Behandlung und Pflege bei tumortherapieinduzierter Diarrhö

In der Onkologie gibt es unterschiedliche Ursachen für Diarrhö (aufgrund medikamentöser Therapien, Bestrahlung des Abdomens oder Beckens etc.). Etwa 20 % der Patient:innen unter Chemotherapie und etwa 30% der Patient:innen unter Immun-Checkpoint-Inhibitoren entwickeln eine Diarrhö.1 Es gibt allgemeine Risikofaktoren, welche die Inzidenz und Stärke der tumortherapieinduzierten Diarrhö erhöhen können. Hierzu zählen: reduzierter Performance-Status, simultane Radiotherapie des Bauch-Becken-Bereichs, vorbestehende Darmdysfunktion (z. B. Reizdarmsyndrom, Gallensäuremalabsorption, Zöliakie, chronisch entzündliche Darmerkrankungen, Laktoseintoleranz), vorangegangene Darmoperation mit resultierender Darmdysfunktion oder eine bestehende Mangelernährung.2

Einteilungen nach Schweregrad und Zusatzfragen

Für die Erfassung des Schweregrades tumortherapieinduzierterDiarrhö kann die Einteilung nach den Common Terminology Criteria for Adverse Events (CTCAE) herangezogen werden (Tab. 1). In den internationalen Leitlinien werden die Behandlungsempfehlungen je nach Grad der CTCAE-Einteilung beschrieben. Der Vorteil bei dieser Kategorisierung liegt in der Vergleichbarkeit zwischen verschiedenen Patient:innen und im Therapieverlauf auf individueller Patientenebene. Was in dieser Erfassung des Schweregrades jedoch fehlt, sind Informationen wie Dauer und Volumen der Diarrhö, subjektive unangenehme Begleiterscheinungen (z. B. Bauchkrämpfe, Fieber, Übelkeit), Informationen zu möglicher Elektrolytentgleisung, Hypovolämie oder Neutropenie. Diese Zusatzinformationen sind aber mitunter therapieentscheidend und sollen daher erfasst werden.2

Tab. 1: Einteilung Schweregrad nach Common Terminology Criteria for Adverse Events (CTCAE)

Hier kommt die besondere Rolle der Pflegepersonen wieder zum Tragen: Sie sind den Patient:innen oft viel näher als andere Berufsgruppen in der Onkologie, weshalb ihnen gegenüber belastende Nebenwirkungen häufig als Erstes kommuniziert werden. Wenn uns Patient:innen über Nebenwirkungen informieren (teilweise detailliert, teilweise nur im Nebensatz), sollte uns das immer zum Nachfragen anregen und entsprechend professionell darauf reagiert (und im Behandlungsteam besprochen) werden.

Behandlung bei Chemotherapie und Immuntherapie

Wenn unter Chemotherapie eine infektiöse Ursache der Diarrhö ausgeschlossen werden kann, sollte initial mit Loperamid (z. B. Enterobene, Imodium®) behandelt werden. Sollte die Diarrhö trotz Loperamid anhalten, ist häufig eine stationäre Aufnahme erforderlich. Die wichtigste Intervention ist der Ausgleich des Wasser- und Elektrolyt-Verlustes und Beginn der Therapie mit dem Somatostatinanalogon Octreotid (s.c.). Bei persistierender Diarrhö über 24–48 Stunden nach Erstdiagnose sollte eine intravenöse Rehydrierung mit isotoner Elektrolytlösung erfolgen. Außerdem wird neben einer Laborkontrolle (Blutbild, Elektrolyte) zu Stuhluntersuchung (Blut, Leukozyten, Clostridium difficile, Salmonellen, Escherichia coli, Campylobacter, ggf. andere Erreger einer infektiösen Colitis) und abdomineller Untersuchung geraten.2

Maßnahme bei Diarrhö Grad 1: Loperamid 4 mg (also 2 Tbl.à 2 mg) beim ersten flüssigen Stuhlgang. Danach 2 mg nach jedem weiteren flüssigen Stuhl – bis maximal 16 mg (also 8 Tabletten) pro Tag.
Zur Behandlung einer leichtgradigen immuntherapieinduzierten Kolitis sollen symptomatische Maßnahmen durchgeführt werden (z. B. Loperamid, diätologische Maßnahmen). Ab Grad 2 sind Kortikosteroide p.o. (ggf. auch Kortikosteroide i.v.) empfohlen. Ab einer schwergradigen Diarrhö (Grad 3) oder steroidrefraktären (nicht auf Kortison ansprechenden) Verläufen sollten gegen Tumornekrosefaktor gerichtete Antikörper wie Infliximab, Adalimumab oder auch der monoklonale Anti-Integrin-AK Vedolizumab zum Einsatz kommen.2,3 In der Tabelle 2 sind die Empfehlungen zur besseren Übersicht gegenübergestellt.

Tab. 2: Behandlung Diarrhö bei Chemotherapie oder Immuntherapie

Weitere Maßnahmen: Neben der medikamentösen Behandlung sollten Patient:innen über nichtmedikamentöse Maßnahmen informiert werden. Ernährungsempfehlungen der österreichischen Krebshilfe5 sind das Trinken von Schwarztee (mind. 15 Minuten ziehen lassen!), Pfefferminz-, Kamillen- und Fencheltee oder Tee aus getrockneten Heidelbeeren. Für den Elektrolytausgleich kann klare Suppe gegessen oder isotone Getränke/Elektrolytlösungen getrunken werden. Was Patient:innen meiden sollten, sind kohlensäurehaltige Getränke, Getränke mit viel Fruchtsäure, blähende Gemüsearten, rohes Gemüse und rohes Obst, Kaffee und Alkohol sowie fettreiche, saure und scharfe Speisen. Es hat sich bewährt, Hafer- oder Reisschleimsuppen sowie gekochten Reis, Nudeln, Kartoffeln, getoastete Semmeln oder Zwiebackzu essen. Als bewährtes Hausmittel kann ebenso das Essen von geriebenem Apfel (mit Schale reiben und braun werden lassen), aufgeschlagener Banane und Moroscher Karottensuppe empfohlen werden.

Rezept: Karottensuppe nach Moro

Zutaten: 500 g Karotten frisch oder tiefgekühlt, 1 Liter Wasser, 3 g Salz (ca. 1gestrichener Teelöffel)

Anleitung: Karotten sparsam schälen und in grobe Stücke schneiden. Zusammen mit 1 Liter Wasser in einen Topf geben. Mindestens eine bis eineinhalb Stunden kochen. Mit dem Mixer pürieren (oder durch ein Sieb streichen). Mit kochendem Wasser wieder auf insgesamt 1Liter auffüllen. 3 g Salz hinzufügen (ca. 1 gestrichener Teelöffel).

Tipp: Die lange Kochzeit ist sehr wichtig! Nur so können sich die sogenannten Oligosaccharide bilden – kleine Zuckermoleküle, die Durchfallerreger an sich binden und dadurch unschädlich machen. 5–6 Portionen täglich über den Tag verteilt essen.


Rezept: Heidelbeertee

Zutaten (für 1 Tasse): 1 EL getrocknete Heidelbeeren, 250ml Wasser, ½ EL Traubenzucker und 1 Messerspitze Salz

Zubereitung: getrocknete Heidelbeeren zerstoßen und mit 250 ml kochendem Wasser übergießen, ziehen lassen und nach 10 min durch ein feines Sieb oder einen Kaffeefilter abseihen, ½ EL Traubenzucker und 1 Messerspitze Salz einrühren.
Trinken Sie täglich bis zu 2 Tassen.


Zusammenfassung

Um gravierende Folgen der tumortherapieinduzierten Diarrhö vermeiden zu können, ist es erforderlich, dass das Behandlungsteam die Empfehlungen der Leitlinien und die Unterschiede der Strategien zwischen Diarrhö bei Chemotherapie (z. B. bereits beim ersten Therapie-Zyklus Loperamid auf Rezept) und Diarrhö bei Immuntherapie kennt (z. B. ab Diarrhö Grad 2 an Gabe von Kortikosteroiden denken). Diesbezüglich müssen Patient:innen entsprechend informiert und im Umgang mit Diarrhö, je nach Ursache und Schweregrad, angeleitet werden.