Ein wichtiger Punkt in den vergangenen zehn Jahren ist die Veränderung der monetären Situation in Europa. Anfänglich gab es große Kritik an der sehr schnellen Einführung des Euros, was aber nicht an die breite Öffentlichkeit kommuniziert wurde. Die neue Währung war eine rein politische Entscheidung, bei der es darum ging, dass der damalige deutsche Bundeskanzler Kohl die Wiedervereinigung Deutschlands wollte und dafür auch den Preis bezahlte, dem Wunsch der Franzosen entsprechend den Euro zu gründen. Frankreich erhoffte sich, dadurch die ökonomische Macht der Deutschen einschränken zu können, denn die Engländer waren immer gegen eine Wiedervereinigung und hätten Deutschland somit nie zugestimmt. Obwohl schon lange über eine gemeinsame Währung diskutiert wurde, war die Umsetzung letztlich also eine rein politische Entscheidung. Die von Amerika ausgehende Krise 2009/2010 hat Europa erreicht und blieb gewissermaßen am Euro haften.
Eine Voraussetzung, die bisher nicht erfüllt wurde, ist, dass es eines zumindest teilweisen Souveränitätsverzichtes bedarf, wenn es eine gemeinsame europäische Währung gibt. Erst jetzt wird unter heftigem Widerstand versucht, dies umzusetzen. Derzeit lässt sich die Europäische Union ein wenig mit der K.-u.-k.-Monarchie vergleichen, die sich ebenfalls aus vielen einzelnen Nationalstaaten zusammensetzte und letztlich zerfiel. In einer fast ähnlichen Situation sind wir jetzt in der EU, wobei die Lage noch dadurch erschwert wird, dass vor etlichen Jahren Länder wie Griechenland, Spanien und Portugal – aus politischen Gründen – aufgenommen wurden, die mit hoher Wahrscheinlichkeit für eine gemeinsame Währung zu schwach sind. Diese Länder haben nun aber nicht mehr die Möglichkeit, ihre Währungen gegenüber Österreich, Deutschland und Holland abzuwerten, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Die entscheidende Frage für die Zukunft ist, was die Abschaffung des Euro für Europa bedeuten würde. Meine Meinung ist, dass dadurch die europäische Integration in Gefahr wäre. Die einzelnen europäischen Nationen, auch die größeren, würden in der Welt nur eine bescheidene Rolle spielen können. Daher geht es darum, einen Weg zu finden, wie Europa in der Vielfalt der Nationen doch mit möglichst geringen internen Problemen zu einer wirtschaftlichen Einheit geführt werden kann. Davon sind wir noch weit entfernt, und vielleicht hat man sich hier zu viel zugemutet. Aber der Weg muss weitergehen, und der entscheidende Punkt ist jetzt, dass es zu keiner Rezession kommt, vor allem nicht in den starken Nationen Deutschland, Holland, Österreich und Frankreich. Es wäre verheerend und politischer Sprengstoff, wenn sich die Arbeitslosigkeit so wie im Süden entwickeln würde. Wenn das passiert, ist das marktwirtschaftliche System in Gefahr, denn die Hoffnungslosigkeit radikalisiert die Jugend, wie jetzt in den südlichen Staaten zu beobachten ist.
In Österreich können wir aber sagen, dass wir uns ökonomisch gesehen gut entwickelt haben. Die Österreicher sind fleißig, arbeitsam, und davon hängt die Zukunft der Wirtschaft ab. Natürlich zieht die Bevölkerung nur mit der Wirtschaft mit, wenn sie für ihre Arbeit etwas bekommt, und das schafft Österreich. In der Entwicklung der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung zwischen 2001 und 2011 gab es hierzulande große Fortschritte (Tab.).
Der nächste wesentliche Punkt in den letzten zehn Jahren war, dass wir uns industriell recht gut entwickelt haben. Der für Österreich außerordentlich wichtige Fremdenverkehr wurde gut erhalten. Es gab auch ökonomisch Ruhe ohne Streikbewegungen.
Weiters muss gesagt werden, dass das österreichische Rezept der Sozialpartnerschaft recht gut funktioniert hat, jedenfalls besser als in vielen anderen Ländern. Die Sozialpartnerschaft in der Form, wie sie bei uns organisiert ist, ist ohnehin eine einmalige Sache in Europa.
Der nächste Punkt, der eine wesentliche Rolle spielt, ist der Versuch, in die neuen EU-Staaten zu investieren. Es war die richtige Entscheidung der Banken und zum Teil auch der Industrie, auch wenn das im Moment der Krise erhebliche Schwierigkeiten bringt. Andere und größere Länder als wir haben diesen Schritt zögerlicher gemacht, aber wir sollten uns in der Politik nicht behindern lassen, diesen Weg weiterzugehen.
Wie man aus den Handelsfinanzstatistiken auch sehen kann, wurden unsere internationalen Handelsbeziehungen ausgebaut. Wir sind eine entwickelte Industrienation und müssen unsere Produkte weltweit verkaufen.
Das Ausbildungsniveau in Österreich ist nicht so schlecht, wie es immer dargestellt wird. Natürlich spielt in internationalen Vergleichen die sehr starke Emigration, die in anderen Staaten nicht in diesem Ausmaß vorliegt, eine negative Rolle. Auf der anderen Seite ist die Bildung eine entscheidende Grundlage für eine funktionierende Demokratie und für eine funktionierende Wirtschaft. Sinken die Bildungsstandards, kann das Niveau nicht gehalten werden. Daher muss das Bildungssystem nicht nur auf Gleichheit aus sein, sondern auch Talente herausfiltern und fördern, denn diese halten den Level. Es muss auch gesichert sein, dass das Niveau ständig gehoben wird. Eine Nivellierung nach unten wäre für einen entwickelten Industriestaat wie Österreich eine katastrophale Entwicklung.
Fortschritt in der Wirtschaft gibt es nur bei sozialem Frieden – diesen zu sichern ist Österreich seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges hervorragend gelungen. Das ist der Grund, warum es uns recht gut geht.
Die Wirtschaft wird immer von einem breiten Mittelstand getragen. Es geht nicht um die paar ganz Reichen, und für jene, die schwächer sind, muss gelten, dass sie ein menschenwürdiges Leben führen können. Die Österreichische Nationalbank hat über die Vermögensverteilung in Österreich geschrieben und dabei kritisiert, dass es eine erhebliche Ungleichheitsverteilung gibt. Das stimmt, denn in einem marktwirtschaftlichen System gibt es Unterschiede. Aber wichtig ist, dass sich der breite Mittelstand unter günstigen Umständen am Eigentum, an Produktionsmitteln beteiligen kann. Es ist eine entscheidende Frage, eine möglichst breite Schicht daran beteiligen zu können. Das muss steuerlich gelenkt werden. Dass der Mittelstand die Gesellschaft trägt, hat schon Aristoteles gewusst!
Unser Sozialsystem sichert Menschen für die wichtigsten Probleme, Alter, Krankheit und Arbeitslosigkeit, ab, besser als in vielen anderen Staaten. Das wird letztlich aber vom Steuerzahler getragen. Nun ist in den letzten zehn Jahren die Lebenserwartung erheblich gestiegen und steigt weiter. Das heißt, man muss überlegen, wann ein gesunder Mensch in Pension gehen darf. Die aktuelle Praxis, dass Leute vor 60 in Pension gehen, wird sich nicht halten lassen. Entscheidend ist immer, dass die arbeitende Generation die Jugend und die Alten erhält. Das muss sich ausgehen, denn wenn sich das nicht ausgeht, kommt man in große Schwierigkeiten. Und wir sind auf dem Weg in große Schwierigkeiten, es sei denn, es gelingt, das tatsächliche Pensionsantrittsalter erheblich zu erhöhen.