Was im nächsten Regierungsprogramm steht

Welche Top-3-Themen müssen aus Ihrer Sicht jedenfalls im nächsten Regierungsprogramm stehen, wenn es um die Weiterentwicklung des Gesundheitssystems geht?

Karl Nehammer, MSc (ÖVP): Die Weiterentwicklung des Gesundheitssystems muss einer der wichtigsten Schwerpunkte im nächsten Regierungsprogramm sein. Österreichs Gesundheitssystem zählt im internationalen Vergleich zu einem der besten, aber in den letzten 15 Jahren wurden viele Entwicklungen verschlafen. Zwei Kernelemente haben für uns Vorrang: Das ist einerseits der Ausbau von verfügbaren Kassenärzt:innen in Österreich – dafür sollen mehr Stellen zur Verfügung stehen – und andererseits eine schnellere und effizientere Leitung durch unser Gesundheitssystem. Es muss in Zukunft für Sie als Patient:innen eine Stelle geben, die Sie zu den nächsten verfügbaren Ärzt:innen vermittelt oder gleich Telemediziner:innen zu Ihnen schalten kann. Für die Patient:innen muss es einfacher und schneller werden, zu den Ärzt:innen zu kommen. Gleichzeitig brauchen wir eine Lösung für die überlasteten Spitäler. Unser Ansatz ist, dass es dort Erstversorgungsambulanzen gibt, wo man rasch und niederschwellig behandelt wird, sodass nur jene Fälle im Spital behandelt werden, die wirklich dorthin gehören.

Andreas Babler, MSc (SPÖ): Zwei schwarz-blaue Regierungen haben unser Gesundheitssystem schwer beschädigt. Wir wollen das ändern. Man muss sich darauf verlassen können, dass man rasch einen Termin bei den Ärzt:innen bekommt, wenn man ihn braucht. Die drei wesentlichen Punkte sind erstens: medizinische Termingarantie mit Rechtsanspruch. Das bedeutet: Wenn jemand bei Beschwerden nicht innerhalb von 14 Tagen einen Termin bei Fachärzt:innender Wahl bekommt, muss eine eigene Terminservicestelle, etwa über die Hotline 1450, einen Behandlungstermin bei Kassenvertragsärzt:innen, Patientenversorgungszentren oder in einer eigenen Einrichtung der Sozialversicherung anbieten. Auch Wahlärzt:innen sollen im Bedarfsfall Kassenpatient:innen behandeln. Wir sehen, dass viele Wahlärzt:innen von sich aus bereit sind, bis zu 10 % ihrer Kapazitäten zum Kassentarif zur Verfügung zu stellen. Sollte das nicht ausreichen, ist als Ultima Ratio auch eine gesetzliche Verpflichtung für uns vorstellbar. Zweitens: Wir sprechen uns für eine Verdoppelung der Medizinstudienplätze und Vorreihung jener Studierenden aus, die sich für den Dienst im öffentlichen Gesundheitssystem verpflichten. Drittens: Es bedarf zusätzlicher öffentlicher Mittel, die bereits 2018 in Form einer Patientenmilliarde versprochen wurden. Diese müssen dem Gesundheitssystem zugeführt werden.

Herbert Kickl (FPÖ): Erstens: die Finanzierung des Gesundheitswesens aus einer Hand, um die Entscheidungs-, Leistungs- und Finanzierungsebenen endlich zusammenzuführen. Zweitens: eine Erweiterung und Neufassung der Kompetenzen der Gesundheitsberufe, um den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen gewachsen zu sein. Und drittens: eine Attraktivierung der Gesundheitsberufe, von den Ärzt:innen bis zur Pflege. Das heißt konkret: Entbürokratisierung, Entlastung, leistungsorientiertes Anreizsystem bei der Bezahlung und eine dauerhafte finanzielle Absicherung dieses Reformpfades.
Ein großes Problem ist und bleibt der Umgang der österreichischen Gesundheitspolitik mit dem niedergelassenen Bereich. Dieser wird durch die aktuelle schwarz-grüne Bundesregierung und durch die Sozialversicherungen, repräsentiert durch eine schwarz-rote Funktionärsschicht, bei der Vergabe von Kassenvertragsstellen, der Abgeltung der medizinischen Leistungen und bei der Ausübung des freien Berufs behindert. Dies richtet sich in letzter Konsequenz sowohl gegen die Patient:innen, die Mitarbeiter:innen im Gesundheitswesen als auch die (freiberuflichen) Ärzt:innen und muss dringend abgestellt werden – organisatorisch, personell und finanziell.

Mag. Werner Kogler (GRÜNE): Für eine nachhaltige und gerechtere Finanzierung unseres Gesundheitssystems wollen wir auch Einkünfte aus Kapitalerträgen verwenden, um notwendige Gesundheitsleistungen auszubauen. Weiters müssen Ärzt:innen durch Anreize wieder zurück ins öffentliche System geholt werden, damit sich die Versorgung mit Haus- und Fachärzt:innen überall wieder verbessert. Deshalb setzen wir uns weiter für mehr Primärversorgungseinheiten ein, damit Patient:innen mehr Leistungen angeboten bekommen und es Ärzt:innen ermöglicht wird, in interdisziplinären Teams zu arbeiten. Der Ausbau telemedizinischer Angebote schafft zudem niederschwellige medizinische Beratung und erspart Menschen für eine Erstdiagnose den Weg ins Spital.
Außerdem wollen wir die bestmögliche Behandlung von Patient:innen und mehr Gesundheitsvorsorge, damit Menschen gar nicht erst krank werden – durch den Ausbau von Vorsorgeuntersuchungen, Aufklärungsprogramme und mehr kostenlose Impfangebote. Dafür braucht es aber auch eine Klärung der Zuständigkeiten. Und natürlich ist uns eine ökologische und klimaneutrale Ausgestaltung des Gesundheitssystems wichtig.

Mag.a Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Das Gesundheitssystem braucht endlich mutige Reformen, damit wir die Mängel für so viele Betroffene – von Patient:innen über Ärzt:innen bis zu den Pflegekräften – angehen können. Dazu braucht es erstens: bundesweit einheitliche Vorsorgeprogramme mit Anreizsystem. Österreichs Bevölkerung verbringt zu viele Lebensjahre mit mehreren chronischen Krankheiten und in schlechtem Gesundheitszustand. Wer früher sein Risiko für eine Krankheit erkennt oder rechtzeitig Diagnosen erhält, ist rascher in Behandlung und hat damit eine bessere Chance auf Genesung oder zumindest einen guten Krankheitsverlauf – und damit eine bessere Lebensqualität. Zweitens: Umfassende Präventionsprogramme, die Gesundheitskompetenz stärken und beispielsweise Bewegungsanreize inkludieren. Soweit aus Studien bekannt, ist es um die Gesundheitskompetenz und den gesunden Lebensstil der österreichischen Bevölkerung nicht ideal bestellt. Damit der Gesundheitszustand verbessert werden kann, muss auch das nötige Wissen vorhanden sein. Drittens: Digitalisierung forcieren und ELGA ausbauen. Viele Berichte über Belastung und Überlastung im Gesundheitssystem hängen mit mangelnden Informationen über den Gesundheitszustand von Patient:innen und überhöhtem bürokratischem Aufwand für die Mitarbeiter:innen zusammen. Durch eine bessere und natürlich sichere Datennutzung kann dieser Aufwand reduziert werden.