Allergenspezifische Immuntherapie: Die neue S2k-Leitlinie

Nach 5 Jahren Vorbereitungsarbeit erschien im September 2022 das lang erwartete Update der deutsch-österreichisch-schweizerischen Leitlinie Allergenspezifische Immuntherapie (AIT) unter Mithilfe dreier österreichischer Co-Autor:innen. Zur leichteren Lesbarkeit der 60 Seiten langen Leitlinie wurden nach jedem Kapitel eine Kurzzusammenfassung und zum Teil Empfehlungen platziert.

Aktuelle Empfehlungen der neuen Leitlinie

So wie schon in der letzten Version der Leitlinie erschien der wichtigste Teil der Leitlinie gar nicht im Druck, weil davon ausgegangen werden muss, dass die Effektivitätsdaten der einzelnen AIT-Produkte aufgrund neuer Studienergebnisse bis zur nächsten Vollversion der Leitlinie hoffnungslos veraltet wären. Stattdessen werden die Daten zu den drei Leitallergenen Birkenpollen, Gräserpollen und Hausstaub, die durch die Therapieallergenverordnung in Deutschland einer besonderen Qualitätsprüfung durch die Zulassungsbehörde unterliegen, alle 6 Monate auf der Homepage der deutschen Gesellschaft für Allergologie und Immunologie aktualisiert.
Dort ist auch die Vollversion der Leitlinie frei herunterladbar. Es wird in der Leitlinie ausdrücklich empfohlen, AIT-Präparate mit besserer Datenlage gegenüber denen mit schlechterer Datenlage zu bevorzugen, weil fast jeder Hersteller SCIT- und SLIT-Präparate für diese Allergene im Portfolio anbietet.

Diagnostik und Therapie

Eine individuelle Allergiediagnostik ist Voraussetzung, bevor eine geeignete allergenspezifische Immuntherapie (AIT) für die jeweiligen Patient:innen ausgewählt werden kann. Im Normalfall wird eine AIT 3 Jahre lang verabreicht und steht in zwei Varianten zur Verfügung: die subkutane SCIT (subkutane Immuntherapie) anfangs wöchentlich, später monatlich, oder die täglich verabreichte sublinguale SLIT (sublinguale Immuntherapie). Verwirrend für unerfahrene Behandler ist die große Zahl von am Markt befindlichen Herstellern mit ihren verschiedenen Präparaten und Verabreichungsformen, die sich aber meistens nur auf die wenigen Hauptallergene Hausstaub, Birkenpollen und Gräserpollen konzentrieren. Dazu kommt, dass 50 % der Patient:innen gegen andere inhalative Allergene wie Eschen-/Olivenpollen (Fraxinus sp., Frühling), Beifußpollen (Artemisia sp., August), Ragweed (Ambrosia sp., September), Alternaria-Schimmelsporen (Alternaria alternata, Hoch- bis Spätsommer) oder Vorratsmilben und Haustiere sensibilisiert sind. In diesem Fall ist die Daten- und Marktlage für die AIT sehr dünn. Eine Ausnahme ist die SLIT-Tablette zur Behandlung der Ambrosia-(vulgo Ragweed-)Allergie, für welche die Evidenz ebenfalls sehr gut ist.

Exkurs: Insektengiftallergie

Eine weitere wichtige Indikation für eine AIT ist die Insektengiftallergie auf Bienen- und Wespengift. Diese ist aber nicht Teil dieser Leitlinie, sondern wird in einer eigenen abgehandelt, deren Update hoffentlich noch im Jahr 2023 abgeschlossen sein sollte.

Praxismemo

  1. Bei allergischer Rhinokonjunktivitis (wenn mit symptomatischer Therapie nicht ausreichend kontrollierbar) ist eine AIT anzudenken.
  2. Zur Vorbeugung des Etagenwechsels zum Asthma, besonders bei Kindern aus atopischen Risikofamilien, ist AIT empfehlenswert.
  3. Immuntherapie mit Insektengift: für alle Personen mit einer Reaktion, die über die reine Hautreaktion hinausgeht.