Wann kommen die COVID-19-Medikamente?

Die USA wollen umgerechnet 2,6 Milliarden Euro in die Entwicklung antiviraler Medikamente zur Behandlung von COVID-19 investieren. Auch in Europa wird massiv geforscht. Klar ist, dass Impfstoffe sicherlich die Hauptstoßrichtung gegen SARS-CoV-2 sind. Antivirale Mittel sollen jedoch eine wichtige Ergänzung zu Impfstoffen sein. Dabei geht es nicht nur um jene Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen, sondern auch um jene, bei denen eine Impfung aus medizinischen Gründen nicht oder noch nicht möglich ist.
„Bei den ersten Arzneimitteln, die es gibt, ist der Nachteil, dass die Medikamente nur intravenös verabreicht werden können“, sagt Ärztekammerpräsident Univ.-Prof. Dr. Thomas Szekeres. Er wünscht sich auch orale antivirale Therapien. Bei der Suche spielen auch österreichische Forscher eine Rolle. Das mögliche COVID-19-Medikament des Wiener Unternehmens Apeiron soll etwa zur Verabreichung mittels Inhalation untersucht werden. Studien dazu laufen. „Unsere Studienansätze treiben die Entwicklung von APN01 voran, um Patienten eine sichere und wirksame Behandlungsmöglichkeit zur Verfügung zu stellen. Die Verabreichung unseres Medikamentenkandidaten direkt in die Atemwege könnte das Eindringen des Virus in die Lungenzellen blockieren und dadurch dessen Vermehrung verhindern“, sagte Dr. Romana Gugenberger, Leiterin von Forschung und Entwicklung bei Apeiron Biologics, im Mai in einer Aussendung.
Vorsichtig zeigt sich noch das Austrian Institute for Health Technology Assessment (AIHTA). Es prüft monatlich, welche Evidenz es zur Wirksamkeit und Sicherheit von möglichen COVID-19-Medikamenten gibt. Die Bilanz nach 35 Arzneimitteln, die seit April 2020 beobachtet wurden, ist nicht besonders gut, denn einen echten Hoffnungsträger gibt es bisher immer noch nicht. Weder Bamlanivimab noch REGN-COV2, das auch Ex-Präsident Donald Trump bekam, entpuppten sich als ausreichend wirksam, heißt es in einer Stellungnahme. In den USA erhielten die Therapeutika bereits im November 2020 von der FDA eine Notfallzulassung. „Die vorläufigen Ergebnisse aus den noch laufenden klinischen Studien deuten darauf hin, dass die Antikörpermedikamente die Viruslast von nichthospitalisierten Patienten zwar reduzieren können, eine auf Evidenz basierende Empfehlung ist derzeit aber nicht möglich“, so das Fazit von Claudia Wild, der Leiterin des AIHTA. „Das Medikament muss über eine Infusion verabreicht werden und bedarf also zumindest einer Spitalsambulanz, obwohl die Patienten nur leicht erkrankt sind und eigentlich zu Hause bleiben sollen“, ergänzte die Expertin die zusätzlichen logistischen Probleme – und für bereits schwerer Erkrankte sei der Antikörpercocktail ausdrücklich nicht vorgesehen. Das Institut evaluiert kontinuierlich, welche COVID-19-Therapeutika sich in der klinischen Prüfung befinden und welche Evidenz es zu Wirksamkeit und Sicherheit der Arzneimittel gibt. Dadurch soll gewährleistet sein, dass die Beschaffung von COVID-19-Medikamenten evidenzbasiert erfolgt. Mit dem so genannten „horizon scanning“ sollen außerdem medikamentöse „Irrlichter“ identifiziert werden, die häufig durch mediale Hypes entstehen. So wurde etwa das Asthmamedikament Budesonid in der Berichterstattung zahlreicher Medien vorschnell als Heilmittel in der Pandemie gefeiert. Die AIHTA-Analyse zeige allerdings, dass die derzeitige Datenlage nicht ausreicht, um eine positive Wirkung im Fall einer COVID-19-Erkrankung verlässlich nachweisen zu können, betont Wild.
Die Ärzte Krone sprach über die Entwicklungsfortschritte und Potenziale mit Ärztekammerpräsident Univ.-Prof. Dr. Thomas Szekeres, DI Dr. Christa Wirthumer-Hoche, Leiterin der AGES-Medizinmarktaufsicht und Vorsitzende des EMA-Management-Board, sowie Mag. Christina Nageler, Geschäftsführerin der Interessengemeinschaft österreichischer Heilmittelhersteller und Depositeure (IGEPHA).

 

„Lieferung nach Hause“

Univ.-Prof. Dr. Thomas Szekeres

Es gibt erste Medikamente, sie wirken aber nur, wenn sie sehr früh eingesetzt werden. Wichtig wird sein, dass ein Medikament rasch zur Verfügung steht, sobald jemand positiv getestet ist und das Risiko für eine schwerwiegende Erkrankung hat. Ich erwarte im Herbst orale antivirale Arzneimittel. Wir müssen aber dann dafür sorgen, dass Infizierte rasch und niederschwellig Zugang erhalten. Es muss jetzt schon organisiert werden, wie Medikamente verteilt werden können. Optimal wäre, den Patienten das Medikament nach Hause zu liefern. Es ist nicht sinnvoll, wenn Infizierte in die Apotheke gehen. Idealerweise sollten sie es vor der Haustüre finden, wenn sie einen positiven PCR-Test haben. Dazu ist auch wichtig, dass sich Menschen testen lassen – vor allem, wenn Symptome auftreten.

© Stefan Seelig

„Auch Österreich ist dabei“

DI Dr. Christa Wirthumer-Hoche

Die Industrie forscht noch sehr intensiv an COVID-19-Medikamenten. Was derzeit gerade passiert, ist, dass vier monoklonale Antikörper bereits für die Zulassung im Rolling Review der EMA sind. Es laufen aber noch klinische Prüfungen; wann genau ein Zulassungsantrag gestellt wird, ist noch offen. Für Österreich interessant ist das Projekt von Josef Penninger. Der Letztstand ist hier, dass die Daten noch nicht vorgelegt sind und kein Rolling Review eingereicht wurde. In der näheren Pipeline sind sicher über ein Dutzend Medikamente, in Vorbereitung sicher etwa 100. Ein ideales Therapeutikum für COVID-19 hat man aber leider noch nicht entwickelt, wann es eine orale Form gibt, kann man noch nicht sagen.

© Peter Nemenz

„Vorsorge nimmt zu.“

Mag. Christina Nageler

Generell hat die Pandemie das Interesse an der Eigenverantwortung gestärkt. Die Menschen haben sehr schnell gelernt, wie wichtig es für ihre Gesundheit ist, Schutzmasken zu tragen, die Hände zu desinfizieren und ihre Abwehrkräfte mit Immunstimulanzien zu stärken. OTC-Produkte zur Immunstärkung waren vor allem in der Anfangsphase der Pandemie extrem stark nachgefragt. Mit Fortschreiten der epidemiologischen Entwicklung sind es jetzt jene Menschen, die unter Long COVID oder Post COVID leiden, welche sich bei der Linderung der typischen Symptome gerne von Self-Care-Produkten unterstützen lassen. Insgesamt stellt die IGEPHA als Vertretung der österreichischen Self-Care-Industrie fest, dass das Interesse an rezeptfrei verfügbaren Arzneimitteln und Gesundheitsprodukten zur Bewältigung der Pandemie und ihrer Begleiterscheinungen groß ist.