Nach der derzeit gültigen Klassifikation für Schlafstörungen (ICSD-3) gibt es chronische, kurzzeitige und andere Insomnien. Charakterisiert sind Insomnien durch eine Beeinträchtigung des Einschlafens, des Durchschlafens, der Schlafdauer, der Schlafkonsolidierung oder -qualität, die trotz adäquater Schlafbedingungen besteht und zu einer Beeinträchtigung der Funktion tagsüber führt. Hierzu gehören verminderte Leistungsfähigkeit oder Beeinträchtigung der Stimmung, allgemeines Erschöpfungsgefühl oder Reizbarkeit, nicht jedoch eine erhöhte Einschlafbereitschaft tagsüber. In diesem Artikel soll nur die chronische Insomnie besprochen werden. Um den Diagnosekriterien zu genügen, müssen die zuvor genannten Charakteristika seit mindestens drei Monaten an mindestens drei Tagen in der Woche bestehen, und andere Ursachen hierfür müssen ausgeschlossen sein.
Je nach verwendeter Definition der Insomnie variiert deren berichtete Prävalenz; es ist aber davon auszugehen, dass bis zu 10 % der Bevölkerung von einer chronischen Insomnie betroffen sind. Transiente Insomniesymptome kommen bei bis zu einem Drittel der Bevölkerung vor. In der Differenzialdiagnose der Insomnie müssen zirkadiane Rhythmusstörungen in Betracht gezogen werden, etwa das bei jungen Erwachsenen häufige Syndrom der verzögerten Schlafphase (Delayed Sleep Phase Syndrome), das durch eine Unfähigkeit, vor den frühen Morgenstunden einzuschlafen und zu sozial „erwünschten“ Zeiten aufzuwachen und aufzustehen, charakterisiert ist. Auch andere, eigenständige schlafmedizinische Erkrankungen können mit einer ausgeprägten Insomnie einhergehen, hier sollte zunächst die Grunderkrankung erkannt und behandelt werden. Dies ist insbesondere beim Restless Legs Syndrome der Fall, und auch bei bis dahin nicht diagnostizierten schlafbezogenen Atmungsstörungen, insbesondere bei Frauen über 50 Jahren. Zahlreiche psychiatrische Erkrankungen, naturgemäß am häufigsten die Depression, gehen oft mit einer ausgeprägten Schlafstörung einher. Gleiches gilt für multiple internistische Erkrankungen, die mit nächtlichen Schmerzen, Atemnot oder anderen den Schlaf beeinträchtigenden Symptomen einhergehen. Eine umfassende Anamnese und Untersuchung im Hinblick auf eine mögliche die Insomnie verursachende Erkrankung ist deshalb immer notwendig
In einer spezifischen schlafmedizinischen Untersuchung, der Polysomnografie, findet sich bei der Mehrzahl der Patient:innen mit Insomnie keine deutliche Beeinträchtigung der Schlafmakrostruktur, auf der Mikrostrukturebene zeigen sich jedoch u. a. vermehrte Arousals (Mikroweckreaktionen), eine REM-Schlaf-Fragmentierung und auch eine Zunahme der Herzfrequenz. Eine Polysomnografie ist zur Diagnose einer Insomnie nicht zwingend erforderlich, jedoch in manchen Fällen angezeigt, um schlafmedizinische Differenzialdiagnosen oder Komorbiditäten zu erkennen und das Ausmaß von deren Kontribution zu beurteilen. Zudem hilft die Polysomnografie, eine mögliche Schlaffehlwahrnehmung zu erkennen, welche sich bei chronischer Insomnie oft einstellt, und dazu führt, dass die betroffenen den Eindruck haben, „kein Auge zugetan“ zu haben, obwohl polysomnographisch annähernd normale Schlafphasen gesehen wurden.Mittlerweile wird manchmal eine Insomnie ohne verkürzte Schlafzeit von einer Insomnie mit verkürzter Schlafzeit unterschieden, die sich hinsichtlich ihrer Langzeitfolgen unterschiedlich verhalten.
Die Suche nach einem idealen Schlafmedikament begleitet die Medizin wohl schon seit ihren Anfängen. Eine ganze Reihe früher eingesetzter Schlafmittel ist aufgrund ihrer Toxizität und der geringen therapeutischen Breite mittlerweile als obsolet zu betrachten, hierzu zählen Barbiturate und bromhaltige Substanzen. Andere Schlafmittel sind nach wie vor frei verkäuflich erhältlich, obwohl ihre Wirksamkeit begrenzt und die Wirkung-Nebenwirkungs-Ratio ungünstig ist. Dies trifft vor allem auf ältere Antihistaminika zu, von denen überdies angenommen wird, dass sie bei einer größeren Anzahl von Unfällen im Transportwesen eine Rolle spielen. Baldrian- und Hopfenpräparate sind hingegen besser verträglich, aber laut verschiedener Metaanalysen nur wenig wirksam. Melatonin, obwohl oft als Einschlafhilfe verwendet, ist ein Chronotherapeutikum, kein Schlafmittel. Seine Funktion ist daher ein biologisches Nachtsignal für den Körper. Melatonin wird bei Dunkelheit ausgeschüttet und durch Licht – auch bei relativ geringer nächtlicher Beleuchtung – unterdrückt.
Als klassische Hypnotika werden in der Regel Benzodiazepine und Z-Substanzen (Kasten) genannt. Benzodiazepine werden wegen ihrer großen therapeutischen Breite seit den 1970er-Jahren sehr gerne eingesetzt, aufgrund der Entwicklung von Toleranz und Abhängigkeit jedoch nur für die vorübergehende Behandlung von Insomnie (meist nicht länger als 4–6 Wochen) oder für den intermittierenden Einsatz empfohlen. Die mögliche Verschlechterung einer u. U. zuvor unbekannten oder milden schlafbezogenen Atmungsstörung sind ebenso zu beachten wie die Erhöhung des nächtlichen Sturzrisikos durch psychomotorische Verlangsamung und Muskelrelaxation.
Vielen dürfte auch der Case-Report zu 3 Neurologen in Erinnerung sein, die über mehrere Zeitzonen zu einem Kongress reisten, ein Benzodiazepin einnahmen und in der Folge amnestische Episoden erfuhren. Auch nach vergleichsweise kurzem Einsatz ist ein Ausschleichen notwendig, um die Behandlung zu beenden. Auch bei Z-Substanzen kann es, wenn auch seltener, zu Dosissteigerung bzw. erheblichen Absetzeffekten kommen. Eine Nebenwirkung von Z-Substanzen, die erkannt werden sollte, sind parasomnieartige Ereignisse sowie nächtliches Essen und Trinken. Vor allem wenn Parasomnien im Erwachsenen- oder höheren Alter neu auftreten, sollte man immer nach Einnahme von Z-Substanzen fragen. Auch wenn die meisten schlafmedizinischen Gesellschaften den Einsatz von Schlafmedikamenten nur vorübergehend empfehlen, wurden doch immer wieder Stimmen laut, generell auch einem längeren Einsatz zuzustimmen.
Der Einsatz von Neuroleptika zur Behandlung von Schlafstörungen sollte nur im psychiatrischen Kontext erfolgen. Insbesondere ist auch festzuhalten, dass das kardiovaskuläre Nebenwirkungsprofil bei atypischen Neuroleptika nicht unerheblich ist und vor allem klassische Neuroleptika oft zu keiner objektiv messbaren Verbesserung des Schlafes führen.
Duale Hypocretin/Orexin-Rezeptor-Antagonisten (DORA) wurden in den letzten zwei Jahrzehnten entwickelt, nachdem die Rolle des Hypocretin/Orexin-Systems bzw. das Fehlen dieses Neurotransmitters zunächst in der Pathophysiologie der Narkolepsie entdeckt wurden. Einige dieser dualen Orexin-Rezeptor-Antagonisten (Suvorexant, Lemborexant) sind in den USA bereits länger zugelassen, und die Substanzfamilie wird ständig erweitert, etwa mit der kürzlich erfolgten Zulassung von Daridorexant in den USA zur Behandlung Erwachsener mit Insomnie und Ein- oder Durchschlafstörung. Es ist zu erwarten, dass dieses Medikament bald auch in Europa zur Verfügung steht und somit das Spektrum der Insomnietherapie künftig erweitern wird. Diese Substanzklasse ist für die regelmäßige und nicht für eine bedarfsweise Einnahme geeignet und wird daher möglicherweise auch einen langfristigen Einsatz erlaubt. Ob sich die hochgesteckten Erwartungen jedoch erfüllen, muss sich im klinischen Einsatz bestätigen.
Auch nichtmedikamentöse Therapiestrategien sind ein sehr wichtiges Instrument bei Insomnie. Die Modalität wird in entsprechenden Packages angeboten und ist in dieser Gesamtform in ihrer Wirksamkeit belegt. Eine diesbezügliche euroopäische Initiative wurde auch unter österreichischer (Innsbruck und Wien) Beteiligung vorgestellt.1 Sie werden nicht nur von zahlreichen schlafmedizinischen Gesellschaften, sondern z. B. auch von den amerikanischen Family Practitioners als Therapie der ersten Wahl, mit oder ohne begleitende medikamentöse Behandlung, empfohlen.
Diese Behandlungsform beinhaltet in der Regel Komponenten von Schlafedukation, Limitation der Bettliegezeiten, Umgang mit überhöhten Erwartungen, Wissen über zirkadiane Einflüsse und Strategien für Wachliegephasen, Entspannungsverfahren etc. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu erwähnen, dass es um die Umsetzung verschiedener Therapieelemente gleichzeitig geht, nicht um deren einzelne Komponenten. Diese kognitive Verhaltenstherapie für Insomnie (CBT-I) wird als Einzel- und – besonders nützlich – als Gruppentherapie an verschiedenen Zentren angeboten, steht jedoch noch nicht flächendeckend in Österreich zur Verfügung. Während klassische Selbstlernprogramme in Buchform schon seit Jahrzehnten existieren, sind nun moderne interaktive Online-Therapieprogramme zunehmend besser validiert und verfügbar.