Den Ergebnissen der Health Literacy Study 2012 zufolge hat rund ein Drittel der Patienten größte Schwierigkeiten mit Hilfe der vom Arzt erhaltenen Informationen Entscheidungen bezüglich der eigenen Erkrankung zu treffen. Ein Fünftel hat Schwierigkeiten zu beurteilen, inwieweit Informationen ihres Arztes zutreffen. Beim Ranking der acht Länder, die bei der Health Literacy Study berücksichtigt wurden, befindet sich Österreich in den meisten Punkten an letzter Stelle. Es bestehe also Änderungsbedarf, betont Nowak.
Um die Kommunikation im Gesundheitsbereich zu verbessern, müsse eine Neuorientierung gefunden werden, so der Tenor des Vortrags, denn das Arzt-Patienten-Gespräch führt zur Produktion aller Entscheidungen bezüglich Diagnose und Therapie. Im Gespräch erhält der Patient Unterstützung und Gesundheitskompetenz wird aufgebaut. Damit sich hier etwas verändere, brauche es, so Nowak, ein neues Rollenverständnis: Der Arzt wird zum Unterstützer des Patienten, während der Patient selbstbestimmt das tut, was für seine Gesundheit gut ist.
Bei der Kommunikation gelte es vier Dimensionen zu beachten, um etwas zu verändern, so Nowak weiter: „Der medizinische Inhalt, d.h. gute Medizin. Die Beziehung zwischen Arzt und Patient, denn Haltung und Einstellung beeinflussen die psychische und emotionale Ebene zwischen diesen beiden. Sprache und Interaktion sind ebenfalls wichtige Aspekte, dazu gehört auch, dass man sich anschaut, wie Fragen gestellt werden, wie Gespräche zusammengefasst werden. Auch das Setting selber, also ein gutes Gesprächsumfeld, spielt eine Rolle.“
Nowak ist der Ansicht, dass es drei Faktoren brauche, damit eine positive Veränderung möglich sei:
„Das Ergebnis des Gesundheitssystems muss an der Qualität der Kommunikation gemessen werden und nicht nur an bestimmten Outcome- oder ökonomischen Kriterien. Dafür brauchen wir nicht nur die Gesundheitspolitik, sondern auch die Organisationen, d.h. Spitäler, Ärzte etc.“, unterstreicht Nowak seine Position.
Nowaks Ausblick für 2015: Entsprechend eines Auftrags des Österreichischen Gesundheitsministeriums sowie des Hauptverbandes der Österreichischen Sozialversicherungsträger an die GÖG wird derzeit ein Grundsatzpapier entwickelt, das Ende 2014 bzw. Anfang 2015 vorliegen wird. „Dieser Bericht wird die Literatur über die wichtigen Einflussfaktoren zusammenfassen, einen groben Status Quo für Österreich feststellen, Vorschläge für das weitere Vorgehen machen und Modelle guter Praxis identifizieren. Wenn alles gut geht, werden wir nächstes Jahr den notwendigen Stakeholder-Prozess beginnen“, so Nowak abschließend.
An der an den Vortrag anschließenden Podiumsdiskussionen nahmen Dr. Magdalena Arrouas, Bundesministerium für Gesundheit, Sektion III, Abt. 2, Mag. Andrea Fried von der ARGE Selbsthilfe Österreich, Dr. Jan Oliver Huber von der Pharmig, die Allgemeinmedizinerin Dr. Barbara Degn, Dr. Josef Probst vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, Dr. Wolfgang Exel von „Krone Gesund & Familie“ sowie der Wiener Patientenombudsmann Franz Bittner teil und brachten jeweils ihren Blickwinkel zum Thema Arzt-Patienten-Gespräch ein.
Laut Arrouas werde die Erstellung des „Quality-Paper“ durch die Gesundheit Österreich GmbH eine gute wissenschaftliche Basis liefern und bewusstseinsbildend für die Systempartner wirken. „Ein anderer wichtiger Anknüpfungspunkt ist aus unserer Sicht die in Überarbeitung befindlichen Kompetenzprofile für die Gesundheitsberufe. Dabei gilt es, die Wichtigkeit eines qualitätsvollen ärztlichen Gesprächs zu berücksichtigen, um hier Verbesserungen zu erzielen“, erläutert Arrouas.
Aus Sicht der Betroffenen machte Fried deutlich, dass sich Patienten von ihren Behandlern vor allem eines wünschen: Zeit und Geduld zum Zuhören! Die Realität sieht allerdings anders aus, erläutert Fried, denn im Durchschnitt unterbrechen Ärzte ihre Patienten schon nach 15 Sekunden. Dabei, so Fried weiter, sei es für Patienten sehr wichtig, ernst genommen und respektiert zu werden. „Ein Teilhaben der Patienten an den Entscheidungen macht diese zufriedener, therapietreuer und führt zu realistischeren Erwartungen an den Behandlungserfolg“, betont Fried. Auch die Allgemeinmedizinerin Degn ist davon überzeugt, dass man dem Patienten die Bühne bieten müsse, dass er sich ausbreiten könne. Das dauere gar nicht so lange, wie viele Ärzte glauben, ist Degn überzeugt, denn wenn man den Patienten am Anfang nicht unterbreche, könne dieser seine Geschichte erzählen, und danach habe der Arzt die Möglichkeit so zu handeln, wie er es für notwendig halte.
Auch Huber unterstreicht, dass es notwendig sei, dass in der Beziehung zwischen Behandler und Patienten Empathie gelebt werden könne. Seine Kritik: „In einer 3-Minuten-Medizin, die es leider bei uns auch gibt, ist das nicht möglich. In diesem Zusammenhang muss man sich fragen, ob das Honorarsystem, das wir in Österreich haben, das richtige ist. Ich glaube, dass dieses System überholt ist“, so Huber weiter. Im Hinblick auf die Gesundheitsreform sprach der Generalsekretär der Pharmig den Wunsch aus, dass in die Gesundheitsreform auch die Stakeholder – Ärzte, Apotheker, Industrie und Patienten – einbezogen werden. Dies sei, so Huber, bisher zu wenig passiert.
Patientenombudsmann Bittner ist ebenfalls der Meinung, dass es für eine bessere Kommunikation zwischen Patient und Arzt ein anderes Tarifsystem brauche: „Die Lösung wäre aus meiner Sicht, und die Reform geht hier meiner Ansicht nach in die richtige Richtung, dass man Behandlungspfade finanziert. Das wäre auch eine Aufwertung des Hausarztes, also des Allgemeinmediziners. Zudem haben wir den Ärzten auch nicht die notwendigen Instrumentarien zur Verfügung gestellt, denn das Gespräch will ja auch gelernt sein!“, betonte Bittner.
Um die Patienten zu befähigen, aufgrund von genug Information die richtige Gesundheits-Entscheidung zu treffen, müsse, so Probst, das System so aufgestellt sein, dass die bereitgestellten Informationen annehmbar und verständlich sind. „Die Gesundheitsreform hat Elemente, die in die richtige Richtung gehen. Die neuen Primärversorgung-Zentren und -Netzwerke werden ein Ort der Lehrpraxis sein müssen, das werden wir entsprechend unterstützen. Und ich bestehe darauf, dass auch ELGA eine fundierte Entscheidung von Ärzten, Patienten und Gesundheitsorganisation unterstützen wird“, so sein Resümee.
Exel betont sein Hauptanliegen als Vertreter eines Laienmediums: die allgemein verständliche Information. Seiner Meinung nach ist das zentrale Problem die schlechte Compliance. „Der Hauptschuldige dabei hat für mich einen Namen: Er heißt Beipacktext. Wenn man sich die Nebenwirkungen anschaut – und die meisten Patienten tun dies – kann man zu diesem Medikament ja fast kein Vertrauen mehr haben. Mein Wunsch für die Zukunft ist, dass wir Laienmedien so informieren dürfen, dass wir Vertrauen in die Medikamente schaffen können“, betont Exel.