Initiative Cancer Nurse der AHOP

Der Komplexität begegnen

Die prognostische Prävalenz der an Krebs erkrankten Personen wird bis zum Jahr 2030 im Vergleich zum Jahr 2014 um rund 39 % steigen. Dies ist einerseits auf die höhere Lebenserwartung der ÖsterreicherInnen zurückzuführen, andererseits auf die höheren Überlebenschancen durch neue antineoplastische Therapien.6 Verbesserte Methoden bezüglich Screening, Diagnostik und Therapie resultieren in einer verlängerten Lebenszeit und bewirken die Wahrnehmung und Handhabung einer Krebserkrankung als chronische Erkrankung.7 Zusätzlich wird von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) eine zunehmende Verlagerung der stationären in die tagesklinische/ambulante Versorgung beschrieben. Sogenannte Null-Tage-Aufenthalte sind häufig mit onkologischen Behandlungen und Gaben von antineoplastischen Therapien verbunden.8 Durch die zunehmende Verschiebung in den ambulanten Bereich und erhöhte ökonomische Anforderungen an die Gesundheitsversorgung werden folglich Kontaktzeiten mit GesundheitsversorgerInnen reduziert. Die Bewältigung der daraus resultierenden Konsequenzen, insbesondere in Bezug auf das Selbstmanagement der Erkrankung und der unerwünschten Wirkungen der jeweiligen Therapien, stellen eine besondere Herausforderung für die betroffenen Personen und deren Angehörige dar.5, 7 Gleichzeitig wird im Survey der EU, durchgeführt 2014, bei beinahe 50 % der ÖsterreicherInnen eine insuffiziente Gesundheitskompetenz konstatiert.9 Im Krebsrahmenprogramm wurde diesbezüglich extra ein strategisches Ziel formuliert.10 Dieses besteht darin, durch ein breites und niederschwelliges Informationsangebot die Gesundheitskompetenz günstig zu beeinflussen. Um zukünftig eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung trotz straffer Ressourcenplanung gewährleisten zu können, müssen innovative Möglichkeiten der Gesundheitsversorgung angedacht werden. Advanced Practice Nurses (APN) stellen eine Möglichkeit dar, den oben beschriebenen Entwicklungen im österreichischen Gesundheitssystem zu begegnen.1 Die Outcomes, die auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse durch den Einsatz einer Cancer Nurse auf internationaler Ebene beschrieben wurden, sind beispielsweise gute Erreichbarkeit für PatientInnen, besser informierte PatientInnen, bessere Outcomes im Rahmen des Symptomerlebens und besseres Selbstmanagement.11–13

Die Rolle der Cancer Nurse wurde bereits im Kompetenzmodell für Pflegeberufe des Österreichischer Gesundheits- und Krankenpflegeverbandes (ÖGKV) beschrieben.14 Sie soll die Rolle einer Spezialistin/eines Spezialisten für hämatologische und onkologische Pflege einnehmen und basiert auf dem Cancer Nursing Education Framework der European Oncology Nursing Society (EONS). Anknüpfend an die Bemühungen der EONS durch das Projekt Recognising European Cancer Nursing (RECaN) wurde im Jahr 2016 auch von Seiten der European CanCer Organisation (ECCO) ein Positionspapier zum „Value of Specialized Nursing“ veröffentlicht, das den Stellenwert einer Cancer Nurse konstatiert. Pflegepersonen sind ein essenzieller Bestandteil im interprofessionellen Behandlungsteam, wobei festgehalten werden muss, dass die Kompetenzen und Ressourcen aber aktuell nicht vollständig genutzt werden. Trotz der bereits belegten günstigen Einflüsse auf die patienInnenbezogenen Outcomes fehlen gegenwärtig eine international einheitliche Ausbildung sowie eine Adaption des rechtlichen Kompetenzrahmens.2, 3

Initiative Cancer Nurse

Im Jahr 2010 wurde durch die Arbeitsgemeinschaft hämatologischer und onkologischer Pflegepersonen in Österreich (AHOP) die Initiative Cancer Nurse begründet. Das Ziel dieser Initiative besteht darin, eine festgelegte Anzahl an pflegerischen Expertinnen und Experten (Cancer Nurses) in onkologischen Einrichtungen (stationär, ambulant, extramural) zu etablieren, um den Anforderungen der Versorgung durch beispielsweise zunehmende Verlagerung der Behandlungen in den ambulanten Bereich zu begegnen. Zusätzlich wurde die Notwendigkeit einer uniformierten und spezialisierten Ausbildung erkannt, um den betroffenen Menschen mit einer Krebserkrankung (PatientInnen und deren Angehörige) trotz der zunehmenden Komplexität von hämatologischen/onkologischen Behandlungswegen und -formen eine qualitativ hochwertige Versorgung bieten zu können, und schließt damit auf nationaler Ebene an die Initiative der EONS mit dem RECaN-Projekt an.15, 16 Sowohl Bryant-Lukosius als auch Maier bestätigen die Relevanz dieser Bemühungen, da die Einführung von APN-Rollen an sich als ein dynamischer und komplexer Prozess beschrieben wird, der zumeist durch eine fehlende rechtliche/staatliche Reglementierung zusätzlich erschwert wird.17, 18 Die Auswirkung von gut ausgebildetem Pflegepersonal konnte auch in der 2014 publizierten Studie von Aiken et al. festgestellt werden. In dieser wurde ein Zusammenhang zwischen einem höheren Ausbildungsgrad von Pflegepersonen und der Mortalität von PatientInnen erkannt.19

Das EONS Cancer Nursing Education Framework

Die Konzeptualisierung im Positionspapier erfolgt anhand des Cancer Nursing Education Framework der EONS, das 2018 publiziert wurde und als Herzstück des RECaN-Projektes fungiert. Es stellt die weiterentwickelte und an die wachsende Komplexität der onkologischen Pflege adaptierte Version des im Jahr 1991 entstandenen Post-basic Curriculum in Cancer Nursing der EONS dar. Das Framework umfasst acht Module, die alle essenziellen Themenkomplexe an Fachwissen und Fähigkeiten in Bezug auf die Pflege von onkologischen PatientInnen abdecken sollen (Abb.). Das Ziel ist, eine qualitativ hochwertige Versorgung und Betreuung anbieten zu können. Um die zu erreichenden Kompetenzen transparent zu machen, wurden für jedes Modul Learning Contents, Learning Outcomes und Practice Competencies skizziert. Die ersten fünf Module befassen sich im Speziellen mit onkologischem Fachwissen, Fähigkeiten und Kompetenzen. Die restlichen drei Module setzen sich aus Kommunikation, Führung & Management sowie Forschung und Entwicklung zusammen. Es umfasst insgesamt 54 ECTS (1 ECTS = 30 Stunden).3

Resümee und Ausblick

Wir als AHOP sehen die Initiative Cancer Nurse als eine der wichtigsten Investitionen in die Zukunft der hämatologischen und onkologischen Pflege in Österreich. Um die Relevanz der Thematik zu unterstreichen, wird das überarbeitete Positionspapier zur Cancer Nurse im Frühjahr 2021, anlässlich einer Pressekonferenz von unserem AHOP-Präsidenten Harald Titzer, RN, BSc, MSc vorgestellt. Lassen Sie sich dazu inspirieren, Pflegepersonen dabei zu unterstützen, ihr volles Potenzial zu nutzen. Arbeiten wir gemeinsam daran, die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen!

1 Spichiger E et al., Pflege 2018; 31 (1):41–50
2 www.ecco-org.eu/Policy/Positions-and-publications (accessed, 18. 04. 2020)
3 www.cancernurse.eu/documents/EONSCancerNursingFramework2018.pdf (accessed 18. 04. 2020)
4 Barton D, Seminars in Oncology Nursing 2011; 27:104–15
5 Titzer H, Der Onkologe 2016; 22:645–50
6 BMG 2018, www.statistik.at/web_de/services/publikationen/4/index.html?includePage=detailedView&sectionName=Gesundheit&pubId=700 (accessed, 28.04.2020)
7 McCorkle et al., CA Cancer J Clin 2011; 61(1):50–62
8 Bachner F et al., Health Syst Transit 2018; 20(3):1–256
9 Sørensen K et al., Eur J Public Health 2015; 25(6):1053–58
10 https://broschuerenservice.sozialministerium.at/Home/Download?publicationId=593 (accessed 18. 04. 2020)
11 www.england.nhs.uk/blog/jane-cummings-5 (accessed, 18.
04. 2020)
12 Corner J et al. , BMJ Open 2013; 3: e002316 DOI: 10.1136/bmjopen-2012-002316 (accessed 26. 04. 2020)
13 Rueda JR, Cochrane Database Systematic Reviews 2011; 7(9):1465–1858
14 [ÖGKV]; [DBfK]; [SBK] (accessed 28. 04. 2020)
15 Margulies A et al., Onkologische Krankenpflege 2017; Wien: Facultas Verlag.
16 Eicher M et al., Psychooncology 2018; 27(7):1833–39
17 Bryant-Lukosius D, Dicenso A, J Adv Nurs 2004; 48(5):530–40
18 Maier CB, Health Policy, 2015; 119(12):1627–1635
19 Aiken LH, Lancet 2014; 383(9931):1824–30