Dank der empfohlenen Vitamin-D-Gabe bei Säuglingen ist glücklicherweise die Rachitis als schwere Vitamin-D-Mangelkrankheit von Kindern hierzulande kaum noch relevant. Und trotzdem ist ein marginaler Vitamin-D-Mangel mit zunächst nicht offensichtlichen Auswirkungen in unserer Bevölkerung präsent. Unumstritten ist, dass Vitamin D grundlegend für den Knochenstoffwechsel, das Immunsystem und die Genexpressionen ist. So wundert es nicht, dass ein Mangel langfristig schwere Folgen für unseren Gesundheitszustand hat. In diesem Zusammenhang sind autoimmunologische Reaktionen des Körpers, wie rheumatoide Arthritis, multiple Sklerose oder Diabetes mellitus, zu nennen. Zusätzlich haben unzählige Beobachtungsstudien ergeben, dass niedrige Vitamin-D-Serumspiegel mit einer höheren Gesamtmortalität sowie einer höheren Mortalität durch Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder nun auch COVID-19 einhergehen.
Auch wenn statistisch nicht ganz klar hervorgeht, ob diese Zusammenhänge kausal sind oder ein Mangel eventuell erst durch eine Komorbidität entsteht, ist es dennoch lohnend, den Vitamin-D-Status jedes einzelnen Patienten bzw. jeder Patientin zu kennen und bei einem Mangel Supplementierungsmaßnahmen zu treffen.
Üblicherweise wird im Serum das 25-Hydroxy-Vitamin-D3 gemessen, auch Calcidiol genannt. Obwohl Calcidiol nur eine Vorstufe des aktiven Vitamin D3 (Calcitriol oder 25-[OH-]Hydroxycholecalciferol) ist, ist die Bestimmung der Serumkonzentration des Calcidiols der beste Indikator zur Beurteilung des Vitamin-D-Status. Es spiegelt die langfristige Vitamin-D3-Versorgung der letzten drei bis vier Monate wider. Eine Serumkonzentration zwischen 40 ng/ml und 70 ng/ml ist anzustreben. Unter 30 ng/ml besteht ein Mangel an Vitamin D3. Ist die Einheit in nmol/l angegeben, so erfolgt die Umrechnung in ng/ml mit dem Faktor 2,5 (Bsp.: 75 nmol/l = 30 ng/ml).
Eine ausreichende Versorgung mit Vitamin D im Winter ist nur durch eine gezielte Supplementierung durch Arznei- und Nahrungsergänzungsmittel zu erreichen. Glücklicherweise können wir auf eine Vielzahl an sehr guten Vitamin-D-Präparaten von heimischen Pharmafirmen und Nahrungsergänzungsmittelherstellern zurückgreifen, die jedenfalls über die Wintersaison, eventuell aber auch ganzjährig supplementiert werden sollten. Insbesondere sind Patient:innen darauf hinzuweisen, dass sie nicht wahllos aus dem Internet Vitamin-D-Präparate beziehen sollten, sondern dass besonders auf die Inhaltsstoffe und Qualitätskriterien zu achten ist.
Die Dosierung ist abhängig vom Serumspiegel und sehr individuell. Laut EFSA liegt die empfohlene Höchstzufuhrmenge bei 4.000 IE pro Tag bei Erwachsenen. 1.000 IE pro Tag sind unbedenklich. Patient:innen mit chronischen Darmerkrankungen oder anderen Erkrankungen mit Malabsorptionsstörungen können allerdings Dosierungen mit 10.000 IE bis 20.000 IE benötigen. Spezielle Patientengruppen mit Leber- oder Nierenerkrankungen, adipöse Patient:innen, Frauen in der Menopause und ältere Menschen sind ebenfalls für einen Vitamin-D-Mangel prädisponiert.
Um Überdosierungen zu vermeiden, sollte je nach Ausgangswert der Vitamin-D-Status regelmäßig kontrolliert werden. So können Nebenwirkungen wie Hyperkalzämie, Hyperkalziurie, Magen-Darm-Beschwerden, Juckreiz, Hautausschlag oder Übelkeit vermieden werden. Mögliche Wechselwirkungen durch einen erhöhten Abbau von Vitamin D bei Einnahme von Antikonvulsiva, Glukokortikoiden, Thiaziddiuretika und Herzglykosiden sind ebenfalls zu bedenken.