Nach den Erfahrungen der letzten Jahre, in denen die COVID-19-Pandemie die Verbreitung anderer Atemwegserreger beeinflusste, konnten wir letztes Jahr fast wieder die gewohnten Saisonalitäten der respiratorischen Viren während der Herbst- und Wintermonate beobachten.
Doch wie wird die kommende Saison ablaufen? Ein Blick zurück zeigt, dass die Influenza-Saison 2023/24 mit einer durchschnittlichen Dauer von 10–12 Wochen insgesamt einen moderaten Verlauf hatte und von Influenza-A-Viren A(H1N1)pdm09 dominiert wurde. Eine Besonderheit dabei war das Ausbleiben einer deutlichen Influenza-B-Virus-Aktivität. In der Regel nimmt die Influenza-B-Virus-Zirkulation erst im späteren Verlauf der Saison zu und verursacht gegen Ende der Saison eine kleinere Nachwelle. Zusammen mit der nur sehr geringen Zirkulation von A(H3N2)-Viren der letzten Saison könnte man mutmaßen, dass Influenza-A(H3N2)-Viren mit den Influenza-B-Viren eine gute Chance haben, heuer dominant zu zirkulieren. Eine Vorhersage, welches Virus in der nächsten Saison nun tatsächlich dominieren wird oder wie schwer die kommende Grippewelle ausfallen wird, ist nicht möglich.
Als Prophylaxe steht uns wie jedes Jahr die saisonale Influenza-Impfung zur Verfügung, die ein zentrales Instrument zur Prävention schwerer Erkrankungen und Hospitalisierungen darstellt. Sie wird allen Personen ab 6 Monaten empfohlen – besonders jenen mit Grunderkrankungen, ab 60 Jahren, Schwangeren und Personen im Gesundheitswesen und in Gemeinschaftseinrichtungen. Für Kinder und Jugendliche von 2 bis 18 Jahren stehen eine intranasale Lebendimpfung, für Personen ab 60 Jahren sowie Immunsupprimierte adjuvantierte bzw. Hochdosis-Impfstoffe sowie für alle anderen inaktivierte Totimpfstoffe zur Verfügung. Der ideale Zeitpunkt für eine Influenza-Impfung ist Ende Oktober/Anfang November. Eine Grippe-Impfung ist jedoch zu jedem späteren Zeitpunkt, auch wenn die Grippewelle bereits begonnen hat, noch sinnvoll.
Die Influenza-Impfung wird auch ausdrücklich jenen Personen empfohlen, die möglicherweise in Kontakt zu tierischen Influenza-Viren kommen könnten („Vogel-“ und „Schweinegrippe“). In der Vogelwelt grassiert derzeit eine Pandemie, ausgelöst durch Influenza A(H5N1) Clade 2.3.4.4b. Sie wurde mittlerweile auf verschiedenste Säugetierarten übertragen, neuerdings in den USA auch auf Kühe. Das Virus ist bisher noch nicht leicht auf und zwischen den Menschen übertragbar, das Risiko einer Infektion des Menschen wird daher derzeit als gering eingestuft.
Trotzdem haben tierische Influenza-Viren das Potenzial, durch Reassortierung auch eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung zu erlangen. Wenn eine Zelle zeitgleich mit beiden Virussubtypen infiziert ist, kann ein neues Virus mit leichter Übertragbarkeit zwischen Menschen entstehen, dies war auch der Entstehungsmechanismus der letzten Influenza-Pandemien. Daher ist es wichtig, die gleichzeitige Infektion einer Zelle und damit eine Vermischung zweier Virussubtypen zu verhindern, indem Personen mit potenziellem Kontakt zu tierischen Influenza-Viren (Mitarbeiter:innen in Geflügel- oder Schweinezuchtbetrieben, Tierärzt:innen, Tierpfleger:innen etc.) gegen die saisonale Grippe geimpft werden. Das ist v. a. in Hinblick auf die kommenden Monate wichtig, in denen die saisonale Influenza wieder ein Thema sein wird.