Für niedergelassene Ärzt:innen gibt es mittlerweile einen bunten Strauß an Möglichkeiten. Das ist gut so, denn die Zukunft der medizinischen Versorgung liegt in der Vielfältigkeit. Es gibt nicht die EINE Lösung. Mit Stand September 2024 arbeiten 92% der niedergelassenen Allgemeinmediziner:innen in Einzel- oder Gruppenpraxen, 8% in einer von derzeit 69 Primärversorgungseinheiten.
Der CO2-Fußabdruck des Gesundheitswesens hat doch immerhin einen Anteil von 6,7% – für mich überraschend hoch. Das Gesundheitssystem ist somit wichtiger Adressat hinsichtlich des Zieles der Bundesregierung, bis zum Jahr 2040 klimaneutral zu sein. Dazu kommt, dass die Folgebelastungen eines Klimawandels das Gesundheitssystem am allerstärksten betreffen: Direkte Folge mit Auswirkungen ist vor allem „Hitze“ mit entsprechender Übersterblichkeit und Kosten von medizinischen Behandlungen inklusive stationären Aufenthalten. Auch indirekte Folgen von Klimaveränderungen betreffen das Gesundheitssystem, wie Allergien oder Infektionsüberträger wie Zecken und Mücken, die sich bei steigenden Temperaturen stärker ausbreiten – tropische Arten werden bei uns heimisch.
Wir Hausärzt:innen können sehr wohl konkrete Maßnahmen treffen, um hier gute Beiträge in Richtung Klimaneutralität zu setzen. Außerdem sind wir für viele Patient:innen Vorbild und können auch ökologische Nachhaltigkeitsaspekte bei Aufklärungen und Schulungen bringen. Ich möchte hier Beispiele von realistischen – z. T. einfachen und z. T. aufwendigen – Maßnahmen hinsichtlich ökologischer Nachhaltigkeit nennen: noch konsequentere Mülltrennung, doppelseitig drucken, pflanzenbetonte Ernährung (15% der weltweiten Treibhausgasemissionen durch Fleischproduktion), mit dem Rad zur Arbeit fahren und ausreichend Radständer am Ordinationsparkplatz zur Verfügung stellen, PV-Anlage in der Ordination, bauliche Maßnahmen zur Dämmung u.a.
Ich finde das Projekt „Beratung klimafreundliche Gesundheitseinrichtungen“ der GÖG interessant und plane, das für das nächste Jahr im meinem PVZ zu integrieren.
Das österreichische Gesundheitssystem selbst sowie alle niedergelassene Ärzt:innen müssen auch ökonomisch nachhaltig planen. Der Österreichische Strukturplan Gesundheit (ÖSG) ist das zentrale Planungsinstrument auf Bundesebene mit verbindlichen Vorgaben für die Planung bestimmter Bereiche des Gesundheitsversorgungsystems. Es wird dadurch sichergestellt, dass die Gesundheitsversorgung in Österreich ausgewogen verteilt und gut erreichbar ist und in vergleichbarer Qualität auf hohem Niveau angeboten wird. Die Planung auf Landesebene geht dann über den RSG (Regionalen Strukturplan Gesundheit).
Ein weiteres hochrelevantes Instrument für ökonomische Nachhaltigkeit ist eine suffiziente Patientenlenkung. Eindeutig ist, dass in Österreich zu viele Patient:innen primär in die sekundäre Versorgungsebene (Krankenhausambulanzen > niedergelassene Fachärzt:innen) drängen und dass eine „verpflichtende“ (wie das auch immer funktionieren mag) Inanspruchnahme der Primärversorgung auch aus ökonomischer Sicht Sinn ergibt. Auf jeden Fall werden in den nächsten Jahren deutlich mehr zusätzliche Finanzmittel in den ambulanten Bereich gebracht, außerdem digitale Unterstützungen von medizinischen Alltagshandlungen forciert. Das Motto lautet ja „digital (unterstützt) vor ambulant vor stationär“.
Die ökonomische Nachhaltigkeit in den Arztpraxen ist sehr individuell, Beratungen durch Steuerberater:innen und in PVE Entscheidungen durch Manager:innen oder Geschäftsführer:innen in Absprache mit den Ärzt:innen sind sinnvoll, nachdem wir Mediziner:innen in unserer Ausbildung leider wenig wirtschaftliches Know-how erfahren haben.
Sozial nachhaltig sind Kassenpraxen allein schon deshalb, da jeder in Österreich versicherte Mensch Zugang zum Kassensystem hat. Soziale Nachhaltigkeit können wir Hausärzt:innen auch innerhalb des eigenen Ordinationsteams leben: Ein wertschätzender Umgang wirkt sich auf die psychische Gesundheit der Mitarbeiter:innen positiv aus. Auch soll Weiterbildung ermöglicht und gefördert werden. Angebote zur betrieblichen Gesundheitsförderung sowie angemessene Entlohnung sind weitere Maßnahmen, die dem Unternehmen engagierte und verlässliche Mitarbeiter:innen bringen. Dadurch wird auch die Qualität der Patientenbetreuung hochwertiger.
Persönlich habe ich vom Grazer PV-Kongress wieder gut profitiert: Das Beschäftigen mit dem Thema „Nachhaltigkeit“ motiviert, entsprechende Maßnahmen in der eigenen Praxis zu setzen. Zudem wird – wie ohnehin bei vielen Kongressen – das „Netzwerken“ in Graz ganz besonders gefördert.