In dieser Ausgabe der AHOP-News beleuchten wir die Publikation „Exercise therapies for preventing or treating aromatase inhibitor-induced musculoskeletal symptoms in early breast cancer“ (Roberts KE et al., Cochrane Database Syst Rev 2020; 2020[1]: CD012988).
Seit Frauen in der Postmenopause mit hormonrezeptorpositivem Brustkrebs im Stadium I bis III standardmäßig mit Aromatasehemmern (AI) behandelt werden, haben sich ihre Überlebenschancen verbessert. Die Einnahmedauer kann für bestimmte Patientinnen fünf bis zehn Jahre nach der Operation betragen. Die Behandlung mit AI geht jedoch mit einer hohen Inzidenz von AI-induzierten muskuloskelettalen Symptomen (AIMSS) einher, die oft als asymmetrische Schmerzen und Gelenksteifigkeit beschrieben werden. AIMSS reduzieren die Adhärenz bei bis zur Hälfte der Frauen, die eine adjuvante Therapie mit AI erhalten, wodurch die Wirksamkeit der Behandlung des Brustkrebses potenziell beeinträchtigt werden kann. Bewegung wurde bereits zur Prävention und Therapie von AIMSS untersucht, über die Wirksamkeit ist jedoch wenig bekannt.
Studienziel: Es sollte die Wirksamkeit von Bewegungstherapien auf die Prävention oder Therapie von AIMSS bei Patientinnen mit hormonrezeptorpositivem Brustkrebs im Stadium I bis III untersucht werden.
Methode: Die StudienautorInnen durchsuchten das Cochrane Breast Cancer’s Specialised Register sowie die Datenbanken CENTRAL, MEDLINE, Embase und CINAHL bis zum 13. Dezember 2018. Weiters wurden Portale für Konferenzberichte und zwei Register für klinische Studien nach laufenden oder unveröffentlichten Studien im August 2019 durchsucht und die Referenzlisten der eingeschlossenen Studien überprüft. Eingeschlossen wurden randomisierte kontrollierte Studien, die Bewegung mit einer Kontrollintervention verglichen. Es gab keine Einschränkung bezüglich der Kontrolle, die entweder eine alternative Art von Bewegung oder keine Bewegung beinhalten konnte. Zwei der AutorInnen extrahierten unabhängig voneinander die Daten und bewerteten das Risiko für Bias sowie die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz unter Verwendung des GRADE-Ansatzes. Die untersuchten Endpunkte waren Schmerz, Gelenksteifigkeit, Griffstärke, gesundheitsbezogene Lebensqualität, krebsspezifische Lebensqualität, Adhärenz, unerwünschte Ereignisse, Inzidenz von AIMSS, brustkrebsspezifisches Überleben und Gesamtüberleben. Für kontinuierliche Endpunkte wurden Mittelwertdifferenzen (MD) berechnet. Für jene Endpunkte, die anhand unterschiedlicher Instrumente ermittelt wurden, wurden standardisierte Mittelwertdifferenzen (SMD) bestimmt. Für dichotome Endpunkte wurden die Ergebnisse als Odds Ratio (OR) berichtet.
Es wurden sieben Studien mit 400 TeilnehmerInnen eingeschlossen. Während eine Studie Bewegungsübungen zur Prävention von AIMSS untersuchte, evaluierten die anderen sechs Studien die Behandlung von AIMSS. Zur Vorbeugung gab es in der einen Studie keinen Unterschied zwischen den Gruppen in Bezug auf die Schmerzwerte, Griffstärke oder Adhärenz bei der Einnahme von AI-Medikamenten. Die Datenwerte wurden in der Studie nicht berichtet, und es wurden keine anderen Ergebnisse berichtet.
Hinsichtlich der Behandlung war die Evidenz für die Wirksamkeit von Bewegungstherapien auf die Gesamtveränderung der schlimmsten Schmerzwerte sehr unsicher (SMD = –0,23, 95%-Konfidenzintervall [KI]: –0,78–0,32; 4 Studien, 284 Frauen; Evidenz von sehr niedriger Vertrauenswürdigkeit).
In Bezug auf die Gesamtveränderung der Gelenksteifigkeitswerte deutete die Evidenz darauf hin, dass Bewegungstherapien zu wenig bis keinem Unterschied führten (Western Ontario McMasters Universities Osteoarthritis Index [WOMAC] Steifigkeitsscore: MD = –0,76, 95%-KI –1,67–0,15 und Visual Analogues Scale [VAS] Steifigkeitsscore: MD = –0,42, 95%-KI –2,10–1,26; 1 Studie, 53 Frauen; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz).
Evidenz weiterer Endpunkte: Die Evidenz war außerdem sehr unsicher für die Endpunkte der Gesamtveränderung der Griffstärke (MD = 0,30, 95%-KI –0,55–1,15; 1 Studie, 83 Frauen; sehr geringe Vertrauenswürdigkeit), der Gesamtveränderung der krebsbezogenen Lebensqualität (MD = 4,58, 95%-KI −0,61–9,78; 2 Studien, 136 Teilnehmerinnen; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz) und der Adhärenz hinsichtlich der Einnahme der AI-Medikamente (OR 2,43, 95%-KI 0,41–14,63; 2 Studien, 224 Frauen; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz).
Es wurden in beiden Armen der Studien keine unerwünschten Ereignisse identifiziert (0 berichtete Ereignisse; 4 Studien; 331 Teilnehmerinnen; Evidenz von niedriger Vertrauenswürdigkeit). Zur Inzidenz von AIMSS, zum brustkrebsspezifischen Überleben und zum Gesamtüberleben wurden keine Daten berichtet.
Schlussfolgerungen der StudienautorInnen: Trotz der nicht eindeutigen Ergebnisse sollte Bewegung Teil der Routineversorgung von Frauen mit Brustkrebs sein, da sie eine Vielzahl an Vorteilen bietet. Dennoch sind weitere randomisierte kontrollierte Phase-III-Studien mit ausreichender statistischer Trennschärfe notwendig, um Bewegungsinterventionen gezielt auf die wichtigsten klinischen Endpunkte im Kontext dieser Art von Brustkrebs und Behandlung zu untersuchen.
Roberts et al. untersuchten in ihrer systematischen Übersichtsarbeit die Wirksamkeit von Bewegungsinterventionen zur Prävention oder Behandlung von AIMSS. Frauen, die von AIMSS betroffen sind, haben Schwierigkeiten mit der Adhärenz hinsichtlich ihrer adjuvanten Brustkrebstherapie. Bislang gibt es nur wenige Erkenntnisse über die Behandlungsmöglichkeiten. Dies kann dazu führen, dass Gesundheitsfachpersonen sich in der Beratung zum Symptommanagement unsicher fühlen. Da mangelnde Adhärenz schwerwiegende Auswirkungen auf das Überleben der Patientinnen haben kann, gewinnt diese Thematik zunehmend an Relevanz und steht zu Recht im Fokus der Übersichtsarbeit. Die StudienautorInnen stützten ihr methodisches Vorgehen auf die Vorgaben des Cochrane Handbooks und setzten dieses nachvollziehbar und adäquat um. Die eingeschlossenen Studien wurden in Australien, Kanada, Japan, im Vereinigten Königreich und in den USA durchgeführt. Die Übertragbarkeit von Bewegungstherapien im Kontext der adjuvanten AI-Therapie in den österreichischen Kontext kann angenommen werden.