Kammerwahlen 2017

„Brauchen mehr Hausärzte und mehr Geld“

Univ.-Prof. Dr. Thomas Szekeres ist amtierender Präsident der Wiener Ärztekammer und Spitzenkandidat der neuen „Liste Szekeres“. Die Ärzte Krone sprach mit dem Facharzt für Klinische Chemie und Labordiagnostik über seine Pläne und Forderungen.

Ärzte Krone: Wo sehen Sie die künftigen Herausforderungen für die Ärzte einerseits und für das Gesundheitswesen andererseits?

Thomas Szekeres: Die größte Herausforderung sind die Demografie sowie der Zuzug. Die Menschen werden älter und kränker und Wien wächst rasant um 40.000 Menschen pro Jahr. Gleichzeitig sinken aufgrund der Arbeitslosen- und Pensionistenzahlen die Einnahmen der Gebietskrankenkassen, besonders in Wien, in Relation zu den Ausgaben, was eine flächendeckende Versorgung der Menschen durch die Sozialversicherung immer schwieriger macht. Auch die ambulanten Leistungen in den Spitälern werden reduziert. Folge ist mehr Privatmedizin, die sich aber Teile der Bevölkerung nicht leisten können. Ich nenne dies Zwei-Klassen-Medizin.

Wo liegen Ihre inhaltlichen Schwerpunkte?

Im Spitalsbereich geht es darum, genug Personal zu beschäftigen, um die zeitnahe Versorgung der Patienten zu gewährleisten. Die Arbeitsverdichtung und die Demografie führen zu einer Mehrbelastung und in weiterer Folge zu Wartezeiten. Wir benötigen ausreichend Personal, um dies verhindern zu können. Im niedergelassenen Bereich muss es auch zu einer Vermehrung der Kassenplanstellen kommen. Auch dort gibt es immer mehr Engpässe. Es kann nicht Wunsch der Politik sein, den niederschwelligen Zugang zur medizinischen Versorgung zu limitieren.

Wie sehen Sie das Ergebnis des Finanzausgleiches?

Der Finanzausgleich sieht einen Deckel bei den Gesundheitsausgaben in Abhängigkeit von Inflation und Wirtschaftswachstum, und nicht entsprechend der Bedürfnisse der älter werdenden und schnell wachsenden Bevölkerung, vor. Dies halte ich für falsch, wenn man die Versorgung der Menschen durch die Sozialversicherung sicherstellen möchte. Eine angedachte Auflösung des Gesamtvertrags ist strikt abzulehnen. Darüber hinaus wäre es fatal, wenn Kapitalgesellschaften künftig Eigentümer von Gruppenpraxen würden. Das Gesundheitssystem wäre teurer und nicht besser. Die wohnortnahe Versorgung durch den Hausarzt ist besonders beliebt und muss attraktiv sein. Ich plädiere für die Ausweitung der Leistungen, welche durch den Hausarzt angeboten werden, sowie eine wesentlich bessere Bezahlung derselben.

Wie soll die medizinische Versorgung künftig aussehen?

Es macht durchaus Sinn, den sogenannten Best Point of Service zu suchen und die Leistungen dort anzubieten. Dazu ist es aber notwendig, eine echte Kostenrechnung zu machen. Die virtuellen Budgets funktionieren nicht. Diese Reform ist leider gescheitert. Eine Finanzierung zumindest des ambulanten Bereichs aus einer Hand wäre notwendig.

Wie kann man der Abwanderung der Ärzte und dem kommenden Mangel vor allem im ländlichen Raum begegnen?

Durch mehr Wertschätzung der Ärztinnen und Ärzte durch Hauptverband und Politik, Verbesserung der Arbeitsbedingungen, weniger Administration. Nur, wenn es attraktiver ist, in Österreich zu bleiben, wird es uns gelingen, die Abwanderung hintanzuhalten. Hier hat es durch Gehaltserhöhungen im angestellten Bereich erste Schritte gegeben, aber es ist noch viel zu tun. Wenn das nicht gelingt, werden wir einen eklatanten Ärztemangel haben.

 

„Wir müssen das Angebot ausbauen“

Dr. Erwin Rasinger ist Allgemeinmediziner in Wien und Gesundheitssprecher der ÖVP im Nationalrat. Die Ärzte Krone sprach mit dem Kandidaten der Vereinigung der Österreichischen Ärztinnen und Ärzte über seine Pläne und die Entwicklungenin der Gesundheitspolitik.

Ärzte Krone: Wo sehen Sie die künftigen Herausforderungen für die Ärzte einerseits und für das Gesundheitswesen auf der anderen Seite?

Dr. Erwin Rasinger: Die wichtigste Frage wird sein, ob es uns gelingt, Österreich unter den Staaten mit einem führenden Gesundheitswesen zu halten. Wenn man sich die Versorgung international ansieht, ist Österreich ja von der Performance her sicherlich noch weit vorne. Unser Gesundheitswesen ist absolut nicht ineffizient wie es viele Gesundheitsökonomen behaupten. Wir geben deutlich weniger als Deutschland und die Schweiz aus, im OECD-Verglich liegen wir bei den Ausgaben auf Platz 10. Es gibt aber bei den Ärztinnen und Ärzten sowie den Patienten eine wachsende Unzufriedenheit mit den Entwicklungen.

Wo sehen Sie die Probleme?

Wir haben Studien, dass rund 30 Prozent der Ärzte nach dem Studium gar nicht ins System einsteigen. Viele Kolleginnen und Kollegen klagen zudem über Burn-out-Anzeichen. Eine Umfrage der Ärztekammer sieht 52 Prozent gefährdet. Das sind Alarmzeichen, dass viele mit ihrem Beruf nicht glücklich sind.

Was sind Ihrer Ansicht nach die Ursachen dafür?

Teilweise sind es sicherlich Gehaltsfragen. Es geht aber vor allem auch um die wachsenden Aufgaben im Bereich der Bürokratie und Dokumentation. Eine Studie aus der Schweiz kommt zum Ergebnis, dass Ärzte dreimal so lange vor dem Computer sitzen, wie sie Zeit für Patienten haben. Bei uns ist das Verhältnis sicherlich noch höher. Man muss klar sagen, dass die Technik allen Menschen dienen sollte und nicht umgekehrt. Die wachsende Fließbandarbeit sorgt für Unbehagen in allen Bereichen.

Wie müssten hier Gegenstrategien aussehen?

Man darf dem System Veränderungen nicht von oben aufdrücken. Man sollte gemeinsam mit den Betroffenen versuchen, unbürokratische Lösungen zu finden. In Krankenhäusern sollten etwa Stationssekretariate ausgebaut werden. Im extramuralen Bereich müssen wir den Beruf attraktiver machen. Wenn man mit der Chefarztpflicht und niedrigen Honoraren kämpfen muss und sich gleichzeitig aufgrund fehlender Lehrpraxen schlecht ausgebildet fühlt, fragt man sich als junger Arzt natürlich, warum man sich das überhaupt antun soll. Da ist es in den Augen vieler besser Facharzt zu werden oder ins Ausland zu gehen. Österreich hat im Vergleich zu Deutschland fünf bis zehn Prozent weniger Praktiker und halb so viele Facharztstellen mit Kassenvertrag. Hier braucht es zusätzliche Angebote in Österreich.

Welche Möglichkeiten bieten hier die Primärversorgungszentren?

Das ist der Versuch die Spitäler zu entlasten. Die SPÖ-Pläne den Haus- und Facharzt durch Zentren zu ersetzen teile ich nicht. Das ist schon in Deutschland und Schweden voll gescheitert. Das ist teuer und gegen die freie Arztwahl. Mit Zentren, die Ärzte freiwillig machen und wo Privatinvestoren ausgeschlossen sind, kann ich mich aber anfreunden. Wir werden aber auch mehr Kassenplanstellen benötigen. Wir haben in manchen Bereichen wie Schmerztherapie, Onkologie oder Schilddrüse nahezu kein Angebot im Kassenbereich. Wir müssen das Angebot insgesamt ausbauen.