Das Eröffnungspflegesymposium „Initiative Cancer Nurse“ stand ganz im Zeichen des Tagungsthemas „Wissen schafft Fortschritt“. Mit diesem Beitrag finden Sie eine Nachlese zu den beiden Vorträgen dieser Session, die von den Vortragenden Martina Spalt, BSc, und Ass.-Prof. Priv.- Doz. Dr. Andre Ewers exklusiv für die Leser:innen der AHOP-News aufbereitet wurden. Informieren Sie sich in diesem Beitrag nicht nur, warum professionelle Pflege in der Onkologie unabdingbar und mehr als nur eine Spezialisierung ist, sondern erfahren Sie durch die Expertenkommentare auch, weshalb es professionelle Pflegekräfte in der Onkologie braucht und welche Bedeutung der Cancer Nurse in der klinischen Praxis zukommt.
Autor: Andre Ewers
Der Fachbereich der Onkologie ist seit jeher ein Bereich, in dem, durch Forschung getriggert, ständig neue medizinische Therapien entwickelt und angewendet werden. Diese therapeutischen Innovationen führen in der Regel binnen kürzester Zeit zu praxisrelevanten Veränderungen im Sinne immer komplexer werdender pflegerischer Versorgungsbedarfen der Betroffenen. Diese zeigen sich vor allem in:
Aus diesen Versorgungsbedarfen heraus ergeben sich notwendige fachspezifische Qualifizierungen in der Pflege, die einerseits durch niederschwellige Fort- und Weiterbildungen, andererseits durch verschiedene Hochschulstudiengänge auf Bachelor-, Master- und Doktoratsniveau sichergestellt werden können. Pflegekräfte in der Onkologie benötigenheutzutage ein hohes Fachwissen sowie vielfältige Fähigkeiten, um die Anforderungen dieses komplexen Feldes bewältigen zu können.
Auf internationaler Ebene sei an dieser Stelle die European Oncology Nursing Society (EONS) genannt, die ein Ausbildungsframework für Pflegende entwickelte, welches die Kernkompetenzen der onkologischen Pflege umfasst. Durch gezielte Qualifizierungen der professionellen Pflegekräfte in der Onkologie gelingt es, den fachlichen Herausforderungen der Patientenversorgung auch in Zukunft gerecht werden zu können.
Autorin: Martina Spalt
Cancer Nurses bedeuten für onkologische Patient:innen einen Ankerpunkt in einer fragmentierten Versorgungsstruktur und in ständigem Fluss. Die Pandemie hat die besondere Vulnerabilität der hämatologischen und onkologischen Patient:innen offengelegt und die Relevanz von Spezialist:innen in diesem Bereich einmal mehr unterstrichen.
Advanced Nursing Practice rückt angesichts der demografischen und ökonomischen Gegebenheiten in Österreich/Europa zunehmend in das Rampenlicht.1 Insbesondere in der Onkologie ist in den letzten Jahren eine Verlagerung stationärer Behandlungen in den tagesklinischen und ambulanten Bereich zu verzeichnen. Damit geht die Herausforderung des weitgehend eigengesteuerten Symptomund Selbstmanagements der Patient:innen und derer Angehörigen im häuslichen Setting einher, denn Kontakte mit Gesundheitsprofessionist:innen sind auf kurze Zeitfenster reduziert.2–5
Gerade im onkologischen Bereich drängt eine Vielzahl an innovativen Therapiemöglichkeiten mit einhergehendem Auftreten neuer Symptomcluster auf den Markt.
Spezialist:innen sind in diesem komplexen, volatilen Versorgungskontext besonders gefragt.6 Eine der größten Herausforderungen für Patient:innen wird mit der Navigation im Gesundheitswesen beschrieben.7 Gerade deshalb kommt Cancer Nurses angesichts der fragmentierten Gesundheitsversorgung im Schnittstellenmanagement und in der Patientenedukation eine große Bedeutung zu.8 Insbesondere bei Diagnosestellung einer Krebserkrankung und dem Therapiebeginn ist ihr Einsatz besonders sinnvoll, denn an diesem Zeitpunkt treten häufig große Unsicherheiten bei Patient:innen auf.7 Cancer Nurses decken somit essenzielle Patientenbedürfnisse- und bedarfe ab, denn sie bieten Kontinuität als beständige Ansprechperson im Sinne einer therapeutischen Beziehung und einer Versorgung mit personenzentriertem Ansatz.6, 8, 9 Der Benefit von Advanced Nursing Practice ist zusätzlich zum Mehrwert für Patient:innen und Behandlungsteam in der Erhöhung der Attraktivität des Berufes zu sehen.10 Damit stellt sich Advanced Practice Nursing als ein Gewinn für alle Beteiligten dar. Dann schaffen wir doch gemeinsam die Rahmenbedingungen, diese Rollen wirklich zu leben!
Mag.a Claudia Altmann-Pospischek
Brustkrebsaktivistin und Bloggerin „Claudias Cancer Challenge“
Der Rucksack, den wir als metastasierte Patient:innen ungewollt umgeschnallt bekommen haben, wiegt äußerst schwer. Wir gelten als unheilbar, benötigen Dauertherapie und müssen mit Schmerzen und Nebenwirkungen zurechtkommen. Deshalb tut es gut, dass uns Cancer Nurses in dieser Ausnahmesituation den Weg weisen und uns helfen, diesen Rucksack zu tragen.
Ich bin 2013 an fortgeschrittenem Brustkrebs erkrankt und kenne den Unterschied, ob mit oder ohne Begleitung durch eine spezialisierte Breast Care Nurse – und dieser ist enorm. Gerade was die professionelle Pflege in der Onkologie betrifft, waren die positiven Entwicklungen in den letzten Jahren für mich deutlich sicht- und spürbar. Meine Breast Care Nurse ist erste Ansprechpartnerin auf Augenhöhe, unterstützt mit ihrem weitreichenden Know-how und fungiert als wichtiges Bindeglied zwischen Patient:in und Ärzt:in. Die Breast Care Nurse berät, informiert und motiviert nicht nur, sie hält auch ab und zu die Hand.Generell ist fachspezifisches Pflegepersonal in der Unterstützung von Krebspatient:innen unerlässlich. Cancer Nurses leisten wertvolle Arbeit ganz nah an denPatient:innen, bieten qualifizierte Begleitung und agieren als bedeutende Vertrauenspersonen.
Dafür meinen Respekt und ein großes Dankeschön!
Prim. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Hilbe
Vorstand der 1. Medizinischen Abteilung – Zentrum für Onkologie und Hämatologie mit Ambulanz und Palliativstation, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (OeGHO)
Wie können wir in den kommenden Jahren die Krebsversorgung auf dem gewohnt hohen Qualitätsniveau leisten, wenn wir gleichzeitig einen quantitativ steigenden Versorgungsbedarf erleben? Es gibt ein paar demografische Eckpunkte, die wir statistisch kalkulieren können. Die Bevölkerung wird wachsen, der Anteil der älteren Menschen wird überproportional zunehmen, geschätzt um 2 % pro Jahr – das macht ein Plus von 46 % bis 2040. Diagnostik und Therapie werden immer besser, in den letzten 10 Jahren hat die Prävalenz der Krebserkrankungen um 33 % zugenommen. Besser verträgliche Therapien ermöglichen, dass der Anteil an Krebspatient:innen, die auch in einem höheren Alter eine Therapie erhalten können, stetig steigt. In 3 Jahren hat dieser Anteil um 18 % zugenommen. Wenn wir alle diese Effekte gemeinsam betrachten, wird sich die Patientenzahl, die in 20 Jahren onkologisch versorgt werden muss, mindestens verdoppelt haben.
Welchen Einfluss nimmt die Digitalisierung, wenn wir in 20 Jahren die heute 40–50-jährigen Menschen begleiten? Diese Generation ist mit Smartphone und PC aufgewachsen, iPad und andere IT-Utensilien sind im Alltag integriert. Es werden aktuell bereits immer mehr telemedizinische Programme im Krankenhaus eingeführt, wo Patient:innen nicht mehr zwangsläufig viele Stunden wartend in den Ambulanzen verbringen müssen. Jedes Jahr werden 10 neue onkologische Arzneimittel zugelassen, in 20 Jahren wären das 200! Bei der Behandlung von älteren Menschen mit ihrer Polymorbidität und Polypharmazie werden wir uns sehr intensiv mit den Nebenwirkungen und Wechselwirkungen von Arzneimitteln beschäftigen müssen. Next-Generation Sequencing, komplexe Therapieentscheidungen und multiple Behandlungslinien werden zu einer Zentralisierung der intellektuellen Leistungen führen, gleichzeitig müssen wir versuchen, durch den Aufbau digitaler Netzwerkstrukturen die Betreuung wohnortnahe zu ermöglichen. In diesem Zukunftsmodell spielen spezialisierte Pflegekräfte („Cancer Nurses“) eine entscheidende Rolle. Sie werden verstärkt in der direkten Patientenbetreuung eingesetzt werden, werden sehr eng mit den Fachexpert:innen des ärztlichen Dienstes zusammenarbeiten. Sie werden die ITunterstützte telemedizinische Patientenführung betreuen und im klinischen Studienwesen mitarbeiten und damit einen niederschwelligen Zugang zur Innovation ermöglichen. Interprofessionelle Teams, bestehend aus professionellen Mitarbeiter:innen der unterschiedlichen Berufsgruppen (Ärzt:innen, Pflegekräfte, Psychoonkolog:innen, Ordinationshelfer:innen), werden gemeinsam eine hohe Qualität der Versorgung leisten. Die Zukunft hat bereits begonnen! Wir müssen heute beginnen, diese Strukturen zu implementieren und motivierte Pflegekräfte für eine Karriere als „Cancer Nurse“ zu begeistern.
Maria Röthlin
DGKP, akad. Gesundheitsmanagerin AHOP-Landeskontaktperson Oberösterreich
Ohne Zusatzqualifizierung in der onkologischen Fachpflege (z. B. Cancer Nurse) kann die geforderte Pflegequalität auf Dauer nicht aufrechterhalten bleiben. Die Komplexität der Behandlung von Tumorerkrankungen erfordert ein frühzeitiges Erkennen und ein bestmöglichstes Behandeln von Symptomen.
Eine weitere wesentliche Aufgabe der Cancer Nurse besteht darin, Betroffene im Selbstmanagement ihrer Symptome aktiv zu unterstützen und zu begleiten.