Cancer Nurse – Drehscheibe der Krebsversorgung

Nach einem weiteren Workshop im Frühjahr 2023 und einer Präsentation der ersten Ergebnisse auf der Frühjahrstagung der OeGHO und AHOP 2023 in Innsbruck wurde das finale Forderungspapier am 21. Juni 2023 im Rahmen einer Pressekonferenz durch Harald Titzer, BSc MSc (AHOP-Präsident), Prim. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Hilbe (OeGHO-Past-President), Franziska Moser, BA MA (Pflegedirektorin Uniklinikum Salzburg), Mag.a Elisabeth Potzmann (ÖGKV-Präsidentin) und Daniela Haselmayer, BSc MSc (Cancer Nurse) vorgestellt (Abb. 1).

Prognosen zeigen dringenden Handlungsbedarf

Die österreichische Bevölkerung wird bis 2040 um rund 5 % wachsen, und der Anteil der älteren Personen wird sich überproportional um 46 % erhöhen. Somit ist im Jahr 2040 mit knapp 2,5 Millionen älteren Menschen zu rechnen. Das bedingt eine deutliche Zunahme der zu versorgenden Krebspatient:innen in den kommenden Jahren. Gleichzeitig sind Krebsvorsorgeprogramme und Innovationen in der Diagnostik und Therapie erfolgreich, weshalb Krebspatient:innen länger leben. All diese Effekte ergänzen sich und bedingen, dass sich die Anzahl der zu versorgenden Krebspatient:innen bis 2040 vermutlich verdoppeln wird.

Patient:innen fordern zentrale Ansprechperson

Patient:innen profitieren von einer kontinuierlichen Begleitung durch eine Cancer Nurse, die individuell bedürfnisorientiert agiert. Weiters sind der Kontakt zwischen den Behandlungsterminen, die Navigation im oft hochfragmentierten onkologischen Versorgungsprozess und das Nahtstellenmanagement zwischen intramuralem Bereich und extramuralen Angeboten weitere Handlungsfelder.

„Cancer Nurse“: Klarstellung der Definition und Rollenbild

Die Rolle der Cancer Nurse wurde bereits im Kompetenzmodell für Pflegeberufe des Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbands (ÖGKV), des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK) und des Schweizer Berufsverbands der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK) (2013) beschrieben. Sie nimmt die Rolle einer Expertin/eines Experten für hämatologische und onkologische Pflege ein und basiert auf dem Cancer Nursing Education Framework der EONS (European Oncology Nursing Society). Für die Spezialisierung einer DGKP zur Cancer Nurse entsprechend § 17 des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes (GuKG) sind mindestens zwei Jahre Berufserfahrung in der Hämatologie und/oder Onkologie erforderlich. Die Expertengruppe empfiehlt hierfür die Implementierung des EONS Cancer Nursing Education Framework.

Das Kompetenz- und Aufgabenprofil einer Cancer Nurse:

  • holistische und kontinuierliche Begleitung und Betreuung onkologischer und hämatologischer Patient:innen ab der Diagnosestellung bis hin zur Nachsorge
  • Symptom- und Nebenwirkungsmanagement
  • Management komplexer onkologischer und hämatologischer Pflegesituationen und Problemstellungen
  • Edukationsmaßnahmen (Beratung, Schulung, Information)
  • Patientenmanagement (Navigator:in)
  • aktive Partizipation an interprofessionellen medizinischen und pflegerischen Erst- und Fallgesprächen sowie Tumorboards
  • Beteiligung an (Pflege-)Forschungsprojekten und organisationsspezifischen Entwicklungen (Change Management)
  • Teilnahme an ethischen Fallbesprechungen bzw. Reflexionen

Zukünftige Erweiterung der Rolle als Advanced Cancer Nurse

Eine Advanced Practice Nurse (APN) mit Fokus auf Cancer Care kann als Advanced Cancer Nurse bezeichnet werden. Die Merkmale einer APN sind die Spezialisierung auf ein bestimmtes Fachgebiet und die Erweiterung der pflegerischen Praxis.

Kernkompetenzen der universitär ausgebildeten Advanced Cancer Nurse sind ergänzend zum Aufgaben-/Tätigkeitsprofil der Cancer Nurse (basierend auf dem Modell von Hamric et al., 2014) zu sehen (beispielhafte Aufzählung):

  • Anleitung und Coaching (Fortbildungen, Entwicklung von Fachkenntnissen)
  • Beratung (Patientenedukation, Beratung des Managements)
  • evidenzbasierte Praxis (Forschungskompetenz)
  • Leitung und Führung (gemeinsame Zielsetzung für Versorgung)
  • Zusammenarbeit (Abstimmung mit anderen Berufsgruppen)
  • ethische Entscheidungsfindung

Forderung zur schrittweisen Etablierung der Cancer Nurse

In Anbetracht der aktuellen Formulierung im § 17 (3) GuKG zu Spezialisierungen in der Pflege (5.4.2020) empfiehlt die Expertengruppe eine schrittweise Etablierung unter Voraussetzung der Aufhebung einer Ausbildungsverpflichtung innerhalb von fünf Jahren nach Aufnahme der Tätigkeit. Unter Berücksichtigung dieser Aufhebung werden nicht 100% des Pflegepersonals eine zielgruppenspezifische Spezialisierung nachweisen müssen, sondern entsprechend unserer Empfehlung zur Erweiterung im Österreichischen Strukturplan Gesundheit (ÖSG).

Forderung 1: Festschreibung der Cancer Nurse/Advanced Cancer Nurse im ÖSG – strukturelle Vorgaben für die unterschiedlichen Versorgungsstufen in der Onkologie
Erklärung: An einem Krebszentrum (ONKZ und ONKS) arbeiten viele Abteilungen mit unterschiedlichen Fachrichtungen zusammen. Einzelne Abteilungen haben ihren Fokus auf der ganzheitlichen Betreuung von Krebspatient:innen (z.B. Hämatologie und medizinische Onkologie; Pneumologie; Palliativmedizin), andere haben ihren Fokus auf spezifischen Dienstleistungen (z.B. Endoskopie, Operationen, Radiologie). Die Rolle der Cancer Nurse und Advanced Cancer Nurse soll daher an klinischen Abteilungen, an denen die ganzheitliche Betreuung inkl. der medikamentösen Tumortherapie erfolgt, etabliert werden. Zudem ist festzuhalten, dass die einzelnen Abteilungen einen unterschiedlich ausgeprägten Fokus auf die onkologische Betreuung haben (gelegentlich [0–25 % der Fälle], regelmäßig [26–50 %], mehrheitlich [51–75%], ausschließlich [75–100 %]).

Forderung 2:Gesetzliche Verankerung einer gestuften Spezialisierung zur Cancer Nurse im § 17 GuKG (Spezialisierungen)
Aufnahme der Spezialisierung Cancer Nurse im § 17 GuKG zum Erwerb einer zielgruppenspezifischen Spezialisierung von diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegepersonen. Diese Spezialisierung umfasst 60 ECTS und ist für akademische und nichtakademische diplomierte Pflegepersonen zugänglich (Abb.2).

Abb. 2: Gestufte Spezialisierung der Cancer Nurse (Fachkarriere)

Forderung 3: Erweiterung der Verordnung für Spezialaufgaben um das Qualifikationsprofil der Cancer Nurse
Aufnahme des Qualifikationsprofils der Cancer Nurse in die Verordnung über Sonderausbildungen für Spezialisierungen in der Gesundheits- und Krankenpflege (GuK-SV). Damit einhergehend eine Vereinheitlichung der Ausbildungsinhalte sowie der Ausbildungsdauer gemäß dem European Cancer Nursing Education Framework der EONS (i.d. g.F.) an allen Bildungsinstitutionen.

Forderung 4: Gesetzliche Verankerung der Spezialisierung Advanced Cancer Nurse und Erweiterung der Verordnung für Spezialaufgaben um das Qualifikationsprofil der Advanced Cancer Nurse
Aufnahme der Spezialisierung Advanced Cancer Nurse im § 17 GuKG. Diese Spezialisierung umfasst 120 ECTS und baut auf die Spezialisierung Cancer Nurse auf (Abb. 2). Aufnahme des Qualifikationsprofils der Advanced Cancer Nurse (im Sinne einer APN) in die Verordnung über Sonderausbildungen für Spezialisierungen in der GuK-SV.

Forderung 5: Etablierung von Fachkarrieren in Anlehnung an eine Führungskarriere im Pflegebereich auch durch eine angemessene Gehaltseinstufung
Mit diesem Hintergrund bietet das Berufsbild der Cancer Nurse und der Advanced Cancer Nurse neue Perspektiven und Karrierechancen für Pflegepersonen – was das Berufsbild attraktiver macht. Eine Finanzierung der Weiterbildung/des Studiums und die Abbildung der Zusatzqualifikation in der Bezahlung ist hierfür notwendig.

Die Expertengruppe fordert daher alle Entscheidungsträger:innen auf, das Positionspapier zu unterstützen und einen Beitrag zur schrittweisen Etablierung zu leisten. Details können auf der AHOP-Website unter www.ahop.at nachgelesen werden.

Kommentar


Franziska Moser, BA MA

Pflegedirektorin, Unikinikum Salzburg

Rollenentwicklungsprozesse in der Pflege bedingen ein hohes Maß an Führungsaufmerksamkeit, vor allem aber auch systematische Personalentwicklungsprogramme. Hierfür müssen in einem ersten Schritt jene Pflegepersonen identifiziert werden, die über die notwendigen Basiskompetenzen verfügen. Zu diesen sind sowohl ausreichend klinische Praxiserfahrung als auch Kompetenzen im Bereich Leadership zu zählen. Durch die Schaffung von Assessment-Centern können diese Potenzialanalysen entsprechend gelingen. Von großer Relevanz ist es zudem, hochmotivierten Mitarbeiter:innen, die die (Höher-)Qualifizierung zur Cancer Nurse erlangen wollen, finanzielle Förderprogramme anbieten zu können, damit beispielsweise die Studiengebühren für die Ausbildung aufgebracht werden können. Um eine neue Rolle, wie in diesem Fall jene der Cancer Nurse, an einem Klinikstandort überhaupt etablieren zu können, insbesondere wenn es an Rollenmodellen fehlt, ist es die Aufgabe der jeweiligen Pflegedirektionen, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen; Stichwort Trainee-Programme. Durch die Tertiärisierung, sprich die Überführung der Ausbildung an die Fachhochschule, wird die Durchdringung von Bachelor-Absolvent:innen in der Gesundheits- und Krankenpflege österreichweit immer höher. Jene Kolleg:innen werden innerhalb der nächsten 5 bis 10 Jahre in die klinische Praxis kommen – dementsprechend benötigen wir in den einzelnen Häusern individualisierte Entwicklungs- und Ausbildungsprogramme. Durch den Einsatz von Cancer Nurses werden zahlreiche positive Outcomes beschrieben, wie z.B. verbessertes Symptom- und Selbstmanagement oder Reduktion ungeplanter Krankenhausaufenthalte. Es ist somit eindeutig, dass es dieser hochqualifizierten und -spezialisierten Pflegekräfte bedarf, um (vor allem den stationären) Spitalsbereich österreichweit deutlich zu entlasten.