Zu Planungsbeginn der 8. ÖGPAM-Tagung ahnten wir nicht, welche Aktualität das Thema „Wege aus der Krise“ bekommen sollte. Im Mittelpunkt stand die Idee, gemeinsam ärztliche und persönliche Wege zu suchen, um sie in einer Krise zu wagen. Wir dachten bereits bei den Wegen im Plural, mittlerweile ist auch die Krise zum Plural geworden.
Die COVID-Pandemie hat sowohl eine gesellschafts- als auch eine gesundheitspolitische Krise ausgelöst, mit Herausforderungen für jede:n Einzelne:n im privaten wie im beruflichen Kontext. Sie hat damit zunächst eine neue Priorität gegenüber den Herausforderungen des Klimawandels gesetzt. Zuletzt wurde durch den Krieg in der Ukraine die unsichere Zukunft als bedrohlich nahe Krise in ihren Auswirkungen alltagsgestaltend, war Krieg bislang doch eher in anderen Kontinenten verortet.
Auch Krankheiten können wir als Krisen verstehen. Die entscheidende Ebene bei der Wahrnehmung einer „Krise“ oder einer „Krankheit“ ist die persönliche Ebene. Für den Umgang mit einer Krise, ihren Verlauf und ihre Bewältigung sind daher neben medizinischen auch soziale Faktoren von Bedeutung, die auf der interpersonalen, familialen und der gesellschaftlichen Ebene angesiedelt sind (Helmut Pauls). Die einander bedingende Beachtung all dieser Faktoren beschreibt das biopsychosoziale Modell, das für uns allgemeinmedizinisch tätigen Ärzt:innen leitend ist. Auch bei gesundheitlichen Krisen stellt sich die Frage: „Was braucht es auf der biologischen, der psychischen und der sozialen Ebene?“
Wie wirken diese Krisen in die Arzt-Patienten-Beziehung hinein, durch das Bedürfnis nach Sicherheit und Vertrauen? Auch medizinische Wissenschaft wird krisenbedingt in Frage gestellt, und der hausärztliche Bereich befindet sich im Umbruch und damit in einer Krise. Unter anderem fordert der Generationenwechsel neue Wege zu denken, sei es in der Gestaltung der Praxisformen oder in der Reflexion des möglichen und gewollten zeitlichen Engagements. Das diesbezüglich gelebte „leidenschaftliche Modell“ einer „älteren Generation“ wird vor allem in Bezug auf die zeitliche Verfügbarkeit für den Beruf von jüngeren Kolleg:innen in Frage gestellt. Die gewollte Work-Life-Balance wird dafür angeführt. Ein balancierendes Gleichgewicht zwischen Privatem und Arbeit berücksichtigt jedoch weder die unterschiedlichen Notwendigkeiten einer Lebensphase, das jeweilige Lebensalter noch den individuellen Lebenssinn.
Die gelebte berufliche Zeitintensität sollte sogar im besten Fall für uns alle zur Krise werden, um die Chance der Veränderung nützen zu können. Hat Arbeit gegenüber Privatem immer wieder Priorität, wäre zumindest die Gleichwertigkeit von beruflichem, familiärem, sozialem Bereich sowie persönlichen Interessen ein erster Schritt in Richtung „Lebensbalance“. Diese Themen-Wege können immer wieder wechselnd und zeitversetzt begangen werden. Das in den Raum gestellte Modell „Paket sorglos“, um sich niederzulassen, verspricht einen mühelosen Arbeitsweg. Arglos, wer hoffend darin die Lösung sieht. Wenn wir die Urangst vor dem bedrohlichen Zuviel und Zuwenig ernst nehmen und diese Krise integrativ überdenken, können wir daraus möglicherweise neue Lösungswege finden.
Das Künftige, Erhoffte ist das noch Abwesende. Welche Wege führen dahin, und was ermöglicht unterstützenden Rückenwind?
Philosophische Wanderung zur Burg Rappottenstein
GLÜCK …
ein bedeutsames Element in Arzt-Patienten-Gesprächen – aus verschiedenen Perspektiven betrachtet
17. September 2022