Die Beziehung zwischen Diabetes und Zahnfleischerkrankungen wie Gingivitis und Parodontitis ist bidirektional. Menschen mit Diabetes haben ein bis zu 3,5-fach erhöhtes Risiko, an einer Parodontitis zu erkranken, verglichen mit stoffwechselgesunden Personen. Der veränderte Zuckerstoffwechsel wirkt sich nämlich aus mehreren Gründen auf die Mundgesundheit aus. Insulinmangel begünstigt die Entstehung von Ablagerungen (AGE, „advanced glycation end products“) an den Kapillargefäßen. Diese Ablagerungen schädigen die Gefäßwände und schränken die Durchblutung ein. Das Zahnfleisch wird in der Folge weniger gut mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt, die Abwehrkräfte im Mundraum nehmen ab. Somit wird es Bakterien erleichtert, in die Mundhöhle vorzudringen und sich dort zu vermehren. Schlussendlich kann dies zu Entzündungen führen und langfristig auch eine nachhaltige Inflammation am Zahnhalteapparat begünstigen.1
Die verminderten Abwehrkräfte im Mund sind jedoch nicht der einzige Faktor. Personen mit Diabetes mellitus produzieren weniger Speichel und leiden gehäuft an Mundtrockenheit. Der geringere Speichelfluss macht den Zahnschmelz anfälliger für Angriffe durch Bakterien, das Parodontitisrisiko steigt.1 Eine vorhandene Parodontitis kann außerdem durch Diabetes mellitus eine weitere Verschlechterung erfahren.2
Umgekehrt wirkt sich eine Parodontitis negativ auf den Diabetes aus, denn Entzündungsherde im Mund verstärken die Insulinresistenz und tragen damit auch insgesamt zu einer Verschlechterung der Blutzuckerwerte bei.3 Die Parodontitis wird in der Literatur auch als direkter Auslöser eines Diabetes Typ 2 beschrieben, da sie eine Insulinresistenz auslösen kann.4
Insgesamt entwickelt sich durch das Auftreten beider Erkrankungen eine schwierige Situation, denn Fakt ist auch, dass ein noch nicht gut eingestellter Diabetiker nicht mit einem schnellen Erfolg der parodontalen Behandlung rechnen kann. Solange sich die AGE im Zahnhalteapparat befinden und dort weiterhin Entzündungen auslösen, ist eine gute glykämische Einstellung erschwert. Umgekehrt beeinträchtigt ein durch die Parodontalerkrankung gesteigerter HbA1c-Wert immer wieder auch den Blutzuckerspiegel. Eine gute Abstimmung der Therapie ist daher nötig.1
Aus all den genannten Gründen ist eine umfassende und sorgsame Mundhygiene ein unerlässlicher Faktor für Menschen mit Diabetes. Zähneputzen, die Verwendung von Zahnseide oder Interdentalbürsten und Mundspüllösungen fallen ebenso darunter wie regelmäßige Kontrollen beim Zahnarzt und Mundhygienesitzungen. Vor allem im Hinblick auf parodontale Krankheiten ist eine strikte Kontrolle empfohlen. Dies gilt auch für Menschen mit einer erblichen Veranlagung für eine Diabeteserkrankung.
Studien belegen die positiven Effekte einer guten Mundhygiene und einer effektiven parodontalen Behandlung auf die Einstellung und Kontrolle des Blutzuckerspiegels bei insulinpflichtigen Patienten. Nachgewiesen wurde sogar eine Senkung des HbA1c-Wertes.1, 2 Das Ausmaß der Reduktion betrug 0,4 %.5