Die Daten zur Wirksamkeit der Influenza-Impfung sind inkonsistent und lassen allgemeingültige Schlussfolgerungen nicht wirklich zu. Dennoch ist sie die derzeit beste Präventionsmöglichkeit. Der Einsatz konjugierter Pneumokokken-Impfstoffe hat infolge eines dramatischen Herdeneffekts auch die Morbidität beiErwachsenen erheblich gesenkt und gewinnt zunehmend an Bedeutung beiälteren Erwachsenen.
Influenza- und Pneumokokken-Impfung sind fixer Bestandteil der österreichischen Impfempfehlungen. Beide Impfungen sind besonders für alle Personen ab 50 Jahren empfohlen. Weiters ist die Influenza-Impfung als berufsspezifische Impfung für alle Mitarbeiter des Gesundheitswesens (Health Care Workers – HCW) empfohlen. Für die Pneumokokken-Impfung besteht zwar keine offizielle berufsspezifische Empfehlung, jedoch gilt die an die Eigenverantwortung des Einzelnen appellierende allgemeine Empfehlung dieser Impfung naturgemäß auch für HCW.
Das Risiko der Erkrankung und der konsekutiven Weitergabe von Influenza durch HCW ist sehr hoch, und zudem sind HCW einem höheren Infektionsrisiko ausgesetzt. Über 20 % aller HCW machen in einer milden Saison eine Serokonversion durch, wobei etwa ein Drittel aller Erkrankungen subklinisch verläuft. Somit können HCW für eine Transmission der Influenza auf ihre Patienten von großer Bedeutung sein. Für HCW besteht laut Weltgesundheitsorganisation kein erhöhtes Risiko für schwere Pneumokokken-Infektionen, jedoch gilt die Impfempfehlung für alle Erwachsenen über 50 Jahre selbstverständlich auch für alle HCW.
Influenza-Impfstoffe sind seit Jahrzehnten im Einsatz, und ihre Wirkung wird seit Langem – gerne auch emotional – diskutiert, angezweifelt und über- oder auch unterschätzt.
Zur allgemeinen Wirksamkeit der inaktivierten Impfstoffe lassen sich aus vielerlei Gründen keine allgemeingültigen Aussagen treffen (auf die Lebendimpfung, die nur für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre zugelassen ist, wird hier nicht näher eingegangen). Die Wirksamkeit der Impfung variiert in Studien erheblich in Abhängigkeit von vielen verschiedenen Faktoren, wie zum Beispiel mit unterschiedlichen Falldefinitionen oder inwieweit die Impfstämme mit den zirkulierenden Stämmen übereinstimmen. Viele Studien haben methodische Schwächen, wie zum Beispiel ungenaue klinische Endpunkte (etwa die Vermischung von Influenza-like-Illness [ILI] und Influenza). Auch die Auswahl der Probandengruppen (Alter, vorbestehender Gesundheits- und Immunstatus, „healthy user effect“ et cetera) beeinflusst klinische Ergebnisse erheblich. Systematische Reviews (SR) und Metaanalysen (MA) zu verschiedenen Alters- und Risikogruppen oder Impfstoffklassen sind oft schwer oder gar nicht miteinander vergleichbar, unter anderem weil sie in ihrer methodologischen Qualität und ihren Schlussfolgerungen (zu) große Unterschiede aufweisen. Somit wurde in einer Vielzahl von Studien in Abhängigkeit von verschiedenen Altersgruppen ein sehr weites Effektivitätswirksamkeits-spektrum der inaktivierten saisonalen Impfstoffe von circa 30 % bis hin zu über 90 % ermittelt.
Etliche Studien, darunter auch Randomized Controlled Trials (RCT), konnten zeigen, dass die Impfung von HCW sowohl ILI als auch die Gesamtmortalität bei Bewohnern von Langzeitpflegeeinrichtungen senken kann. Eine Studie zeigte auf, dass die Impfung von 5 beziehungsweise 8 HCW einen Fall von ILI beziehungsweise einen Todesfall bei den Bewohnern verhindern konnte. Ein aktueller Cochrane Review von Juni 2016 kommt zu dem Schluss, dass Influenza-Impfprogramme für HCW, die sich um Personen > 60 Jahre in Langzeitpflegeeinrichtungen kümmern, eine geringe oder keine Wirkung auf laborbestätigte Influenza, auf Komplikationen und die Gesamtmortalität haben könnten.
Andere Studien hingegen belegten einen Schutz für hospitalisierte Personen, darunter auch für Knochenmarktransplantierte. Ein weiterer Review aus dem Jahr 2012, der neben RCT auch Beobachtungsstudien einbezog, kam zu dem Schluss, dass die Influenza-Impfung von HCW wahrscheinlich einigen Schutz für vulnerable Patienten bieten kann, was laut den Autoren die derzeit gültigen Impfempfehlungen unterstützt.
Ein möglicher Herdeneffekt durch die Influenza-Impfung von Kindern, durch den Hochrisikogruppen möglicherweise geschützt werden, wurde in etlichen Studien nachgewiesen. Beispielsweise zeigte eine kanadische Studie einen dramatischen Herdeneffekt durch die Impfung von Schulkindern und Jugendlichen mit einer 61%-Effektivität in der Reduktion von laborbestätigter Influenza bei nicht geimpften Erwachsenen.
Nach der Einführung der konjugierten Pneumokokken-Impfstoffe (PNC7, -10 und -13 valent) in die Kinderimpfprogramme kam es in vielen Ländern zu einem dramatischen und raschen Absinken von invasiven Pneumokokken-Erkrankungen (IPD) bei den geimpften Kindern, aber – bedingt durch den Herdeneffekt – auch in anderen Altersgruppen. Eine rezente Studie aus den USA zeigte beispielsweise 3 Jahre nach der Einführung von PNC13 einen schnellen Rückgang von allen IPD bei (nicht geimpften) Erwachsenen um 12–32 % und von durch Impfstoff-Serotypen verursachten IPD um 58–72 %.
Ein aktueller Review vom März 2016 zur Wirksamkeit von PNC zeigte auf, dass die Studien trotz unterschiedlicher Populationen und Settings insgesamt relativ konsistente Ergebnisse zeigen. PNC bewirken eine bedeutende Risikoreduktion für impfstoffspezifische Pneumokokken-Erkrankungen (mit einer relativen Risikoreduktion zwischen 20 und 75 %) und eine geringere Reduktion für Infektionskrankheiten anderer Ursache. Die CAPiTA-Studie (Community-Acquired Pneumonia immunization Trial in Adults), die bislang größte doppelblinde, randomisierte und placebokontrollierte Studie, welche die Wirksamkeit eines konjugierten Pneumokokken-Impfstoffes bei Erwachsenen ab 65 Jahren überprüfte, konnte eine signifikante Reduktion eines ersten Auftretens einer Impfstoff-Serotyp-bedingten CAP um 45,6 % aufzeigen. Auch die beiden sekundären Endpunkte wurden erreicht, in der Impf-Gruppe gab es 45 % weniger nichtbakteriämische/nichtinvasive Impfstoff-Serotyp-bedingte CAP und 75 % weniger erste Episoden einer Impfstoff-Serotyp-bedingten IPD.
Seit Langem im Einsatz sind Pneumokokken-Polysaccharid-Impfstoffe (PPV23), und sie haben sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten durchaus bewährt. In der Vergangenheit gab es immer wieder Debatten zur Effektivität von PPV23. Laut WHO sind die Daten zur Wirksamkeit inkonsistent, variieren bei verschiedenen Zielgruppen und Endpunkten. Zudem sind sie stark durch die unterschiedliche Qualität der Studien beeinflusst. Dennoch sind, alles in allem, die Ergebnisse der RCT und MA konsistent im protektiven Effekt von PPV23 gegen IPD und Pneumonie aller Ursachen bei gesunden jungen Erwachsenen und zu einem geringeren Ausmaß beim Schutz gegen IPD bei Älteren > 65 Jahre. Beobachtungsstudien haben eine Wirksamkeit zwischen 50 % und 80 % gegen IPD bei älteren Erwachsenen und immunkompetenten Personen mit diversen Grunderkrankungen gezeigt. Zudem senkt PPV23 die Schwere des Krankheitsverlaufes bei CAP-Patienten. Ein aktueller SR und MA von März dieses Jahres kommt ebenfalls zu einer Übereinstimmung mit den Ergebnissen früherer Publikationen. Studien zu nichtbakteriämischer Pneumokokken-Pneumonie bei Erwachsenen haben widersprüchliche Schlussfolgerungen gebracht.
In der Praxis sollten beide Impfungen als wichtige Elemente von Maßnahmen zur Infektionsprävention und -kontrolle gesehen werden (neben anderen Maßnahmen wie richtige Händehygiene und Ähnliches). Auch wenn die Datenlage teilweise inkonsistente Ergebnisse zeigt und Kritik durchaus angebracht ist, ist es eine Tatsache, dass die derzeitigen Impfstoffe die beste Präventionsmöglichkeit darstellen. Dies wird auch so bleiben, so lange, bis neue, effektivere Impfstoffe zur Verfügung stehen. Zudem muss der ethischmoralische Aspekt bedacht werden, wonach HCW eine besondere Verantwortung ihren vulnerablen Patienten gegenüber haben und die Impfung somit eine Selbstverständlichkeit sein sollte.
Literatur bei der Verfasserin