Brustkrebs ist laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit 2,3 Millionen betroffenen Frauen pro Jahr weltweit die häufigste Krebserkrankung. Dies bedeutet, dass etwa jede vierte aller neu diagnostizierten Krebserkrankungen auf Brustkrebs fällt. Zusätzlich verursacht Brustkrebs mit 15 % die meisten krebsbedingten Todesfälle bei Frauen.1 Für viele Betroffene und deren Angehörige ist der Erhalt der Diagnose Brustkrebs mit großen Belastungen und starken Emotionen wie Hilflosigkeit und Angst rund um das eigene Leben verbunden. Zeitgleich muss jede an Brustkrebs erkrankte Frau schwierige Entscheidungen in Bezug auf die Therapie und die daraus resultierenden Nebenwirkungen, wie Brustverlust, Haarausfall und Erschöpfung, treffen. Gleichzeitig müssen sie sich mit der Vereinbarkeit der Erkrankung mit ihrer Familie und ihrem Beruf auseinandersetzen.2 Mit Beginn der Behandlung entsteht zusätzlich Unsicherheit, da Betroffene sich nicht nur mit der Erkrankung, sondern auch mit der Komplexität des Gesundheitssystems befassen müssen, da der Behandlungsprozess den Kontakt zu einer Vielzahl von Fachpersonen beinhaltet.
Hoher Bedarf an vertiefender und ganzheitlicher Expertise: Durch die hohe Zahl der Betroffenen und die immer wachsende Spezialisierung in Medizin und Pflege ist der Bedarf an vertiefender und ganzheitlicher Expertise groß. Breast Care Nurses (BCN) bringen genau diese Expertise mit und können Patient:innen bereits von Diagnosestellung an, während des gesamten Therapieprozesses und in der Nachbehandlung unterstützend zur Seite stehen.3
Grundstein für die Entwicklung der Rolle der Breast Care Nurse legten in den 1980er-Jahren im Vereinigten Königreich durchgeführte Studien von Maguier. Dabei wurden erstmals die psychosozialen und emotionalen Bedürfnisse von Frauen mit Brustkrebs dargestellt. Die Notwendigkeit sowohl psychischer als auch physischer Pflege, um die Genesung der Frauen zu unterstützen, wurde hier aufgezeigt. In den letzten 20 Jahren folgten Länder wie die USA, Australien und Skandinavien mit der Einführung und Weiterentwicklung dieses Berufsbildes. Mit der Etablierung von Brustgesundheitszentren und der im Jahr 2000 veröffentlichten Anforderungen an diese Zentren durch die European Society of Mastoloy (EUSOMA) wurden zunehmend BCN auch in Deutschland und Österreich etabliert.2
Die BCN in einem multiprofessionellen Team eines Brustgesundheitszentrums nimmt viele verschiedene Rollen in der Betreuung der Brustkrebs-Patient:innen ein (Abb.). Sie können von Klinik, Abteilung und zwischen ambulantem und stationärem Setting stark variieren, da der Zeitpunkt des Patientenkontakts während der Behandlung unterschiedlich ist und demnach die Bedürfnisse der Betroffenen ebenso verschieden sein können. Die Tätigkeiten der BCN orientieren sich aber immer an den Wünschen der Patient:innen. Die BCN hilft Betroffenen ab dem Zeitpunkt der Diagnose im ambulanten Setting nicht nur bei der Terminkoordination für den gesamten Behandlungsprozess, sondern gibt genügend Informationen, um die geplante Therapie zu verstehen und Entscheidungen treffen zu können. Das gezielte und kontinuierliche Informationsmanagement der BCN hilft Patient:innen, gut informiert durch ihre Therapie zu kommen und befähigt sie, selbstbestimmt durch die Behandlung zu gehen, aber auch praktische Tipps und Tricks währenddessen anzuwenden, wie beispielsweise beim Symptommanagement während der Chemotherapie. Gleichzeitig liegt ein wichtiger Schwerpunkt auf der psychosozialen Begleitung und Betreuung betroffener Patient:innen. Die Betroffenen haben durch die Begleitung die Möglichkeit über ihre Trauer, Sorgen und Ängste zu sprechen, diese zu akzeptieren und gemeinsam mit der BCN Perspektiven und Strategien für den täglichen Umgang mit einer solchen lebensverändernden Krankheit zu entwickeln. Insbesondere die Beratung von Patient:innen über Coping-Mechanismen während der Behandlung und die Einbeziehung von Angehörigen ist essenziell für den Tätigkeitsbereich der BCN.
Körperbildarbeit: Die Körperbildarbeit ist ebenso eine wichtige Kernkompetenz der BCN. Diese startet im besten Fall bereits im Rahmen der Voruntersuchungen. Mit den Betroffenen wird in deren Rahmen besprochen, welche Auswirkungen die verschiedenen Untersuchungen und Therapien auf das Körperbild haben können. Nach Operationen an der Brust wird der erste postoperative Verbandswechsel von der BCN gemeinsam mit der Patientin durchgeführt. Die BCN kann dabei die psychische Situation in Bezug auf das eigene Körperbild einschätzen und danach handeln. Auf diese Weise kann der Prozess der Veränderung des Körperbildes optimal begleitet werden. Zur Körperbildarbeit bei Brustkrebs-Erkrankten zählen ebenso die BH- und Prothesenberatung und -versorgung, aber auch die Beratung bei Haarausfall während der Chemotherapie und die Unterstützung bei der Versorgung mit Kopftüchern beziehungsweise Perücken.4
Da es weder national noch international Standards oder Stellenbeschreibungen für das Berufsbild der BCN gibt und Brustgesundheitszentren lediglich die Anforderung seitens der zertifizierenden Stellen haben, dass zumindest zwei BCN in besagten Zentren vorhanden sein müssen, jedoch kein Stundenausmaß für die Tätigkeit vorgegeben wird, ergibt sich für den Großteil aller Pflegepersonen des gehobenen Dienstes mit Weiterbildung zur BCN in Österreich, dass sie für ihre Tätigkeiten nicht freigestellt werden oder nur für ein geringes wöchentliches Stundenausmaß und die Aufgaben als BCN nur nebenbei und nur bei Ressourcen, die bei der aktuellen Lage im Gesundheitssystem besonders knapp sind, ausgeführt werden können.
Gründung der AG BCN: Diese Hürden und die fehlende Vernetzung unter den BCN in Österreich waren ausschlaggebend für die Gründung der Arbeitsgemeinschaft der Breast Care Nurses (AG BCN) innerhalb der AHOP. Ziel dieser AG ist, genau diese Herausforderungen nach außen aufzuzeigen und daraus Chancen für das zukünftige Berufsbild der BCN hervorzuheben und umzusetzen. Die unterschiedlichen Anforderungen in den Kliniken, aber auch die verschiedenen Lösungen in den Bundesländern sollen diskutiert und damit das Berufsbild der BCN weiterentwickelt werden. Die AG BCN möchte weiters die Vernetzung der BCN in Österreich fördern und Raum und Zeit für Austausch geben. Regelmäßige Fortbildungen und Workshops können mit der Unterstützung der AHOP für österreichische BCN angeboten werden.
Derzeit wird in der AG BCN das Programm für das Breast-Care-Nurse-Symposium am 18. September 2023 in Wien geplant.