Derzeit zwingt die uns alle betreffende COVID-19-Pandemie, physische Kontakte zu reduzieren. Zusätzlich besteht weiterhin die altbekannte Thematik des demografischen Wandels mitsamt den entsprechenden Auswirkungen: Die Weltbevölkerung wächst durch die fortschrittlichere Medizin, es erkranken mehr Menschen an chronischen Krankheiten, der Bedarf an medizinischer Unterstützung steigt, und es besteht weiterhin ein erhöhter Bedarf an mehr Klinik- und Pflegepersonal. Dies verdeutlicht, dass eHealth-Anwendungen im Gesundheitswesen von zunehmender Bedeutung sind. In der Software von Docobo® liegen nun nahezu zwei Jahrzehnte Entwicklung und Forschung, überwiegend im UK.
Die EU-Grant-Studie eSMART1 (electronic Symptom Management using the Advanced Symptom Management System [AsyMS] Remote Technology) wurde in den Jahren 2014–2019 an zwölf Kliniken in fünf europäischen Ländern durchgeführt. Die Medizinische Universität Wien war der einzige deutschsprachige Standort und mit insgesamt 140 an Krebs erkrankten Patient:innen (Brustkrebs, Dickdarmkrebs, Hodgkin- und Non-Hodgkin-Lymphome) involviert. Das Zufallsprinzip entschied, ob der:die an der Studie teilnehmende Patient:in der Interventions- oder der Kontrollgruppe zugeteilt wurde. Beide Studiengruppen erhielten den bewährten Behandlungsstandard. Die Interventionsgruppe erhielt zusätzlich ein smartphoneähnliches Gerät mit nach Hause. Zwei Funktionen waren mit dem Smartphone verknüpft: tägliche Symptomerhebung sowie evidenzbasierte Information und Aufklärung zur Erkrankung und zu den möglichen Nebenwirkungen.
Nach fünfminütiger Symptomeingabe in das Smartphone wurden diese datenschutzkonform und in Echtzeit an den Server übertragen. Ebenso in Echtzeit werden die Daten anhand eines Algorithmus ermittelt und entsprechend einer Kodierung zugeordnet – gemäß dem Ampelprinzip. Bei Grün geht es dem:der Patient:in momentan gut. Bei Gelb besteht Handlungsbedarf – das Team, bestehend aus Pflegepersonen und Ärzt:innen, hat 8 Stunden Zeit, um auf den Alarm zu reagieren. Ein roter Alarm muss innerhalb der nächsten 30 Minuten beantwortet werden, möglicherweise liegen Fieber oder andere schwerwiegendere Symptome vor. Die gelben und roten Alarme erreichen das Team ebenfalls mit einem smartphoneähnlichen Gerät. Wird ein Alarm ausgelöst, so erscheint auf dem Klinik-Gerät die Farbe des Alarms, die Initialen des:der Patient:in sowie die derzeit bestehenden Symptome. Um auf den Alarm zu reagieren, loggt sich der:die Kliniker:in auf der Onlineplattform ein, klickt auf den Alarm, und es öffnet sich ein speziell auf die bestehende Symptomatik angepasster Fragebogen, der gemeinsam mit dem:der Patient:in am Telefon besprochen wird (Abb.).
Die tägliche Symptomaufzeichnung ermöglicht die grafische Darstellung eines Symptomverlaufs. Dies erleichtert letztendlich auch den Alltag des Klinikpersonals. Kontrolltermine oder Vorbesprechungen lassen wieder mehr Zeit für die Begegnung zwischen Patient:in und Arzt:Ärztin zu, da die Symptome und der Krankheitsverlauf der letzten Wochen bereits im Krankenhaussystem gespeichert sind, somit vorliegen und nicht mehr erhoben werden müssen. Die kurze wertvolle Zeit im Arzt:Ärztin-Patient:in-Gespräch kann also für die persönlichen Anliegen des:der Patient:in genutzt werden. Der individuelle Symptomverlauf kann via elektronischer Gesundheitsakte (ELGA) ins Krankenhausinformationssystem integriert werden.
Insgesamt konnte anhand von 829 Studienteilnehmer:innen innerhalb der EU gezeigt werden, dass es zu einer signifikanten Verbesserung in der Interventionsgruppe (Telemedizin-Arm) im Vergleich zum bisherigen Behandlungsstandard (Kontrollgruppe) geführt hat. Hinsichtlich gesundheitsbezogener Lebensqualität (FACT-G), Unterstützungsbedarf (SCNSSF34), State-Trait-Angst (STAI-Y), Selbstwirksamkeit (CASE-Cancer) und Arbeitseinschränkungen (WLQ) blieb die Symptombelastung in der Interventionsgruppe auf dem Niveau vor der Chemotherapie, während die Kontrollgruppe (Standardbehandlung) ab Zyklus 1 einen Anstieg berichtete. Der Bedarf an unterstützender Pflege war für die meisten SCNS-SF34-Domänen in der Interventionsgruppe niedriger, einschließlich der Bedürfnisse im Bereich Sexualität, Pflege- und Unterstützungsbedarf und körperliche Bedürfnisse sowie Bedürfnisse des täglichen Lebens.
Heute können wir festhalten, dass die Entwicklung kontinuierlich fortgeschritten ist. Aus der eSMART-Studie geht nun das ebenso CE-zertifizierte Medizinprodukt Doc@Home® hervor. So kann mittlerweile sowohl auf das smartphoneähnliche Patient:innen- als auch Kliniker:innen-Gerät verzichtet werden, da die Software bereits in Form einer App im App Store (Apple-Geräte) sowie auch bei Google Play (Android-Geräte) verfügbar ist. Nach Registrierung der:des Patient:in auf der Online-Plattform wird ein zehnstelliger persönlicher Code erstellt, der benötigt wird, um die App mit dem hinterlegten Profil zu verknüpfen. So findet das CE-(Class-I-and-IIA-)zertifizierte Medizinprodukt datenschutzkonform seinen Einsatz. Gleichzeitig wird dadurch im Vergleich zur eSMART-Studie die individualisierte Unterstützung noch persönlicher: Wir haben mit Doc@Home® die Möglichkeit, speziell auf die Erkrankung und Medikation des:der Patient:in abgestimmte Informationen bereitzustellen sowie anhand evidenzbasierter Fragebögen (PROM) den aktuellen Gesundheitszustand des:der Patient:in zu erfragen. Darüber hinaus wird es zukünftig möglich sein, via Videotelefonie über die Online-Plattform mit dem:der Patient:in in Kontakt zu treten oder Erinnerungsfunktionen zu programmieren, was die korrekte Medikamenteneinnahme unterstützen soll.