Ärztekammer, Gesundheitsministerium, Bundesländer und Sozialversicherung haben nach jahrelangen Diskussionen nun endlich die Rahmenbedingungen die Schaffung eines Facharztes für Allgemein- und Familienmedizin einstimmig beschlossen. Dieser wird künftig im Anschluss an das Medizinstudium fünf Jahre dauern, davon zwei Jahre in einer Lehrpraxis. Für Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) ist damit „der wichtigste Schritt zur Einführung erfolgt“. Die Primärversorgung sei die zentrale Säule in der medizinischen Primärversorgung. „Wir kommen damit einer Forderung der jungen Ärzteschaft nach, die seit Jahren diagnostiziert, dass die Verbesserung der Ausbildungsqualität die wichtigste Maßnahme gegen den Hausärztemangel ist“, sagt er.
„Es waren langwierige und zum Teil sehr schwierige Verhandlungen, die jetzt Erfolg zeigen“, freut sich der Präsident der Österreichischen Ärztekammer, MR Dr. Johannes Steinhart. Und er streut den Verhandlungspartnern Rosen: Man müsse anerkennen, dass sich Rauch und Sektionschefin Dr. Katharina Reich sehr für den Facharzt für Allgemeinmedizin und Familienmedizin eingesetzt haben. Dr. Edgar Wutscher, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte, zeigt sich überzeugt, dass „damit wieder mehr junge Ärztinnen und Ärzte den Weg in die Allgemeinmedizin finden werden“. Dort zeigt man sich aber nur vorsichtig optimistisch: Dr. Richard Brodnig, Obmann der Jungen Allgemeinmedizin Österreich (JAMÖ), begrüßt die Ankündigung zwar, sieht jedoch ein zentrales Problem in der praktischen Umsetzung. In jedem Bundesland seien die Regelungen zur Lehrpraxis unterschiedlich, dadurch sind Bundesländerwechsel während der Ausbildung erschwert. Zudem bedeute ein Wechsel in die Lehrpraxis einen enormen finanziellen Einschnitt bis zur Hälfte des Monatsgehaltes.
Auch in der Ärztekammer ist man nicht uneingeschränkt glücklich über Pläne des Gesundheitsministers. Denn neben dem Entgegenkommen in Sachen Allgemeinmedizin erzürnt Rauch die Ärztekammer mit seiner Forderung nach Einführung einer Wirkstoffverschreibung. Nach seinen Vorgängern Rudolf Anschober und Wolfgang Mückstein bekräftigte Rauch entsprechende Pläne für eine Aut-idem-Regelung. Es könne ihm niemand erklären, warum Österreich das einzige EU-Land sei, das diese Möglichkeit noch nicht habe, meinte er. Als „Bremser“ nannte er die pharmazeutische Industrie und die Ärztekammer, das sei aber „nicht mehr haltbar“. „Wirkstoffverschreibung bedeutet Gefährdung der Patientinnen und Patienten. Wir werden das bekämpfen, wo immer es geht – im Sinne der Patientensicherheit“, reagierte Steinhart kämpferisch. „Der Apotheker oder die Apothekerin kann dann abgeben, was er oder sie für richtig hält oder was ihm oder ihr angesichts der Lagerhaltungskosten oder anderer Faktoren, die nichts mit Gesundheit zu tun haben, am besten passt. Das müssen wir kategorisch ablehnen“, ergänzt Wutscher. Wirkstoffverschreibung werde aber auch, so Steinhart und Wutscher, das Risiko von Fehl- oder Mehrfacheinnahmen erhöhen und sich negativ auf die Compliance bei der Medikamenteneinnahme an sich auswirken.