Dystonien sind eine Gruppe von Bewegungsstörungen, die sich durch länger anhaltende unwillkürliche Kontraktionen quergestreifter Muskulatur charakterisieren lassen. Folgen sind verzerrende und repetitive Bewegungen, abnorme Haltungen und Fehlstellungen von Körperteilen. Klinische Klassifikationen orientieren sich am Alter bei Erkrankungsbeginn, an der topischen Verteilung (fokal, segmental, multifokal, generalisiert, Hemidystonie) oder an Ätiologie und Pathogenese (primär/idiopathisch bzw. sekundär/symptomatisch, z. B. nach Schlaganfall). Für eine wachsende Zahl dystoner Syndrome konnte eine genetische Grundlage gefunden werden. Dystonien können in Ruhe auftreten oder durch Willkürbewegungen ausgelöst oder verstärkt werden (z. B. Schreibkrampf). Bezüglich Pathomechanismus gehen wir von Läsionen bzw. Funktionsstörungen im Bereich der Basalganglien aus.
Die zervikale Dystonie ist eine idiopathische fokale Dystonie, früher auch als Torticollis spasmodicus oder Schiefhals bezeichnet. Klinisch kommt es zu einer Drehung, Seitwärtsneigung, Streckung oder Vorwärtsneigung des Kopfes oder des Halses. Durch unterschiedlich betroffene Muskelgruppen ergibt sich eine Vielzahl von Bewegungsmustern, die in Ruhe und Bewegung variieren können (rhythmisch, unregelmäßig, fixierte Fehlhaltung; ein dystoner Tremor kann die Symptomatik überlagern). Manchmal kann die Bewegungsstörung sehr diskret sein. Oft liegen starke Nackenschmerzen vor, schwere Abnützungserscheinungen der Wirbelsäule und Bandscheibenvorfälle können die Folge sein.
Sensorische Tricks („geste antagoniste“) sind diagnostisch bedeutsam. Dabei kommt es durch taktile Reize (Berühren bestimmter Körperteile, z. B. Wange) oder propriozeptive Manöver (nur angedeutete Berührungen) zur Abnahme der dystonen Aktivität und Beruhigung der Bewegungsstörung. Diese Tricks nutzen Patienten zum Teil bewusst, um z. B. den Kopf leichter in die andere Richtung zu drehen. Der untersuchende Arzt sollte aktiv nach diesen Tricks fragen.
Therapie der ersten Wahl ist seit etwa 30 Jahren die intramuskuläre Injektion von Botulinumtoxin Typ A. In kleinsten Mengen in den Muskel injiziert, führt es zu einer Blockade der Acetylcholinfreisetzung und dadurch zur dosisabhängigen passageren Schwäche des injizierten Muskels, allerdings ohne entzündliche Begleitreaktion. Die Wirkung hält drei Monate an und besteht in einer Abnahme der dystonen Muskelanspannung und einer Schmerzreduktion. Im Zuge von Folgebehandlungen müssen Dosis und Muskelauswahl meist adaptiert werden, um das Muskelgleichgewicht weitgehend zu stabilisieren. In 10 bis 20 % der Fälle kommt es im Lauf der Jahre zu einer partiellen oder kompletten Remission. Die Herausforderung für den Behandler liegt in der richtigen Muskelauswahl und Dosierung und der korrekten Platzierung des Medikaments im Muskel (ultraschall- oder EMG-gezielte Injektion).
Bei hartnäckigen Fällen soll eine begleitende Physiotherapie durch geeignete Maßnahmen an den dystonen (oft verdickten) Muskeln eine Entspannung bewirken und reziprok inhibierte (oft atrophe) Muskeln stärken. Ebenso kann die Nutzung von sensorischen Tricks, speziellen Lagerungstechniken und Erlernen neuer Bewegungsmuster die klinische Situation unterstützen und die Wirkung von Botulinumtoxin verlängern und verstärken.
„NACKENSCHMERZEN KÖNNEN EIN WICHTIGES ERSTSYMPTOM SEIN; DREH,- KIPP- ODER WACKELBEWEGUNGEN DES KOPFES SIND OFT SEHR DISKRET.“
In seltenen Fällen mit Beteiligung anderer Muskelgruppen (z. B. im Gesicht) oder bei Antikörperbildung nach Mehrfachbehandlung mit Botulinumtoxin (ca. 1–2 % aller Fälle) kann eine tiefe Hirnstimulation mithilfe neurochirurgisch implantierter Elektroden evaluiert werden. Diese muss an einem speziellen universitären Dystoniezentrum vorgenommen werden und kann mittelfristig zur Abnahme der dystonen Aktivität führen.
Früher wurden Medikamente wie Anticholinergika, Antiepileptika, Benzodiazepine etc. mit unterschiedlichem Erfolg eingesetzt, was aber durch bekannte Nebenwirkungen limitiert ist.