Posttraumatisches Wachstum bei Brustkrebsüberlebenden

Hintergrund

Brustkrebsüberlebende sind mit psychologischen Herausforderungen und Nebenwirkungen konfrontiert, die nicht nur mit der Krankheit, sondern auch mit der Behandlung zusammenhängen. Psychische Belastungen wie Depressionen, Angstzustände und posttraumatische Belastungsstörungen beeinträchtigen das Wohlbefinden und die Lebensqualität von Frauen mit Brustkrebs. In letzter Zeit sind jedoch auch positive psychologische Merkmale wie persönliche Stärke, Resilienz und Wachstum in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Diese können dazu beitragen, dass sich Brustkrebsüberlebende besser an ihre Lebenssituation anpassen und dadurch ihre psychische Belastung verringern. In diesem Zusammenhang ist das sogenannte „posttraumatische Wachstum“ von Bedeutung.

Das posttraumatische Wachstum (Post-traumatic Growth, PTG) ist eine positive psychologische Veränderung, die als Reaktion auf Belastungen und andere Herausforderungen auftritt. Es erwies sich als eine Art Puffermechanismus, der die negativen Auswirkungen der Krankheit auf die Stimmung und die Lebensqualität der Betroffenen mindert.

Studienziel

Ziel der vorliegenden Studie war es, die Wirkung einer supportiv-expressiven Gruppenintervention auf das posttraumatische Wachstum und auf das Angst- und Depressionsniveau von Brustkrebspatientinnen zu untersuchen.

Methodik

Es wurde eine prospektive randomisiert kontrollierte Studie durchgeführt: Die Teilnehmerinnen waren Brustkrebspatientinnen, die zwischen Juni 2017 und September 2018 in einem Tertiärkrankenhaus in Sichuan rekrutiert wurden. Die Einschlusskriterien waren: (1) Erstdiagnose von Brustkrebs, (2) Krankheitsdauer von maximal einem Monat, (3) Alter mindestens 18 Jahre, (4) Karnofsky-Funktionsstatus (KPS) von über 80 Punkten und (5) Fähigkeit zu lesen, zu schreiben und sich verbal zu verständigen. Ausschlusskriterien waren (1) Carcinoma in situ und (2) das Vorhandensein anderer Tumoren. Die Teilnehmerinnen wurden zufällig der Interventions- oder Kontrollgruppe zugeteilt. Basierend auf den psychologischen Effekten der Selbstöffnung und dem Konzept des posttraumatischen Wachstums wurden vier Interventionsthemen definiert: „Patientin sein“, „zwischenmenschliche Beziehungen“, „Reise zur Genesung“ und „Zukunftsplanung“. Die Intervention wurde von zwei Pflegefachpersonen aus dem Bereich der Psychoonkologie durchgeführt. Es wurden vier Interventionssitzungen während der systemischen Behandlungsphase durchgeführt: im ersten Monat, nach zwei bis drei Monaten, nach drei bis fünf Monaten und nach fünf bis sieben Monaten. Jede Interventionssitzung dauerte etwa 60 Minuten und umfasste sechs bis acht Teilnehmerinnen. Die Kontrollgruppe erhielt Pflegemaßnahmen der Standardversorgung und Nachsorge (Gesundheitsedukation, Rehabilitationsübungen, psychologische Unterstützung und andere Pflegemaßnahmen). Die Zielkriterien wurden mit dem Posttraumatic Growth Inventory (PTGI) und der Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS) erhoben.

Wesentliche Ergebnisse

Insgesamt wurden 168 Patientinnen in die Studie eingeschlossen. Die Zielkriterien konnten bei 149 (Intervention: 84, Kontrolle: 65) vor der ersten Intervention und bei 122 (Intervention: 62, Kontrolle: 60) nach Abschluss der Intervention erhoben werden. Der Gesamtwert für das posttraumatische Wachstum stieg in beiden Gruppen über die Zeit an, war jedoch nach Interventionsende signifikant höher in der Interventionsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe (bT3 = 7,87, p < 0,05). Die Intervention führte zu signifikanten Verbesserungen in den meisten Dimensionen des posttraumatischen Wachstums (Beziehungen zu anderen, neue Möglichkeiten, persönliche Stärke, Wertschätzung des Lebens), mit Ausnahme der Dimension der spirituellen Veränderung. In der Interventionsgruppe zeigte sich im Vergleich zur Kontrollgruppe zudem eine signifikante Reduktion des Angst- und Depressionslevels (bT3 = −3,63, p < 0,001 bzw. bT3 = −2,27, p < 0,001).
Patientinnen mit höherem Bildungsniveau zeigten einen signifikant besseren Interventionseffekt hinsichtlich des posttraumatischen Wachstums, ebenso jüngere Patientinnen, bei denen der Ehepartner die Hauptbetreuungsperson war. Patientinnen mit religiösen Überzeugungen erzielten signifikant bessere Ergebnisse in der Dimension der spirituellen Veränderung. Die Intervention erzielte auch signifikant bessere Ergebnisse hinsichtlich der Zielkriterien Angst und Depression, wenn bezahlte professionelle Pflegekräfte als Hauptbetreuungspersonen angegeben wurden. Das Alter, das Bildungsniveau und die weiteren untersuchten Faktoren hatten hingegen keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Intervention in Bezug auf Angst und Depression.

Schlussfolgerungen der Autor:innen: Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass eine an den kulturellen Kontext angepasste supportiv-expressive Gruppenintervention das posttraumatische Wachstum von Brustkrebspatientinnen fördert und gleichzeitig Angst und Depression reduziert. Dies trägt zur Anpassung der Patientinnen an das Leben mit Brustkrebs bei. Die Intervention erwies sich als für die klinische Anwendungpraktikabel.

AHOP-Fazit

Die randomisiertkontrollierte Studie von Wang et al. (2022) zeigt das Potenzial von pflegegeleiteten Maßnahmen im Hinblick auf die Förderung der psychischen Gesundheit von Brustkrebspatientinnen auf. Durch die Teilnahme an insgesamt vier Gruppeninterventionssitzungen während der gesamten systemischen Behandlungsphase konnten das posttraumatische Wachstum gefördert und das Angst- und Depressionsniveau im Vergleich zur Kontrollgruppe gesenkt werden. Die Autor:innenhaben ihr Vorgehen, die einzelnen Komponenten der Intervention sowie die Ergebnisse ausführlich und nachvollziehbar dargestellt. Dennoch ist die Übertragbarkeit der Ergebnisse eingeschränkt, da es sich um eine Einzelstudie handelt, relativ viele Teilnehmerinnen die Studie vorzeitig beendet haben und der kulturelle Kontext einen Einfluss auf die Ergebnisse haben könnte.