Gespräche zwischen Arzt und Patienten, besonders das Aufklärungsgespräch, haben prinzipiell einen rechtlichen und einen kommunikativen Aspekt. Während für die rechtliche Relevanz das Bewusstsein in den letzten Jahren stark gestiegen ist, wird vielfach auf die Bedeutung von Kommunikationsfertigkeiten und -fähigkeiten zu wenig Wert gelegt. Gutes Kommunizieren schafft jene vertrauensvolle Atmosphäre, die für die Arzt-Patienten-Beziehung so wichtig ist. Jeder erfahrene Arzt weiß, dass der Therapieerfolg nicht nur eine Sache der Medizin selbst, sondern auch der Einstellungen, Befindlichkeiten und Erwartungen des Patienten ist. Zahlreichen Klagen liegt das Gefühl des Patienten, nicht medizinisch, sondern menschlich schlecht behandelt worden zu sein, als Motor zugrunde. Gute Kommunikation kann somit oft spätere Schwierigkeiten verhindern.
Was sind nun Merkmale einer gelungenen Kommunikation? Zu allererst heißt es, eine gute Beziehung herzustellen. Das beginnt bei der Begrüßung. Offener Blickkontakt, Lächeln, ein Händedruck gehören ebenso dazu wie aufzustehen und den Patienten mit dessen Namen anzusprechen. Jeder Patient muss erst einmal ankommen können und Vertrauen fassen.
Nicht unwesentlich ist das Raumverhalten. Es gilt, das richtige Verhältnis von Distanz und Nähe zu wahren, persönliche Distanz- und Intimzonen zu respektieren. An einem Tisch ist eine konfrontative Sitzanordnung, d.h. direkt einander gegenüber zu sitzen, zu vermeiden. Besser ist es, die Sessel in einem rechten Winkel über eine Tischecke anzuordnen. So kann man Blickkontakt wahren, hat aber doch die Möglichkeit auszuweichen, ist einander näher, jedoch mit der Tischecke dazwischen als Sicherheitspuffer, und man kann Schauobjekte besser zeigen.
Die Kommunikationstheoretiker Paul Watzlawick und Friedemann Schulz v. Thun haben uns eindrucksvoll gezeigt, dass es in der Kommunikation nicht nur die Sachebene gibt, sondern dass jede kommunikative Äußerung neben der Inhalts-ebene auch eine Beziehungsebene hat. Und wir wissen, dass die Sachebene von der Beziehungsebene getragen wird. Gerade in einem so sensiblen und störungsanfälligen Bereich wie dem zwischen Arzt und Patienten spielt die Beziehungsebene eine besondere Rolle.
Die Verwendung einer für Patienten verständlichen Sprache ist von besonderer Bedeutung. Empathie, sowie Rücksichtnahme auf den Bildungsgrad und die soziale Herkunft des Patienten sind Voraussetzung dafür, dass ärztliche Botschaften ankommen. Allzu oft verwenden Ärzte das ihnen selbstverständliche Fachvokabular und nicht die Sprache des Patienten. Nur angedeutet sei hier die Problematik der Patienten mit nichtdeutscher Muttersprache. Die Frage, ob der Patient das Gesagte verstanden habe, ist überflüssig, weil kaum jemand diese Frage verneinen wird, um nicht als „dumm“ dazustehen.
Das Frageverhalten ist ein weiterer Erfolgsfaktor. Wir stellen zu viele geschlossene Fragen, die nur mit einem Ja oder Nein zu beantworten sind und die die Antwortmöglichkeiten sehr einschränken. Aber nur durch offene Fragen, die meist mit einem Fragepronomen (wie, was, warum etc.) beginnen und die jede Antwort zulassen, erfährt ein Arzt etwas über die Gefühle, Ängste und subjektiven Krankheitstheorien seines Patienten.
Der Begriff des „aktiven Zuhörens“ ist ein Schlüsselbegriff guten Kommunizierens. Dabei geht es eher um eine Grundeinstellung als eine Technik, darum, dem Gegenüber zu zeigen, dass man ganz bei ihm ist. Dies geschieht durch Aufmerksamkeitssignale, etwa gelegentliches Nicken und Blickkontakt, und durch Paraphrasieren, wie das Gesagte verstanden wurde. Auch ein Verbalisieren dessen, was auf der Gefühlsebene angekommen ist, etwa Verständnis für etwaige Ängste, hilft. Untersuchungen zeigen, dass Patienten oft schon nach wenigen Sekunden unterbrochen werden. Es ist sicher sinnvoll, wenn sich der Arzt als Experte am Anfang etwas zurückzieht, selbst bei innerem Widerspruch, um etwas aus der Welt des Patienten zu erfahren.
Da ein Patient die Inhalte und Konsequenzen wirklich verstehen soll, um selbstverantwortlich an Entscheidungen mitwirken zu können, müssen wir wissen, auf welchen Kanälen Menschen Inhalte aufnehmen. Gehörtes hat nur einen Anteil von etwa 15%, das Sehen hingegen von 75%. Um also Hirn und Herz des Patienten zu erreichen, ist eine Visualisierung des Gesagten sinnvoll, etwa durch einfache Skizzen, Schautafeln oder Modelle. Visualisierung kann aber auch im Kopf des Empfängers erfolgen, wenn der Sender sprachliche Bilder und Vergleiche zur Veranschaulichung verwendet („Stellen Sie sich vor …“, „Das ist so, als ob …“).
Ein ganz wesentlicher Punkt ist die Körpersprache, da diese immer gelesen und interpretiert wird und eine eigene, wichtige Kommunikationsebene ist. Blickkontakt ist die Brücke zum Du, Lächeln macht sympathisch, Mimik verrät Einstellungen. Jedenfalls sind Barrieren zu vermeiden. Diese können körpersprachlich sein, etwa durch Verschränken der Arme, ein „Zumachen“, das zu häufige Abwenden des Blicks auf den Computer oder in Unterlagen. Sie können aber auch physisch sein, durch ungünstige Sitzanordnung, Monitore oder Unterlagenstapel zwischen Arzt und Patienten.
Auch Machtfragen sollten nicht unterschätzt werden. Wenn der Arzt mit einem Selbstbild als Guru und Gott in Weiß einem schwächeren, weil weniger informierten, leidenden und ängstlichen Patienten autoritär gegenübertritt, Fragen und Einwände als persönlichen Angriff interpretiert, was erfreulicherweise immer seltener geschieht, spricht man von einer „paternalistischen“, senderzentrierten und eher monologischen Patientenkommunikation.
Heute rückt „Shared Decision Making“ (vgl. Florian Menz: Gelingende Kommunikation – ein Zufall? [= Gesundheit und Recht – Recht auf Gesundheit]. ÖJK, 2012) immer mehr als erstrebenswertes Kommunikationsverhalten in den Vordergrund. Dieses empfängerorientierte Modell bezieht den Patienten in hohem Maße ein, berücksichtigt dessen individuelle Wertvorstellungen und Erfahrungen und sieht ihn als Partner in einem evolutionären Kommunikationsprozess, an dessen Ende eine Behandlungsvereinbarung steht. Die Frage, was der Patient wirklich verstanden hat und was er selbst will, ist dabei ganz wesentlich. Die großen Vorteile dieses Modells sind, dass die Verantwortung für die Therapieentscheidung geteilt und außerdem die Verbindlichkeit der Vereinbarungen erhöht wird – der Patient fühlt sich selbst verantwortlich, an der Therapie mitzuwirken.
Inhalte können mit sehr unterschiedlichen Formulierungen transportiert werden. Formuliere ich eher defizit- oder chancenorientiert? Erzeuge ich eher Ängste und Besorgnisse, oder schaffe ich Raum für Hoffnungen? Einige Beispiele mögen dies veranschaulichen: Ersetzen Sie die defizitorientierten Formulierungen durch chancenorientierte und spüren Sie den Unterschied: Ersetzen Sie „Das tut jetzt zwei Wochen sehr weh!“ durch „In zwei Wochen werden Sie wieder ziemlich beschwerdefrei sein.“, „Sie werden aber mit Krücken und einer Prothese gehen müssen.“ durch „Trotz eines amputierten Beins werden Sie sich mit einer Gehhilfe recht gut bewegen können.“, „Sie können nicht mehr …“ gedanklich durch „Sie können aber …“. Die chancenorientierten Formulierungen, die inhaltlich mit den negativ konnotierten Äußerungen nahezu identisch sind, geben wesentlich mehr Hoffnung und entlassen den Patienten in einer anderen Gefühlslage. Wichtig ist somit nicht nur, was man sagt, sondern auch, wie man es formuliert.
Und trotzdem kann Kommunikation scheitern, da noch andere Gesprächshürden lauern. Die Verantwortung liegt jedoch nicht nur beim Arzt. Dieser ist für die Klarheit seiner Botschaften verantwortlich, aber auch der Patient trägt Mitverantwortung, da er etwa durch Verständnisfragen helfen kann, mögliche Missverständnisse zu vermeiden. Die folgende Kaskade an möglichen Gesprächshürden möge veranschaulichen, was einem Erfolg im Wege stehen kann:
Noch weitere Hürden können den Verständnisprozess erschweren. Man denke nur daran, dass zwei Menschen aufgrund ihrer unterschiedlichen Sozialisation, Werte und Erfahrungen sehr häufig mit ein- und demselben Wort nicht das Identische konnotieren, manchmal sogar das Gegenteil.
Als Resümee zeigen sich als einige Merkmale gelungener Arzt-Patienten-Kommunikation, dass eine gute Beziehung hergestellt wurde, der Arzt durch offene Fragen etwas aus der Welt des Patienten erfahren hat, er die Sprache des Patienten gesprochen und Fachvokabular vermieden hat, seine Inhalte gut visualisiert hat, die Gesprächsanteile fair verteilt waren, positive körpersprachliche Signale verwendet wurden, er positiv besetze Formulierungen verwendet hat und ein Verhalten gezeigt hat, das dem „Shared Decision Making“ entspricht, er am Ende des Gesprächs wesentliche Inhalte noch einmal kurz zusammengefasst hat und dafür gesorgt hat, dass die Anschlussfähigkeit gewahrt wurde.