Krebs ist weltweit die häufigste Todesursache bei Erwachsenen über 70 Jahre und eine Erkrankung, die für ältere Menschen neben den funktionellen Herausforderungen auch physische und psychische Probleme zur Folge haben kann. Ältere Erwachsene mit Krebs weisen eine höhere Prävalenz an funktionellen Einschränkungen, geriatrischen Syndromen und Gebrechlichkeit auf als ältere Erwachsene ohne onkologische Erkrankung. Komorbiditäten müssen bei dieser Zielgruppe speziell berücksichtigt werden, da deren medikamentöse Therapien das Risiko von unerwünschten Arzneimittelwechselwirkungen mit onkologischen Therapien erhöhen können. Es wird empfohlen, das Risiko für komplexe Probleme, mit denen ältere Erwachsene mit Krebs konfrontiert sein können, durch ein geriatrisches Assessment vor der onkologischen Behandlung einzuschätzen. Dies wird jedoch in der klinischen Praxis nicht durchgängig praktiziert, so dass ältere Erwachsene und ihre betreuenden Personen ihre Krebserkrankung mit den Komorbiditäten oftmals eigenständig bewältigen müssen. Trotz des zunehmenden Trends zum Selbstmanagement bei Krebs und des professionellen Auftrags, dieses zu fördern, gibt es unzureichendes Wissen über die spezifischen Komplexitäten des Selbstmanagements älterer Erwachsener mit Krebs und Multimorbidität.
Ziel war die Erweiterung der Wissensbasis über die Erfahrungen von älteren Erwachsenen mit Selbstmanagement bei Krebs und Multimorbidität. Folgende Forschungsfrage war dabei leitend: Was sind die Erfahrungen und Herausforderungen älterer Erwachsener beim Selbstmanagement einer Krebsdiagnose und -behandlung im Kontext von Multimorbidität?
Es wurde ein qualitativ-deskriptiver Forschungsansatz gewählt. Die Rekrutierung fand in einer kanadischen Provinz in einer öffentlichen Gesundheitseinrichtung statt. Eingeschlossen wurden ältere Erwachsene, welche die folgenden drei Kriterien erfüllten: Alter von 60 Jahren oder älter, Krebsdiagnose innerhalb der letzten 18 Monate und Diagnose von mindestens einer anderen chronischen Erkrankung. Die Patient:innen, welche die Einschlusskriterien erfüllten, wurden über das zugehörige Krebszentrum identifiziert und rekrutiert, indem ihnen eine Einverständniserklärung und ein Informationsschreiben zur Studie zugesandt wurden. Für die Datenerhebung wurde ein Interviewleitfaden auf Basis von Literatur über Selbstmanagement und geriatrische Onkologie entwickelt, um die Erzählung der Teilnehmenden anzuregen. Die Teilnehmenden füllten außerdem einen demografischen Fragebogen und den Multimorbidity Treatment Burden Questionnaire (MTBQ) aus. Der MTBQ ist ein zehn Punkte umfassender Fragebogen zur Bewertung der Behandlungsbelastung von Personen. Er wurde ausschließlich zu qualitativ-deskriptiven Zwecken eingesetzt, um die Fähigkeit der Teilnehmenden, mit ihrer Multimorbidität umzugehen, besser zu verstehen. Die Telefoninterviews wurden digital aufgezeichnet und anschließend wortwörtlich transkribiert. Für die Datenauswertung wurde eine thematische Analyse durchgeführt. Dabei wurden Themen gemeinsamer Erfahrungen durch Identifizierung, Analyse und Interpretation von Bedeutungsmustern innerhalb der Daten entwickelt.
Es nahmen 14 Personen – zehn Frauen und vier Männer – an der Studie teil. Das
Durchschnittsalter der Studienteilnehmenden war 74 Jahre. Die Patient:innen wiesen zwischen einer und vier chronischen Komorbiditäten auf. Herz-Kreislauf-Erkrankungen waren die häufigste Begleiterkrankung (n = 8), gefolgt von Arthritis (n= 6). Die häufigste Krebsdiagnose war Brustkrebs (n = 7).
Es wurden drei Themen identifiziert:
Die Ergebnisse führen zu dem Schluss, dass ältere Erwachsene mit Krebs und Multimorbidität Unterstützung beim Selbstmanagement benötigen. Pflegefachpersonen können sie auf das Selbstmanagement vorbereiten, indem sie ihre Fähigkeiten einschätzen und Bedarf für zusätzliche Unterstützung identifizieren. Künftige Forschung sollte sich auf die systematische Entwicklung von Selbstmanagement-Interventionen konzentrieren, die auf die spezifischen Bedürfnisse älterer Menschen eingehen.
Die Innovation der Arbeit geht aus dem Problemaufriss nicht eindeutig hervor, da der Forschungsstand zum primären Fokus der Studie nicht dargestellt ist und damit die Wissenslücke nicht erkenntlich wird, obgleich die Praxisrelevanz der Arbeit anhand der genannten Häufigkeiten und Belastungen der Betroffenen sowie des Stellenwerts von Pflegefachpersonen im Kontext von Selbstmanagement deutlicher wird. Hinsichtlich der wissenschaftlichen Güte kann festgehalten werden, dass die Glaubwürdigkeit durch die Offenlegung der involvierten Personen und ihrer Rollen bei der Durchführung der Studie gegeben ist. Hinsichtlich der Verlässlichkeit ist angegeben, dass die Studienautor:innen eine längere Zeit mit der Analyse der Daten beschäftigt waren, dennoch geht der genaue Zeitraum sowie die Dauer im Forschungsfeld nicht hervor. Im Weiteren wurde laut den Autor:innen eine Datensättigung erreicht, allerdings bleibt offen, wie diese vorab definiert wurde.
Dennoch fanden die Kriterien der Verlässlichkeit und der Angemessenheit insofern Berücksichtigung, als zwei Personen in den Kodierungsprozess und mehrere in den gesamten Analyse- und Forschungsprozesses involviert waren. Außerdem wurde zusätzlich zu den Interviews eine weitere Datenquelle herangezogen, was eine vielfältigere Perspektive zur Interpretation der Daten ermöglicht. Die Übertragbarkeit auf andere Settings oder Gruppen ist einerseits durch die Heterogenität des Samples und andererseits durch die dichten und erzählerischen Beschreibungen sowie durch eine Vielzahl an aussagekräftigen Zitaten der Teilnehmenden unterstützt.