Was ist bei der medikamentösen Therapie zu beachten?

Unter der Diagnose „Depression“ sammeln sich verschiedene Krankheitsbilder, die eines gemeinsam haben: Sie rauben den Menschen Freude und Antrieb.
Die Hauptsymptome einer Depression sind nach dem europäischen Diagnosesystem ICD-10 klar definiert:

  • anhaltend depressive Stimmung,
  • Verlust von Interesse und Freude und
  • Energielosigkeit.

Schlafstörungen, Schuldgefühle und Konzentrationsprobleme liegen häufig zusätzlich vor. Die Diagnose basiert auf dem Bestehen von mindestens zwei Haupt- und zwei Nebensymptomen, die über mindestens zwei Wochen anhalten und die Lebensführung beeinträchtigen. Werden die depressiven Symptome nicht behandelt, ist damit zu rechnen, dass diese mindestens neun Monate bis zu mehreren Jahren anhalten.

Wer ist betroffen?

Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) leiden etwa 5 % der Weltbevölkerung an Depressionen, Frauen sind doppelt so häufig betroffen wie Männer. Die Wahrscheinlichkeit, irgendwann im Leben eine Depression zu entwickeln, liegt bei 16 % bis 20 %. Jedes Jahr gibt es 1 bis 2 Neuerkrankungen pro 100 Personen.

Was hilft?

Die Wege aus der Depression sind vielseitig und oft eine Kombination aus Psychotherapie und medikamentöser Behandlung. Besonders die kognitive Verhaltenstherapie hat sich als wirksam erwiesen. Sie hilft Betroffenen als ein erster Schritt, ihre Denkmuster zu erkennen und zu verändern.
Bei leichten depressiven Verstimmungen, vor allem bei erstmaligem Auftreten, können (psycho-)therapeutische Strategien und/oder pflanzliche Präparate wie Baldrian, Lavendel, Hopfen etc. ausreichend sein. Bei mittelschweren und schweren Depressionen oder wenn die psychotherapeutische Behandlung allein nicht ausreicht, kommen in erster Linie Antidepressiva zum Einsatz.

Antidepressiva wirken stimmungsaufhellend und angstlösend und verhelfen dadurch wieder zu mehr innerer Kraft und Lebensfreude. Manche Präparate steigern den Antrieb, andere wirken schlafanstoßend und können am Abend unterstützend bei begleitenden Ein- oder Durchschlafstörungen eingesetzt werden.
Die Wahl des Präparates hängt vor allem von der individuellen Symptomatik, Begleiterkrankungen (Blutdruck, Gewicht, mögliche Interaktionen mit anderen Medikamenten etc.), Vorerfahrungen mit Antidepressiva (Wirksamkeit, Nebenwirkungen) und dem Alter ab.

Vorgehen laut Leitlinien

  1. Erste Wahl – SSRIs (Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer): Escitalopram, Citalopram oder Sertralin sind gut verträglich und relativ neutral bezüglich Antrieb. Dennoch können sie die innere Unruhe am Beginn der Therapie steigern oder zu sexuellen Funktionsstörungen führen.
  2. Zweite Wahl – SNRIs (Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer) oder SDNRI (Selektive Wiederaufnahmehemmer von Dopamin und Noradrenalin): Venlafaxin, Duloxetin und Milnacipran bieten zusätzliche Noradrenalin-Wirkung und haben daher auch einen antriebssteigernden Effekt. Hierbei ist auf Nebenwirkungen wie Blutdruckanstieg zu achten. Duloxetin ist auch zur Behandlung von Schmerzen zugelassen.
  3. Trazodon und Mirtazapin werden vor allem bei Depressionen mit Schlafstörungen, evtl. auch in Kombination mit SSRIs, eingesetzt.
  4. Ist eine Wirkung unter einer antidepressiven Behandlung eingetreten, die aber nicht ausreichend ist, können zusätzlich zur Behandlung mit SSRIs atypische Neuroleptika (z. B. Quetiapin) eingesetzt werden.
  5. In bestimmten Fällen können auch trizyklische Antidepressiva wie Amitriptylin oder Clomipramin verordnet werden, besonders wenn Betroffene in der Vergangenheit positive Erfahrungen damit gemacht haben oder die Wirksamkeit von anderen Präparaten nicht ausreichend war.
  6. Augmentationstherapie: Die Gabe von Lithium ergänzend zu Antidepressiva wird in erster Linie bei Patient:innen mit immer wieder auftretenden Suizidgedanken empfohlen.
  7. Weitere Therapien umfassen die Behandlung mit Esketamin, Melatoninpräparaten oder Elektrokrampftherapie, diese sollten jedoch von Spezialist:innen durchgeführt werden.

Ziele der antidepressiven Behandlung sind die Linderung akuter depressiver Beschwerden und die Vorbeugung zukünftiger Episoden. Zudem sollte das Aufrechterhalten eines höchstmöglichen psychosozialen Funktionsniveaus (möglichst hohe Lebensqualität im privaten und beruflichen Bereich sowie die Möglichkeit, eigene Ziele weiterzuverfolgen) ein wichtiger Parameter in der Behandlung sein.

Wie lange dauert es bis zum Wirkeintritt?

Während der antriebssteigernde oder schlafanstoßende Effekt häufig schon nach der ersten Einnahme einsetzt, entfaltet sich die stimmungsaufhellende Wirkung häufig erst nach 2–3 Wochen. Wichtig ist, dass Betroffene über den verzögerten Wirkeintritt und mögliche Nebenwirkungen gut informiert sind. Nicht zu unterschätzen ist dabei das Vertrauensverhältnis zwischen Ärzt:in und Patient:in.

Nach 2 bis 4 Wochen ohne spürbare Besserung kann die Dosis des Antidepressivums erhöht oder die Medikation auf ein anderes Präparat derselben Klasse oder auf ein Mittel aus einer anderen Gruppe (SNRI oder trizyklische Antidepressiva) umgestellt werden. Allerdings müssen bei jeder Umstellung Wechselwirkungen und Kreuztoleranzen beachtet werden. Zudem sind mögliche Faktoren auszuschließen, die den Behandlungserfolg beeinträchtigen könnten, etwa sozialer Stress, körperliche Erkrankungen oder Schwierigkeiten, den Therapieplan einzuhalten.

Fortdauer der Behandlung: Um Rückfälle zu verhindern, sollte die medikamentöse Therapie mindestens 6 Monate nach Abklingen der Symptome fortgeführt werden. Beim Absetzen soll das Antidepressivum langsam ausgeschlichen werden, um einem etwaigen Wiederauftreten der Symptome gegensteuern zu können.