Der graue Star (Katarakt) bezeichnet eine Trübung der Augenlinse (Abb. 1).Das Wort „Katarakt“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet „Wasserfall“ – die weiße Trübung hinter der Pupille bei weit fortgeschrittener Katarakt erinnerte an einen erstarrten Wasserfall.
Durch die zunehmende Trübung der Linse kommt es zu Symptomen wie einer langsam fortschreitenden Sehverschlechterung, „Grauschleier“, Blendungsgefühl, veränderter Farbwahrnehmung, vermindertem Kontrastsehen oder auch monokulären Doppelbildern. Durch die Refraktionsänderung bei bestimmten Formen der Katarakt können sich die Brechkraft und somit auch die Dioptrien der Brille ändern; so werden Patienten plötzlich kurzsichtig und brauchen in der Nähe keine Lesebrille mehr.
Die mit Abstand häufigste Form ist die altersbedingte (senile) Katarakt. Fast 100% der über 65-Jährigen haben eine Linsentrübung, ungefähr die Hälfte der Patienten bemerken die Sehstörung, wenn sie das 75. Lebensjahr erreicht haben.
Die einzige Therapie der Katarakt ist die chirurgische Entfernung der getrübten Linse. Schon 1750 v. Chr. wurde in babylonischen Schriften die Technik des „Starstechens“ erwähnt. Bei dieser Methode wurde – ohne Anästhesie – die trübe Augenlinse mit einem spitzen Gegenstand aus dem Sichtfeld ins Augeninnere gedrückt. Die Technik des Starstechens war weit verbreitet und hielt sich bis ins 20. Jahrhundert bis schließlich 1949 in London die erste Kunstlinse aus Plexiglas in ein menschliches Auge implantiert wurde.
Heute zählt die Kataraktoperation zu den am häufigsten durchgeführten Eingriffen weltweit. Alleine in Österreich werden ca. 80.000 Augen pro Jahr operiert. Operationsmethode, Kunstlinsenmaterial und -design werden kontinuierlich weiterentwickelt und haben zu einigen interessanten Innovationen auf diesem Gebiet geführt.
Die Operation wird in den meisten Fällen in lokaler Betäubung, d.h. entweder in topischer Anästhesie (Tropfanästhesie) oder in Peri- bzw. Retrobulbäranästhesie durchgeführt. Nur sehr selten, z.B. bei mangelnder Compliance seitens des Patienten, ist eine Vollnarkose notwendig. Da der Chirurg mit seinem Patienten während der Operation kommunizieren kann, sind die Vorteile der topischen Anästhesie die intraoperative Fähigkeit zur Mitarbeit des Patienten, aber auch eine schnelle visuelle Rehabilitation oder das problemlose Fortsetzen einer Therapie mit Antikoagulantien.
Nach chirurgischer Waschung und Abdeckung des Auges wird zunächst eine meist stufenförmige Inzision am Rand der Hornhaut durchgeführt. Der Schnitt ist in der Regel zwischen 1,8 und 2,6 mm breit und durch seine Ventilwirkung selbstdichtend.
Die Standardmethode zur Kataraktentfernung stellt heute die Phakoemulsifikation dar. Dabei wird nach Eröffnen der vorderen Linsenkapsel (Kapsulorhexis) der Kern und die Rinde der natürlichen Linse mittels einer modifizierten Ultraschallsonde verflüssigt und abgesaugt (Abb. 2). Dabei bleibt nur noch der Kapselsack bestehen, in den die Kunstlinse (auch Intraokularlinse oder Hinterkammerlinse) nachfolgend implantiert wird.
Moderne Intraokularlinsen (IOL) bestehen aus einem optischen Teil (Optik) und Haltebügeln (Haptiken), wobei die Optik 6 mm und der Gesamtdurchmesser12–13 mm misst. Sie werden aus hydrophobem oder hydrophilem Acrylat oder Silikon gefertigt, haben einen UV-Filter und verfügen über eine Brechkraft von ca. 10–30 Dioptrien. Durch die Flexibilität des Materials lassen sich die Linsen mittels Injektor durch sehr kleine Schnitte(1,8–2,6 mm) gefaltet in den Kapselsack implantieren und entfalten sich dort(Abb. 3).
Um die Prävalenz der posterioren Kapseltrübung nach Kataraktoperation (so genannter „Nachstar“) zu vermindern, werden IOL heute mit scharfem Hinterkantendesign hergestellt. So kann das Einwandern von Zellen auf die hintere Kapsel und somit eine erneute Eintrübung, welche mit einer abermaligen Sehverschlechterung einhergeht, verhindert werden.
Um den steigenden Bedürfnissen und Ansprüchen der Patienten an ihre Sehleistung gerecht zu werden, kann heutzutage die Qualität des visuellen Systems mit speziellen Linsen im Zuge der Kataraktoperation gezielt verbessert werden.
Asphärische IOL weisen eine optimierte Oberflächenkrümmung der Linse auf, die sphärische Aberrationen, d.h. Abbildungsfehler höherer Ordnung, korrigieren können. Dadurch kann die Kontrastempfindlichkeit und damit der subjektive Seheindruck verbessert werden.
15–20% der Kataraktpatienten haben einen kornealen Astigmatismus von 1,5 Dioptrien oder mehr. Dieser kann mittels einer torischen Intraokularlinse durch eine entsprechende Optikzone ausgeglichen werden. Bei der Implantation muss auf eine exakte Ausrichtung und Rotationsstabilität der Linse geachtet werden, um eine optimale Korrektur des Astigmatismus dauerhaft zu gewährleisten.
Der Verlust der Akkommodation durch die Rigidität der Kunstlinse stellt die moderne Kataraktchirurgie vor eine ihrer größten Herausforderungen: die Korrektur der Presbyopie, d.h., das Wiederherstellen der Fähigkeit sowohl in der Ferne als auch in der Nähe ohne Brille scharf zu sehen. Multifokale IOL sind einer der Lösungsansätze für dieses Problem. Sie besitzen zwei oder mehrere Brennpunkte, die dem Patienten brillenunabhängiges Sehen in verschiedenen Distanzen ermöglichen sollen.
Auch akkommodative IOL sollen die Akkommodation nach Kataraktoperation wiederherstellen, und zwar durch anteriore Linsenverschiebung. Bis jetzt konnte jedoch keine Studie eine solche klinisch relevante Verschiebung feststellen, sodass dieses Linsenmodell zur Zeit als nicht erfolgsversprechend betrachtet werden kann.
Blaufilter reduzieren die Transmission des kurzwelligen Lichtanteils. Dieser steht im Verdacht, durch photooxidative Prozesse die Netzhaut an der Stelle des schärfsten Sehens (Makula) zu verändern und dadurch eine altersbedingte Makuladegeneration (AMD) zu begünstigen.
Umfangreiche präoperative diagnostische Maßnahmen sowie die Evaluierung der Sehanforderungen und Sehgewohnheiten der Patienten sind notwendig, um die individuell am besten geeignete Kunstlinse zu bestimmen.
Die neueste Entwicklung in der modernen Katarktchirurgie ist der Femtosekundenlaser, der bei der Femtosekundenlaser-assistierten Kataraktoperation (FLACS, femtosecond laser-assisted cataract surgery) eingesetzt wird. Dieser Laser arbeitet mit ultrakurzen Lichtimpulsen im Bereich von Femtosekunden (eine Femtosekunde entspricht 10–15 Sekunden = 0,000.000.000.000.001 s) und kann durch Fokussierung hohe Energiedichten erzeugen. Die betreffenden Gewebeschichten werden durch Umwandlung von Laserenergie in mechanische Energie (Photodisruption) präzise an vorher berechneten Stellen auseinandergetrennt ohne eine thermische Schädigung von Nachbargeweben hervorzurufen.
Ein 3D-Bildgebungsverfahren unterstützt den Femtosekundenlaser-assistierten Eingriff. Mittels optischer Kohärenztomografie (OCT), einem hochauflösenden bildgebenden Verfahren, werden die Augenlinse und die Hornhaut im Mikrometerbereich abgebildet. Auf dieser Grundlage kann die Einwirkung des Lasers genau dargestellt und computergesteuert geführt werden.
Die Kataraktoperation mit der neuen Technologie erfolgt in zwei Schritten, einem vom Laser durchgeführten und einem vom Chirurgen manuell vorgenommenen. Der Femtosekundenlaser kann die Eröffnung der Linsenkapsel (Kapsulotomie), die Zerteilung der getrübten Linse (Linsenfragmentierung) und die Schnitte durch die Hornhaut durchführen. Danach saugt der Chirurg die vorfragmentierte Linse mit wenig Ultraschallenergie ab und implantiert die Kunstlinse. Den Vorteilen der präzisen Schnittführung, Kapsulotomie und Linsenfragmentierung stehen eine verlängerte Operationszeit, die Nichtanwendbarkeit bei allen Patienten (z.B. bei enger Pupille) und die deutlich höheren Operationskosten gegenüber. Somit wird sich erst weisen, ob sich diese Technologie in Zukunft durchsetzen und zur Standard-Kataraktoperation etablieren wird.