Wenn das Herz auf die Psyche schlägt

Trotz enormer Verbesserungen beim Management von Patient:innen mit koronarer Herzkrankheit (KHK) in den letzten Dekaden gehört dieses Krankheitsbild nach wie vor zu den führenden Todesursachen weltweit.1
Das psychische Wohlbefinden steht in engem Zusammenhang mit der Funktionalität des Herzens. Psychische Störungen wie Depression, Stress, Angststörungen und die posttraumatische Belastungsstörung können die Prognose von Herzerkrankungen negativ beeinflussen.2 Diese Beziehung hat einen bidirektionalen Charakter, auch eine bestehende Depression oder eine Angststörung können die Entstehung einer KHK begünstigen.2, 3

Psyche nach Herzinfarkt beeinträchtigt

Etwa 20–30 % aller Patient:innen mit Herzerkrankungen leiden an einer diagnostizierten Depression oder Angststörung4, diese Zahl kann in den ersten 12 Monaten nach einem Herzinfarkt mit 15–43 % sogar noch höher ausfallen.5 Trotzdem werden psychologische Aspekte bei Herzerkrankungen oftmals nicht berücksichtigt.2 Angststörungen und Depressionen nach einem Herzinfarkt sind mit einem erhöhten Risiko für einen erneuten Infarkt sowie einen frühzeitigen Tod verknüpft. Es ist daher essenziell, betroffene Patient:innen frühzeitig zu identifizieren, um ihnen psychologische Unterstützung bzw. präventive Maßnahmen anzubieten.5

Sekundärprävention

Depression und Angstsymptome nach einem Herzinfarkt führen öfter zu einer verzögerten Erholung, höherer Mortalität, höheren Rehospitalisierungsraten und verringerter Lebensqualität. Darüber hinaus verschlechtert die psychische Symptomatik den Verlauf der KHK im Vergleich zu Patient:innen ohne Depression oder Angststörung. Strategien in der Sekundärprävention, die darauf abzielen, die psychische Symptomatik in den Griff zu bekommen, können daher die Langzeitprognose der KHK sowie die Lebensqualität verbessern und damit auch die Gesamtbelastung für das Gesundheitssystem reduzieren. Da die meisten Patient:innen nach einem Herzinfarkt an speziellen Rehabilitationsprogrammen teilnehmen, sind derartige Programme eine gute Möglichkeit, Methoden zur Sekundärprävention von Angst und Depression zu integrieren. Multidimensionale Programme beinhalten idealerweise Übungen, Anleitungen und Beratung, die zu einer signifikanten Verbesserung der Depressions- und Angst-Scores führen, speziell bei den Patient:innen mit bereits erhöhten Ausgangswerten.3

Psychische Unterstützung vorteilhaft

Eine kleine Beobachtungsstudie untersuchte den Effekt einer Pflegeintervention bei älteren Patient:innen, die nach einem akuten Koronarsyndrom eine perkutane Koronarintervention erhielten. Dabei wurden 136 Patient:innen 1 : 1 in eine Interventionsgruppe und eine Kontrollgruppe randomisiert. Alle Personen erhielten die Standardbehandlung, die neben der Verabreichung der Medikation gemäß den Anweisungen der behandelnden Ärzt:innen eine routinemäßige Pflege beinhaltete. In der Interventionsgruppe haben die Proband:innen zusätzliche psychische Unterstützung durch das Pflegepersonal erhalten. Diese beinhaltete detaillierte Informationen über Ernährung und Medikation vor und nach dem Eingriff sowie über den Eingriff selbst. Außerdem wurde versucht, auf die Patient:innen individuell einzugehen und ihre Ängste so zu reduzieren. Darüber hinaus wurden die Teilnehmer:innen vor der Entlassung aus dem Krankenhaus einer Schulung unterzogen, um den persönlichen Umgang mit ihrer Krankheit zu erleichtern. Das Ausmaß an Angst und Depression wurde mittels eines standardisierten Fragebogens quantifiziert. Die Scores sowohl für Angst als auch für Depression konnten in der Interventionsgruppe signifikant gesenkt werden, was nachweist, dass mithilfe psychischer Unterstützung die Prognose der KHK verbessert werden kann.6

Konsequenzen für die Praxis

Angststörungen und Depressionen treten bei Patient:innen mit einer KHK gehäuft auf. Da die psychischen Komorbiditäten den weiteren Krankheitsverlauf beeinflussen, sollten die behandelnden Ärzt:innen vermehrt auf das Vorliegen einer psychischen Erkrankung achten. Auch könnte ein Screening bei kardiologischen Patient:innen standardmäßig durchgeführt werden. Für die weiterführende Diagnostik und Therapie können die Patient:innen ggf. an Psychotherapeut:innen und Psychiater:innen verwiesen werden.2 Darüber hinaus sind Maßnahmen wie Patientenschulungen in Form von Übungen und Anleitungen z. B. in Rehabilitationsprogrammen sowie psychologische Beratung bzw. Unterstützung geeignete Instrumente, um Angst und Depression zu verringern, und tragen damit auch in weiterer Folge dazu bei, das Gesundheitssystem zu entlasten.3, 6