Jünger, schöner, schlanker, gesünder.
All das verspricht eine Vielzahl an komplementär- und alternativmedizinischen Zubereitungen, die vielfach als Nahrungsergänzungsmittel erhältlich sind. Insbesondere auf sozialen Medien wie Instagram und Co. kommt man kaum an derartigen Produktplatzierungen vorbei. In der Annahme, etwas an ihrem Körper oder ihrer Gesundheit zu verbessern, wird diese Art von Produkten laut Marktforschung insbesondere von Frauen konsumiert. Neben all den versprochenen positiven Effekten kann es beim Konsum von Naturheilprodukten und Nahrungsergänzungsmitteln („herbals and dietary supplements“) auch zu unerwünschten hepatotoxischen Effekten kommen. Diese reichen von einer milden Erhöhung der Transaminasen (ALT [GPT], AST [GOT]) bis hin zum akuten Leberversagen mit der Notwendigkeit einer Lebertransplantation.
Unerwünschte Effekte von Naturheil- bzw. Nahrungsergänzungsmitteln auf die Leber fallen unter den Begriff der medikamentös induzierten Leberschädigung („drug-induced liver injury“; DILI). Ein DILI kann intrinsisch, d. h. dosisabhängig, vorhersehbar und reproduzierbar oder idiosynkratisch, also dosisunabhängig und nicht vorhersehbar (bestimmungsgemäße Anwendung/Dosierung) sein. Ein klassisches Beispiel für ein intrinsisches, dosisabhängiges DILI ist Paracetamol, das lediglich bei Überdosierung zu einer Leberzellschädigung führt. Wesentlich häufiger begegnet uns im hepatologischen Alltag die dosisunabhängige Leberschädigung. Führende Ursachen hierfür sind die häufig verordneten nichtsteroidalen Antirheumatika und antimikrobielle Substanzen. Einen nicht unwesentlichen Teil machen jedoch die sogenannten „herbals“ und Nahrungsergänzungsmittel aus, die etwa in den USA die zweithäufigste Ursache für ein DILI darstellen (etwa 20 % aller DILI-Fälle).
Ein DILI kann nach dem laborchemischen Schädigungsmuster anhand des sogenannten R-Werts klassifiziert werden. Dieser errechnet sich aus der Ratio der ALT- und AP-Erhöhung (R-Wert = Ratio ALT × > ULN/AP × > ULN). Dabei werden drei Schädigungsmuster unterteilt: 1.) cholestatisch (R < 2, z. B. durch Amoxicillin-Clavulansäure), 2.) gemischt (R = 2–5, z. B. durch Clindamycin) und 3.) hepatozellulär (R > 5, z. B. durch NSAR).
Diese Einteilung ist aus klinischer Sicht dahingehend relevant, als dass einige Medikamente klassischerweise gewisse Schädigungsbilder hervorrufen. Ein DILI stellt eine herausfordernde Ausschlussdiagnose dar, da zum einen diagnostische Tests fehlen und zum anderen ein breites Spektrum an klinischen Manifestationen (milde Cholestase bis hin zum akuten Leberversagen) vorliegen kann. Kommt es zu einer Aktivierung des Immunsystems im Sinne eines immunmediierten idiosynkratischen DILI, einem der Autoimmunhepatitis sehr ähnlichen klinischen Bild, so liegen oft lange Latenzzeiten bis zu 3 Monate nach Einnahme vor. Aufgrund der langen Latenz, der Tatsache, dass Betroffene häufig multiple Heil- und Nahrungsergänzungsmittel einnehmen, sowie der Ähnlichkeit des Krankheitsbildes zu anderen Lebererkrankungen kann eine eindeutige Kausalität häufig nicht nachgewiesen werden. In der Diagnostik gilt es daher, andere Hepatopathien, insbesondere Virushepatitiden (HAV, HBV, HCV, HEV, CMV, EBV), die Autoimmunhepatitis, biliäre Abflusshindernisse und cholestatische Lebererkrankungen wie die primär biliäre Cholangitis und die primär sklerosierende Cholangitis auszuschließen. Eine genaue Anamneseerhebung ist das wohl wesentlichste Element in der Diagnostik (akuter) Leberschädigungen und sollte stets die Frage nach Heil- und Nahrungsergänzungsmitteleinnahme innerhalb der letzten 6 Monate beinhalten.
Was Naturheilmittel und Nahrungsergänzungsmittel betrifft, so kann die Hepatotoxizität durch 1.) direkte Toxizität, 2.) Pflanzenverwechslung (insbesondere bei eigenen Zubereitungen wie Tees, Kräutermischungen usw.), 3.) Verunreinigungen (z. B. mit Toxin bildenden Bacillus spp.) oder 4.) Interaktionen mit Medikamenten oder als Trigger einer vorbestehenden Erkrankung bedingt sein. Die Liste hepatotoxischer Kräuter und Pflanzen ist lang und beinhaltet neben in Mitteleuropa unüblichen Zubereitungen wie chinesischen oder ayurvedischen Tees und Kräutermischungen zahlreiche Produkte, die in heimischen Supermärkten, Apotheken und Drogerien erhältlich sind (Tab.).
Als besonders problematisch gelten Pyrrolizidinalkaloide (PA), die in vielen Pflanzen und pflanzlichen Produkten enthalten sind. Aufgrund der bekannten Toxizität sieht eine 2022 in Kraft getretene EU-Verordnung einen Höchstgehalt für PA in ausgewählten Lebensmitteln sowie in pflanzlichen Arzneimitteln und Nahrungsergänzungsmitteln vor. Die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) empfiehlt zudem auf PA-bildende Pflanzen (z. B. Borretsch) zu verzichten, Grün-, Rotbusch- und Kräutertee nur in Maßen zu konsumieren und ruft zu besonderer Vorsicht bei Produkten aus dem Nicht-EU-Raum auf.
Als die Leberheilpflanze schlechthin gilt die Mariendistel bzw. deren Extrakt. Für das in ihren Früchten enthaltene Silibinin konnten in vivo und in vitro antioxidative, antiinflammatorische und antifibrotische Effekte gezeigt werden. Weiters wirkt Silibinin membranstabilisierend und verhindert die Aufnahme von Toxinen, weshalb die Substanz im klinischen Alltag als Antidot bei Knollenblätterpilzvergiftung verwendet wird. Ein positiver Effekt auf den Verlauf chronischer Lebererkrankungen unterschiedlicher Ätiologie konnte jedoch bislang in keiner randomisiert kontrollierten Studie nachgewiesen werden.
Auch wenn aus der Mariendistel gewonnene Produkte als sicher gelten, liegt es nahe, dass die Einnahme einer „Leberheilpflanze“ häufig als einfache Alternative zur ärztlichen Diagnostik bzw. kausalen Therapie (häufig mit tiefgreifender Lebensstiländerung) angesehen wird. Kausale, hocheffektive Therapien bzw. Maßnahmen (z. B. Alkoholkarenz, Therapie einer chronischen Virushepatitis oder Autoimmunhepatitis) können dadurch verzögert werden. Hersteller bewerben die Präparate sogar als Therapie bei „Müdigkeit und erhöhten Leberwerten“, eine Konstellation, die unmittelbarer Abklärung bedarf.