwunsch/Schwangerschaft
Auch latente Hypothyreosen/Hyperthyreosen bei Frauen mit Kinderwunsch, in der Schwangerschaft oder postpartal sind einer differenzierten Abklärung zuzuführen. Die selektive Optimierung des TSH-Spiegels < 2,5 mU/l bei Kinderwunsch ist mit einer Erhöhung der Fertilitätsrate assoziiert. In der Schwangerschaft sind physiologische (HCG-induzierte) Abweichungen des TSH nicht behandlungswürdig. Die postpartale Thyreoiditis kann mit temporären latent hyperthyreoten oder hypothyreoten Phasen einhergehen, ist jedoch mit einer hohen Rate an spontanen Remissionen verbunden.
Therapie
Es ist festzuhalten, dass es gerade für die Behandlung milder (TSH < 10 mU/l) latent hypothyreoter (subklinischer) Funktionsstörungen keine gesicherte Evidenz für die Reduktion der kardiovaskulären Morbidität und Mortalität, die Verbesserung der Lebensqualität oder kognitiver Leistungen als Folge einer Substitutionstherapie gibt. Vor allem die unkritische Behandlung der latenten Hypothyreose mit gering außerhalb des Referenzbereiches liegenden TSH-Werten um die 6 mU/l wird bei Patient:nnen über 75 Jahre in der Literatur kritisch bewertet. Es ist erwähnenswert, dass Populationsstudien einen hohen Anteil an Personen mit höheren TSH-Werten bei Gesunden über 100-Jährigen zeigen. Bei Patient:innen < 75 Jahren sind das Risikoprofil für den Übergang in eine manifeste Hypothyreose, die Sonomorphologie der Schilddrüse, die Dauer und der Schweregrad der klinischen Symptomatik, Begleiterkrankungen und die Patientenpräferenz und -adhärenz für eine mögliche Langzeittherapie in der Entscheidungsfindung für oder gegen eine Therapie zu berücksichtigen.
Therapie
Klinische Studien zeigen, dass die latente Hyperthyreose (TSH < 0,1 mU/l) mit einer Erhöhung des kardiovaskulären Risikos assoziiert ist, wobei die Inzidenz des paroxysmalen Vorhofflimmerns zunimmt, aber auch weitere Effekte im Sinne einer hypertonen Blutdruckregulation und Myokardfunktion beschrieben wurden. Diese Faktoren begründen die frühzeitige (temporäre) thyreostatische Therapie bei Patient:innen mit kardiovaskulären Vorerkrankungen. Bei der jahrelang persistierenden latenten Hyperthyreose kommt es zudem zu einer Abnahme der Knochenmineraldichte, sodass die (iatrogene) TSH-Suppression immer zu vermeiden ist, mit Ausnahme der hochdosierten Substitutionstherapie des differenzierten papillären oder follikulären Schilddrüsenkarzinoms.
Ursachen
Für die manifeste Hypothyreose bestehen zahlreiche Ursachen, unter denen die chronische Immunthyreoiditis (unter ihnen die Hashimoto-Thyreoiditis) und der Z. n. Lobektomie oder Thyreoidektomie am häufigsten ist. Aufmerksamkeit ist auf die doch erhöhte Komorbidität der Patientengruppen mit Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse zu richten (Assoziation mit chronischer Polyarthritis, perniziöser Anämie, systemischer Lupus erythematodes, M. Addison, Zöliakie und Vitiligo).
Therapie
Es besteht nur eine wirksame Therapieform der Hypothyreose, jene der Thyroxin-Substitutionstherapie. Die bei der chronischen Immunthyreoiditis immer wieder eingesetzte Selenmethionin-Therapie kann im Allgemeinen die Konversion einer latenten in die manifeste Form und den strukturellen Parenchymverlust nicht verhindern und ersetzt die Thyroxin-Therapie nicht.
Bei Verschlechterung einer latenten Funktionsstörung – d. h., das TSH fällt unter die Nachweisgrenze von 0,1 mU/l mit begleitender Erhöhung von freiem T3 und T4 – sollte in jedem Fall die Überweisung an eine Schilddrüsenambulanz erfolgen.
Abklärung
Die der manifesten Hyperthyreose zugrunde liegenden Erkrankungen erfordern häufig die Zuweisung an eine Schilddrüsenambulanz zur Komplettierung der Abklärung. Bei der manifesten Hyperthyreose erfordern die beiden häufigsten Differenzialdiagnosen uni- oder multifokale Autonomie versus Immunhyperthyreose unterschiedliche therapeutische Ansätze.
Therapie
Betablocker sind bei der manifesten Hyperthyreose eine hinsichtlich der kardialen und neurologischen Symptomatik rasch wirksame und protektive (Dauer-)Therapie. Nichtselektive Betablocker wie Propranolol bieten den Vorteil einer zusätzlichen Hemmung von T4 in T3, müssen aber in 2–3 Tagesdosierungen eingesetzt werden. Die thyreostatische Therapie ist erste Wahl bei Immunhyperthyreosen, während die Radiojodtherapie oder Radiofrequenzablation für Autonomien herangezogen wird. Die Radiojodtherapie ist bei einer unifokalen Autonomie Therapie der Wahl, da eine hochselektive Ablation des hyperfunktionellen Knotens erfolgen kann, ohne die Restschilddrüse in ihrer Funktion zu mindern. Die jahrelange Dauertherapie mit Thyreostatika sollte nur bei sehr niedrigen Erhaltungsdosen und gleichzeitigem Vorliegen von Kontraindikationen gegenüber anderen Therapieformen angewandt werden. Der Einsatz der chirurgischen Therapie (Lobektomie oder Thyreoidektomie) ist bei multiplen hyper- und hypofunktionellen Knoten, höhergradiger mechanischer Kompression der Trachea oder therapierefraktären Situation zu erwägen. Die Auswahl der Therapie bei mehreren Optionen ist unter Berücksichtigung von Alter, Begleiterkrankungen und -medikation sowie individuellen Patientenbedürfnissen zu treffen und zu diskutieren.