Bei ca. 5–10 % aller Menschen mit Diabetes liegt ein Typ-1-Diabetes mellitus (T1DM) vor.1
Als Standardtherapie des T1DM hat sich seit Mitte der 1990er-Jahre die intensivierte Insulintherapie etabliert. Über die letzten drei Jahrzehnte haben Menschen mit T1DM neben der Verfügbarkeit neuer Insulin-Präparate vor allem von Innovationen im Bereich der Diabetestechnologie profitiert.
Im Vergleich zur Basis-Bolus-Therapie mittels Insulinpens und kapillären Blutzuckermessungen haben sich Insulinpumpen und CGM-Systeme (kontinuierlich messende Glukosesensoren) als besonders effektiv erwiesen. In der Vergangenheit noch eher Nischenprodukte, hat die Verwendung von Insulinpumpen und CGM-Systemen v. a. bei Kindern und Jugendlichen mit T1DM stark zugenommen.
Bei Kleinkindern mit T1DM zum Beispiel zeigen sich in unseren Breiten Nutzungsraten von > 90 % für Pumpen und CGM-Sensoren. „Smarte“ Insulinpumpen mit einer Vielzahl hilfreicher Funktionen (u. a. integrierte Bolus-Rechner, unterschiedliche Bolus-Optionen, Alarme etc.) und kleine, werkskalibrierte CGM-Systeme ohne Notwendigkeit einer kapillären BZ-Messung mit gleichzeitiger Verbindungsmöglichkeit zu Smartphones erleichtern den Alltag für Menschen mit T1DM.
Unter dem Begriff „sensorunterstützte Insulinpumpentherapie“ (SuP) wird die gemeinsame Verwendung von Pumpen und CGM-Systemen subsumiert. Koppelt man die Insulinabgabe automatisiert an Glukose-Werte, die in Echtzeit vom CGM-Sensor übermittelt werden, befinden wir uns im Bereich einer algorithmusgesteuerten, glukoseresponsiven Insulinzufuhr (Abb.).
Der Fokus der ersten einfachen Algorithmen lag gänzlich auf der Vermeidung von Hypoglykämien. Pumpenmodelle mit automatischer Abschaltung der Insulinzufuhr bei Erreichen eines unteren Glukose-Grenzwertes/einer Hypoglykämie (sogenannte LGS-[Low-Glucose-Suspend-]Systeme) bzw. vorausschauende Abschaltung bei drohender Hypoglykämie (sogenannte PLGS-[Predictive-Low-Glucose-Suspend-]Systeme) sind in Österreich seit einigen Jahren verfügbar und haben sich vor allem in der Verringerung der Hypoglykämie-Häufigkeit und -Dauer bewährt.
Bei Closed-Loop-Systemen (CL, auch „künstliche Bauchspeicheldrüse“ oder „automatisierte Insulinabgabe-Systeme“, AID, genannt) im engeren Sinne kommen komplexere Algorithmen zur Anwendung, die automatisch und kontinuierlich die Insulinabgabe unter und oberhalb der voreingestellten Raten modulieren. Der Closed-Loop-Sektor im Bereich der Diabetestechnologie war lange Zeit sehr akademisch geprägt. Seit der Zulassung des ersten kommerziell erhältlichen CL-Systems, des MiniMed™-670G-Systems (Medtronic, Northridge, CA, USA), durch die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) im September 2016 sind nun auch mehrere andere CL-Systeme kommerzialisiert.
Der Einsatz dieser Systeme im klinischen Alltag in der Routineversorgung von Menschen mit T1DM erfreut sich großer Beliebtheit. Eine Übersicht über in der Europäischen Union CE-zertifizierte Systeme und über die Verfügbarkeit in Österreich gibt die Tabelle.
Die in akademischen und kommerziellen CL-Systemen verwendeten Algorithmen unterscheiden sich in der Art der Insulindosisberechnung. Details hierzu sind sehr mathematisch und werden hier nicht weiter ausgeführt. Außerdem unterscheiden sich CL-Systeme auch in den verwendeten Komponenten (Pumpen, CGM-Sensoren), damit einhergehenden Gegebenheiten sowie in den Einstellungen, die durch Anwender:innen bzw. Diabetesteams während der CL-Verwendung laufend angepasst werden können. Auch die Altersbeschränkung der Zulassung ist von System zu System verschieden. Die breiteste Zulassung hat hier das CamAPS®-FX-System (CamDiab Ltd, Cambridge, Vereinigtes Königreich), das auch bei Kleinkindern ab einem Alter von 1 Jahr und bei Schwangeren mit Typ-1-Diabetes anwendbar ist. Bei diesem System ist der Algorithmus nicht in der Pumpe integriert, sondern läuft über eine Smartphone-App.
Alle in Europa bis dato zugelassenen CL-Systeme verfolgen einen sogenannten „hybriden“ Ansatz (Hybrid-Closed-Loop-Systeme, HCL):
Die basale Insulinabgabe wird durch den Algorithmus automatisch moduliert, der Bolus zu den Mahlzeiten wird vom/von der Benutzer:in manuell per Knopfdruck selbst abgegeben. Die größten Vorteile der HCL-Systeme ergeben sich v. a. über Nacht. Mahlzeiten und körperliche Bewegung stellen auch für HCL-Systeme noch immer eine Herausforderung dar. Dies ist u. a. durch die Resorptionsverzögerung bei subkutaner Insulingabe bedingt. Diese Verzögerung sowie die zeitliche Verzögerung zwischen tatsächlicher Blutglukose und gemessener Gewebeglukose (je nach CGM-Sensor 10–20 min) sind nach wie vor die limitierenden Komponenten für den breiten Einsatz von sogenannten Fully-Closed-Loop-Systemen, d. h. Systemen mit automatisierter Modulation der Insulinzufuhr ohne notwendigen Input von Anwender:innen. Neuere, ultrakurzwirksame Insulinanaloga könnten hier zukünftig zusätzliche Vorteile bringen.
Entwicklung und Zulassung von CL-Systemen sind sehr komplex und langwierig. Aus der Frustration über die lange Dauer bis zur Zulassung von CL-Systemen und über die eingeschränkte Verfügbarkeit hat sich eine weltweit vernetzte Online-Community von Menschen mit Diabetes, ihren Familien und Freund:innen zusammengeschlossen, die sich ihre CL-Systeme selbst zusammen bauen. Diese Open-Source-Closed-Loop-Systeme unterliegen keiner behördlichen Überprüfung. Ohne eine behördliche Zulassung abwarten zu müssen, profitieren diese Systeme von schnelleren Innovationszyklen und können in der Individualisierung flexibler sein. Open-Source-Systeme stehen grundsätzlich jedem/jeder zur Verfügung, allerdings ist das Einrichten eines solchen Systems eher komplex und aufwendig. Die zumeist technisch affinen Nutzer:innen müssen in der Lage sein, sich ihr eigenes System aufzubauen und zu warten – mit Unterstützung durch die Community. Die Rolle der Gesundheitsdienstleister bei der Unterstützung der Nutzung unregulierter Systeme wird weiterhin diskutiert.