Beratungsleitfaden: Allergie

Die saisonale Rhinitis ist eine der häufigsten chronischen Erkrankungen überhaupt und umfasst mehrere Symptome, die meist durch Allergene in der Luft ausgelöst werden.
Die Hauptsymptome sind Juck- und Niesreiz, Niesanfälle, ein Anschwellen der Nasenschleimhaut mit behinderter Nasenatmung und ein vermehrter Ausfluss von wässrig-klarem Nasensekret. Bei fast allen Betroffenen ist die Symptomatik aber nicht nur auf die Nase beschränkt; es liegen noch verschiedene Allgemein- und Begleitsymptome vor.
Jede:r 5. Österreicher:in ist vom jährlichen Pollenflug betroffen. Die Erkrankung hat vielfältige Auswirkungen auf die Lebensqualität der Patient:innen, beispielsweise auf die Schlafqualität, schulische oder berufliche Leistungen, Alltagstätigkeiten und sportliche Aktivitäten. Zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass die Versorgung von Patient:innen mit allergischer Rhinitis oft unzureichend ist. In den aktuellen Leitlinien1 wird eine prophylaktische, problemorientierte und kontinuierliche Therapie empfohlen. Die Gefahr, die von einer allergischen Rhinitis ausgeht, wird sehr häufig unterschätzt, und ein Großteil der Allergiker:innen ist nicht oder nicht ausreichend therapiert.

Auf den ersten Blick / Wirksames für die Selbstmedikation

Für die Selbstmedikation empfehlen sich:

  • Antihistaminika
  • Salzlösungen
  • künstliche Tränenersatzmittel
  • schleimhautabschwellende Präparate
  • physikalische Schleimhautprotektoren
  • Astragalus membranaceus (Traganthwurzel)

Wichtige Fragen zu Beginn der Beratung:

  • Welche Beschwerden liegen vor? Wie äußern sich diese?
  • Seit wann bestehen die Beschwerden? Akut oder schon länger?
  • Treten die Beschwerden zu bestimmten Zeiten bzw. in bestimmten Situationen immer wieder auf? Saisonale Allergie oder Indoor-Allergie?
  • Wie ist die Beschaffenheit des Sekrets? Wässrig-klar, seromukös, farblos oder gelblich-grün (Unterscheidung zu anderen Erkrankungen)?
  • Sind Begleitsymptome vorhanden? Husten, Kopfschmerzen, Druckgefühl in den Nebenhöhlen, Abgeschlagenheit, Geschmacks- oder Geruchsstörungen?
  • Welche Maßnahmen und/oder Arzneimittel wurden bisher ausprobiert?

Die allergische Rhinitis zählt gemeinsam mit dem allergischen Asthma und der atopischen Dermatitis zum Formenkreis der atopischen Erkrankungen; überwiegend IgE-vermittelt ⇒ Ausschüttung von Th2-assoziierten Zytokinen, Leukotrienen und Histamin mit Entzündungen der Atemwege.

Wichtige Unterscheidung (laut WHO)

  • intermittierende allergische Rhinitis ⇒ saisonal zur Pollenflugzeit auftretend
  • persistierende allergische Rhinitis ⇒ wenn die Beschwerden länger als 4 Wochen und an mehr als 4 Tagen pro Woche auftreten

Wichtig! Diese neue Definition soll darauf hinweisen, dass die Entzündung auch ohne Allergenkontakt fortschreiten kann und zu einer Weiterentwicklung und auch Ausbreitung der allergischen Erkrankung führen kann.

Aufgrund der zugrunde liegenden Pathophysiologie zeigt sich eine hohe Komorbidität der allergischen Rhinitis mit dem allergischen Asthma und auch eine gegenseitige Beeinflussung bezüglich der Schwere und Ausprägung. Häufig ist eine allergische Rhinitis nicht ausreichend diagnostiziert und damit auch nicht adäquat therapiert.

Anzeichen dafür, dass eine Allergie vorliegt, sind ständige oder in bestimmten Situationen immer wieder auftretende Beschwerden, z. B. bei

  • Aufenthalt im Freien (Pollenflug), in Räumen (Hausstaubmilben, Schimmelpilzsporen)
  • Kontakt mit Tieren, Allergenen im Beruf (Mehl- und Getreidestaub), Latex, Reinigungsmitteln, Färbemitteln, Kosmetika, Nickel u. a.
  • Insektenstichen (Bienen, Wespen, Mücken, Bremsen, Flöhe)
  • Lichtexposition, Sonnenallergie
  • Einnahme von Medikamenten (z. B. Antibiotika, Salicylate)

Klinische Symptome einer allergischen Rhinitis

  • nasale Obstruktion
  • Rhinorrhö
  • Nies- und Juckreiz

Mögliche Begleitsymptome

  • Rhinokonjunktivitis mit Juckreiz, Brennen, Rötungen und vermehrter Tränensekretion
  • Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit und allgemeines Krankheitsgefühl

Wichtig! Allergien und Erkältungen zeigen oft eine ähnliche Symptomatik; gerade die „Indoor-Allergien“ verursachen vor allem in der Heizperiode Beschwerden, die denen eines grippalen Infektes sehr ähnlich sind. Bei der Unterscheidung gibt es deutliche Differenzen; z. B. Dauer, Verlauf, Schnupfensymptomatik, Halsschmerzen, Fieber sowie Müdigkeit.

Bei ganzjährigen Rhinitiden (Hausstaubmilbe, Tierhaare, Schimmelpilz u. a.) klagen viele Betroffene häufig über Schlafstörungen, Tagesmüdigkeit und Konzentrationsstörungen; durch die ständige Allergen-Exposition ⇒ „Dauersymptomatik“ mit ständig gereizten Schleimhäuten; dies kann sogar zu einer nasalen Hyperreaktivität führen, d. h., dass die Betroffenen auch auf andere unspezifische Reize empfindlich reagieren (Staub, Rauch, Dämpfe, intensive Gerüche u. a.).

Therapieempfehlungen

Empfohlen wird ein Therapiestufenplan:

  • Allergievermeidung (wenn möglich)
  • symptomatische Therapie
  • spezielle Immuntherapie

Eine vollständige Vermeidung des auslösenden Allergens stellt die beste Behandlungsform allergischer Erkrankungen dar, ist jedoch für die meisten Allergene, wie z. B. Pollen und Milben, nur eingeschränkt möglich. Die Pollen kommen während der Blühperiode der jeweiligen Pflanzen in sehr hohen Konzentrationen in der Außenluft vor. Hochgebirge, Meer sowie Regen und bedecktes Wetter mindern den Pollenflug.

Medikamentöse Therapie

Moderne Therapieempfehlungen der allergischen Rhinitis basieren auf einer ganz gezielten Anamnese hinsichtlich Dauer und Schweregrades der Erkrankung ⇒ Antihistaminika, Glukokortikoiden, Mastzellenstabilisatoren, Leukotrien-Rezeptor-Antagonisten und Dekongestiva.
Eine Hyposensibilisierung ist nach wie vor die einzige Therapieoption, die nicht nur die Symptome lindert, sondern auch die Ursache der Krankheit bekämpft; da durch die allergenspezifische Immuntherapie auch die Entstehung von allergischem Asthma verhindert werden kann, ist diese bei Pollenallergien zu empfehlen.


SELBSTmedikation

Bei leichten intermittierenden, meist saisonalen Formen werden Allergiekarenz, Antiallergika und allgemeine Maßnahmen ­empfohlen

  • Antihistaminika ⇒ Tabletten, Nasentropfen bzw. -sprays, ­Augentropfen, topische Präparate
  • Salzlösungen ⇒ Meerwassersprays, Nasendusche etc. zum Ausspülen der Pollen
  • künstliche Tränenersatzmittel ⇒ reduzieren Augenjucken und -rötung
  • schleimhautabschwellende Präparate
  • physikalische Schleimhautprotektoren
  • Astragalus membranaceus (Tragantwurzel) ⇒ senkt die ­Überreaktion des Immunsystems auf allergieauslösende Stoffe; d. h., durch immunregulierende Eigenschaften wird das Auftreten von Allergiesymptomen verhindert; die Einnahme wird einen Monat vor Beginn der Allergiesaison empfohlen.

Tipps zur Verringerung der Allergenbelastung

  • Aufenthalte im Freien planen; d. h., Spaziergänge, Sport etc. den gegebenen Verhältnissen bzw. der Witterung anpassen ⇒ allgemein ist die Pollenbelastung in der Stadt abends zwischen 18–24 Uhr und auf dem Land morgens zwischen 4–8 Uhr am stärksten.
  • Informationen über die zu erwartende Belastung einholen ⇒ telefonisch oder im Internet.
  • Apps zur Kontrolle der Belastungen ⇒ können helfen, besser mit der Allergie zurechtzukommen und sich auf hohe Pollenbelastungen einzustellen.
  • Pollenbelastete Kleidung außerhalb des Schlafzimmers wechseln und lagern, Wäsche nicht im Freien trocknen.
  • Abends Haare waschen ⇒ Reduktion der Pollenbelastung.
  • Allergenfilter bei Belüftungssystemen und Klimaanlagen (Auto)
  • Bei geschlossenen Fenstern schlafen ⇒ Pollenschutzgitter aus dem Baumarkt.
  • Urlaube entsprechend planen, z. B. Aufenthalt in über 1.500 m Seehöhe oder am Meer.
  • Wichtig! Beim Verzehr bestimmter Nahrungsmittel können aufgrund von Kreuz-Reaktivität (z. B. Birke/Apfel) allergische Reaktionen ausgelöst werden.
  • Im Wohnbereich auf Teppiche, nicht- waschbare Stoffvorhänge und andere Staubfänger wie Polstermöbel verzichten.
  • Matratze regelmäßig reinigen bzw. Neuanschaffung.
  • Haustiere nicht ins Schlafzimmerlassen, Bettwäsche wöchentlich ­wechseln.
  • tägliches Staubsaugen
  • Vor der Heizperiode alle Heizkörper sorgfältig reinigen.
  • Zusätzliche Reize auf Schleimhäute, z. B. Augenkosmetika, Reinigungsmittel, Rauchen etc. meiden.
  • Allergiepass für Arzneimittelallergi­ker:innen, bei Allergien gegen Insektengifte ⇒ kann in Notsituationen wichtige Zeit sparen und unter Umständen sogar Leben retten.

Epilog

30–40 % der unbehandelten Allergiker:innen entwickeln im Laufe ihres Lebens allergisches Asthma (Etagenwechsel).

Das Asthma-Risiko ist bei erwachsenen Patient:innen mit allergischer Rhinitis um den Faktor 3,2 höher als bei Gesunden (lt. Initiative „Allergic Rhinitis and its Impact on Asthma“, ARIA der WHO2).
Eine rechtzeitige und adäquate Therapie lindert die Beschwerden und verhindert eine weitere Verschlechterung.

Rechtzeitige und adäquate Therapie

Moderne Antihistaminika der zweiten Generation (z. B. Azelastin, Bilastin, Cetirizin, Desloratadin, Loratadin, Levocetirizin, Terfenadin) haben eine hohe Wirksamkeit, eine schnelle Wirkung, sind gut verträglich und haben weniger Nebenwirkungen wie z. B. Müdigkeit.

Lokale Antihistaminika in Form von Augentropfen oder Nasensprays bringen eine rasche Erleichterung. Bei schweren intermittierenden Verläufen und bei allen persistierenden ­Formen der allergischen Rhinitis gelten ­intranasale Steroide (rezeptpflichtig), zu­sätzlich zu Allergiekarenz und Antiallergika, als Maßnahmen der Wahl. Es ist wichtig, die Patient:innen darauf hinzuweisen, dass ­Tabletten, Nasensprays und Augentropfen je nach Schwere der Beschwerden auch ­kombiniert werden können.

Wichtiger Beratungstipp

In der Beratung sollte unbedingt darauf hingewiesen werden, dass die antiallergischen Medikamente bzw. Maßnahmen während der gesamten „Allergiezeit“ einzunehmen bzw. anzuwenden sind. Ein ausreichend hoher Wirkspiegel sollte nicht nur die Symptome reduzieren, sondern auch einen Etagenwechsel (Asthma) verhindern. Mit der Einnahme nach Bedarf bzw. einer sporadischen Anwendung kann dies nicht erreicht werden. Auch sollten Allergiker:innen ihre Medikamente immer griffbereit im Medikamentenschrank zu Hause haben, um die Symptome gleich von Beginn an effektiv und ohne Zeitverzug behandeln zu können.

Nase „duschen“

Eine einfache Maßnahme zur Vermeidung von Beschwerden ist das regelmäßige Ausspülen der Nase. Dies kann im besten Fall dazu führen, dass die Medikamenteneinnahme reduziert werden kann. Auch die lokale Anwendung von Salben und Ölen hat sich als wirksam erwiesen, da sie eine Art Barriere bilden, die das Eindringen von Pollen verhindert.

Beratungstipp

Die Gefahr, die von einer allergischen Rhinitis ausgeht, wird sehr häufig unterschätzt, und ein Großteil der Allergiker:innen ist nicht oder nicht ausreichend therapiert.