Urologie – keine reine Männermedizin

Urothelkarzinom der Harnblase

Das Urothelkarzinom der Blase (UKB) ist die vierthäufigste Krebserkrankung bei Männern und ist bei Frauen an der 17. Stelle. Für Männer besteht im Vergleich zu Frauen ein drei- bis vierfach höheres Risiko, an einem UKB zu erkranken. Doch nicht nur die Häufigkeit, sondern auch der Krankheitsverlauf unterscheidet sich zwischen den Geschlechtern. Obwohl Männer deutlich häufiger erkranken, befinden sich Frauen zum Zeitpunkt der Diagnose oft in einem weiter fortgeschrittenen Tumorstadium als Männer. Zusätzlich haben Frauen ein höheres Risiko für Rezidive und Progression der Erkrankung sowie eine höhere Sterblichkeit.

Risikofaktoren

Ein relevanter Risikofaktor ist die Exposition gegenüber krebserregenden Substanzen, wie Tabak oder industrielle Chemikalien. Rauchen ist der Hauptrisikofaktor für UKB, historisch gesehen liegt der Zigarettenkonsum bei Männern im Geschlechtervergleich höher als bei Frauen. Obwohl sich das Rauchverhalten in den letzten Jahrzehnten geändert hat, ist der geschlechtsspezifische Unterschied noch immer vorhanden. Der ausgeprägte Nikotinkonsum bei Männern erklärt daher zumindest teilweise die höhere UKB-Inzidenz. Auch berufsbedingte Risikofaktoren wie die Exposition gegenüber aromatischen Aminen und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen, insbesondere bei industrieller Färbung, Metallverarbeitung, Gerbung, Lederverarbeitung und anderen, sind mit etwa 10 % der neudiagnostizierten UKB-Fälle assoziiert. Traditionell betrachtet sind diese Berufe eher von Männern besetzt.

Es wird auch ein Zusammenhang mit chronischen Entzündungen und UKB diskutiert. Das Vorkommen von HWI ist bei Frauen höher als bei Männern, und auch das Keimspektrum unterscheidet sich zwischen den Geschlechtern. Ein gesicherter Risikofaktor für die Entwicklung von UKB ist eine Infektion mit Schistosomen. Bei anderen Erregern wie Gonorrhö und Infektionen mit humanen Papillomviren (HPV) wird ein erhöhtes Risiko vermutet, jedoch besteht keine einheitliche Meinung dazu. Es wird angenommen, dass Östrogene einen gewissen Schutz gegen die Entstehung von UKB bieten. Bei bestehendem Karzinom können Östrogene hingegen das Fortschreiten der Krankheit fördern. Androgene gelten als wichtige Auslöser der Erkrankung. Epidemiologische Studien zeigen ein höheres Risiko für postmenopausale Frauen, an UKB zu erkranken, als für prämenopausale Frauen.

Diagnostik und Therapieresponse

Im Vergleich wird die Diagnose eines UKB bei Frauen häufiger in bereits fortgeschrittenen Krankheitsstadien gestellt. Frauen sind außerdem vergleichsweise öfter von High-Grade-UKB, also Hochrisikotumoren, betroffen. Dies kann durch biochemische und hormonelle Faktoren teilweise erklärt werden. UKB-Symptome werden bei Frauen möglicherweise anders interpretiert als bei Männern. So werden Frauen mit Hämaturie beispielsweise häufiger mit HWI diagnostiziert und weniger häufig an eine:n Fachärzt:in für Urologie überwiesen als Männer. Dies kann dazu führen, dass das UKB oder eine andere schwerwiegende Erkrankung nicht oder erst verspätet erkannt wird, woraus schlechtere Therapieergebnisse und Überlebenschancen für Frauen resultieren.

Die radikale Zystektomie mit Lymphknotenresektion gilt als Goldstandard der Therapie des muskelinvasiven Blasenkarzinoms (MIUKB). In einigen Zentren wird zusätzlich eine neoadjuvante Chemotherapie angeboten, zur Relevanz gibt es allerdings nur begrenzte Evidenz, und auch geschlechtsspezifische Daten fehlen weitgehend. Studien zeigen, dass Frauen mit MIUKB ein schlechteres Überleben im Vergleich zu Männern haben, unabhängig vom pathologischen Stadium, Lymphknotenstatus oder von der lymphovaskulärer Invasion.

Auch beim nichtmuskelinvasiven Blasenkarzinom – hier gilt die transurethrale Resektion der Blase (TUR-B) als Behandlungsstandard – gibt es geschlechtsspezifische Outcome-Untersuchungen:
Eine Studie ergab, dass das weibliche Geschlecht ein unabhängiger Prädiktor für ein Rezidiv nach intravesikaler BCG-Therapie (Immuntherapie, die in die Blase verabreicht wird) ist. Andere Arbeiten haben gezeigt, dass der diagnostische Prozess bis zur TUR-B bei Frauen in der Regel länger dauert als bei Männern und dass für das weibliche Geschlecht ein höheres Risiko für Rezidive und Progression bestehen kann.

Andere urologische Erkrankungen

Neben Harnblasenkarzinomen sollte man auch die geschlechtsspezifischen Unterschiede bei Nierentumoren, Urolithiasis und HWI berücksichtigen. Männer sind von Nierentumoren häufiger betroffen als Frauen. Untersuchungen haben zudem gezeigt, dass Männer oft größere Nierentumoren aufweisen und eher zu fortgeschrittenen Stadien neigen. Beim Vorhandensein von Harnsteinleiden gibt es ebenfalls geschlechtsspezifische Unterschiede. Männer haben – aufgrund von anatomischen und physiologischen Unterschieden – ein höheres Risiko für die Entstehung von Harnsteinen, während Frauen ein deutlich höheres Risiko für HWI aufweisen. Bei Männern können HWI auf zugrunde liegende Erkrankungen, wie eine vergrößerte Prostata, hinweisen; diese sind daher oft der Auslöser für eine weitere urologische Abklärung.

Zusammenfassung

Insgesamt zeigen geschlechtsspezifische Unterschiede bei Harnblasenkarzinomen, dass biologische, verhaltensbezogene und soziale Faktoren eine Rolle bei der Entstehung, dem Verlauf und der Behandlung dieser Erkrankung spielen können. Studien unserer Abteilung konnten zeigen, dass Männer häufiger an einem UKB erkranken, Frauen sich jedoch zum Zeitpunkt der Diagnose in einem fortgeschritteneren Tumorstadium befinden, ein höheres Rezidiv- und Progressionsrisiko sowie eine höhere Mortalität aufweisen. Ein tieferes Verständnis dieser Unterschiede kann dabei helfen, zukünftig präventive Maßnahmen zu gestalten, die den spezifischen Risikoprofilen von Männern und Frauen gerecht werden. Es bleibt eine wichtige Aufgabe für die Urologie, die geschlechtsspezifischen Unterschiede weiter zu erforschen und die Zusammenarbeit zwischen Klinik, Forschung, Sozialmedizin, Politik und dem niedergelassenen Bereich zu fördern. Ein Umdenken von der Urologie als reine „Männermedizin“ kann helfen, die Behandlungsergebnisse für alle Patient:innen zu optimieren.

KOMMENTAR


Univ.-Prof.in Dr.in Alexandra Kautzky-Willer
Medizinische Universität Wien & lapura,
Genderinstitut Gars am Kamp

Urologie – auch für Frauen ein wichtiges Fachgebiet!

Urologie ist mehr als Männermedizin; Gendermedizin mehr als Frauenmedizin!
Krankheiten, die vor allem bei einem Geschlecht auftreten, werden beim anderen Geschlecht oft später und schlechter erkannt und haben dann oft auch eine ungünstigere Prognose. Das trifft auf Osteoporose für Männer ebenso zu wie auf Herzinfarkte im jüngeren Lebensalter oder eben auch Harnblasentumoren für Frauen. Dabei ist es auch eine wichtige Aufgabe der Gendermedizin, neben einem besseren Verständnis für die biologischen Unterschiede, die Risikofaktoren und Symptome bei diesen Krankheiten auch auf solche Gender-Bias hinzuweisen, um die Versorgung aller Menschen zu verbessern. Blut im Harn wird bei Frauen oft auf eine Blutung oder einen banalen Harnwegsinfekt zurückgeführt und bagatellisiert. Es sollte aber beachtet werden, dass Blut im Harn auch bei Frauen ein Hinweis auf einen Harnblasentumor sein kann. Eine raschere Früherkennung könnte bei Frauen die Prognose verbessern. Bei Harnblasentumoren zeigt sich auch eindrucksvoll, dass sowohl biologische Unterschiede wie die Sexualhormone als auch Gender-Unterschiede im Verhalten wie Rauchen oder in der Exposition gegenüber bestimmten Schadstoffen eine wichtige Rolle spielen.
Harnwegsinfekte treten bei der Frau tatsächlich wesentlich öfter auf, was auf anatomische Unterschiede wie die kürzeren Harnleiter und die Nähe zur Vaginal-Anal-Region bei der Frau zurückgeführt werden kann. Frauen leiden auch öfter unter chronischen Harnwegsinfekten, was häufig mit großem Leidensdruck verbunden ist. Koliken durch Nierensteine treten wiederum bei Männern öfter auf. Geschlechterunterschiede finden sich auch in der Zusammensetzung der Harnsteine mit mehr calciumoxalathältigen Steinen bei Männern und mehr harnsäurehältigen Steinen bei Frauen. Bei beiden Geschlechtern scheint der Anstieg von Übergewicht und metabolischem Syndrom zur Zunahme von Steinleiden beizutragen.
Eine gute interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Urologie und Gynäkologie, aber auch mit der Allgemeinmedizin und Inneren Medizin ist wesentlich, um eine bestmögliche Behandlung aller Patient:innen zu gewährleisten.