Beratungsleitfaden: Rhinosinusitis

Ein banaler Schnupfen hat grundsätzlich immer das Potenzial, sich auf die Nasennebenhöhlen auszubreiten.

Dabei sind die Übergänge von einer Rhinitis zu einer Sinusitis immer fließend, und beide Erkrankungen können nicht klar voneinander abgegrenzt werden (= Rhinosinusitis). Besonders häufig entwickelt sich eine Rhinosinusitis infolge einer Erkältung, die nicht ausreichend auskuriert bzw. nicht richtig behandelt wurde. Das Schnupfensekret wandert in die Nasennebenhöhlen und bildet hier den idealen Nährboden für Erreger.

Laut S2k-Leitlinie Rhinosinusitis1 wird zwischen einer akuten, einer rezidivierenden und einer chronischen Rhinosinusitis unterschieden. Die akute und chronische Rhinosinusitis sind Erkrankungen mit hoher und wahrscheinlich zunehmender Prävalenz. Nicht zuletzt aufgrund der erheblichen krankheitsbedingten Morbidität und der hohen sozioökonomischen Kosten verdienen sie besondere Aufmerksamkeit. Unter einer chronischen Entzündung der Nasennebenhöhlen leiden etwa 15 % der Bevölkerung der westlichen Industrieländer.

Empfehlungen für das Gespräch an der Tara

Wichtige Fragen zu Beginn der Beratung

  • Seit wann bestehen die Beschwerden? Akut oder schon länger?
  • Wie äußern sich die Beschwerden?
  • Treten die Beschwerden zu bestimmten Zeiten bzw. in bestimmten Situationen immer wieder auf? Allergie?
  • Sind Begleitsymptome vorhanden?

Bei der Unterscheidung zwischen einer akuten und einer chronischen Rhinosinusitis ist vor allem die symptomorientierte Beschreibung von Krankheitsverlauf und der Beschwerdedauer von Bedeutung.
Eine akute Rhinosinusitis (RS) wird mit einem zeitlichen Verlauf der Beschwerden im Bereich von 12 Wochen definiert; unter einer rezidivierenden RS versteht man immer wiederkehrende Episoden einer akuten RS, die mindestens 4-mal innerhalb von 12 Monaten (gerechnet ab dem Zeitraum der ersten Episode) auftreten; zwischen den Episoden klingen die Symptome vollständig ab; bei einer chronischen RS dauern die Beschwerden länger als 12 Wochen an.

Akute RS

Infekt der oberen Luftwege; Schleimhautschwellung, Verlegung der Ostien und in Folge Sekretstau in den Nasennebenhöhlen; entzündlicher Prozess ⇒ Abfluss und Ventilation der Nebenhöhlen beeinträchtigt.

Typische Lokalsymptome:

  • pochende Schmerzen oder ein Druckgefühl über und hinter den Augen, im Wangenbereich und bei der Nasenwurzel
  • Kopfschmerzzunahme beim Bücken
  • Engegefühl bzw. Verstopfung oder Druckgefühl der Nase
  • gesteigerte und häufig eitrige nasale bzw. retronasale Sekretion („postnasal drip“)
  • Schmerzen im Oberkiefer, die in die Zähne ausstrahlen können ⇒ „Zahnschmerzen“
  • Schwellung im Stirn- und Gesichtsbereich

Nebensymptome und Allgemeinbeschwerden:

  • Halsschmerzen, Dysphonie
  • Husten (Bronchosinusitis)
  • Ohrenschmerzen
  • Abgeschlagenheit, allgemeines Krankheitsgefühl, eventuell Fieber
  • Verminderung des Hörvermögens durch mangelhaften Druckausgleich
  • gestörter Geruchs- und Geschmacksinn

Chronische RS

Die Symptome sind denen einer akuten RS sehr ähnlich, oft aber weniger charakteristisch bzw. weniger stark ausgeprägt; das Gesamtbild ist unter Umständen eher uncharakteristisch; häufig sind auch die Schmerzen geringer oder fehlen ganz; zeigt oft jahre- bzw. lebenslange Verläufe.

Mögliche Symptome:

  • Abgeschlagenheit
  • gestörte Nasenatmung (oft einseitig!)
  • Druck- oder Schwellungsgefühl
  • dauerhaft schleimiges oder eitriges Sekret im Nasenrachenraum
  • Riechstörungen
  • postnasale Sekretion
  • Infektanfälligkeit

Weitere mögliche Ursachen für eine Rhinosinusitis:

  • erkrankte Zahnwurzel, Zahnextraktion
  • Zahnwurzelentzündung, Kiefernhöhlenentzündung
  • Erreger im Badewasser (Badesinusitis)
  • Druckschwankungen beim Fliegen und Tauchen (Barosinusitis)
  • Verkrümmungen der Nasenscheidewand
  • Nasenpolypen

Wichtig! ⇒ bei einer chronischen RS und bei häufig wiederkehrenden Episoden der akuten RS sollte auch nach allergischen Erkrankungen gesucht werden; laut Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde liegt die Inzidenz der allergischen Rhinitis bei Erwachsenen bei akuter Rhinosinusitis bei 25–30 % und bei chronischer Rhinosinusitis bei 40–80 %.
Es kommt häufig vor, dass eine verstopfte Nase, Atembeschwerden oder Husten im Winterhalbjahr für Symptome einer Erkältung gehalten werden, obwohl tatsächlich eine Allergie die Ursache ist. Gerade die „Indoor-Allergien“ verursachen in der Heizperiode Beschwerden, die denen eines grippalen Infektes sehr ähnlich sind.

Selbstmedikation

Die aktuelle Leitlinie Rhinosinusitis empfiehlt bei einem akuten unkomplizierten Verlauf eine symptomorientierte Therapie ⇒ Drainage und Belüftung der Nebenhöhlen, entzündungs- und schmerzstillende Therapie; um Komplikationen zu vermeiden, ist es wichtig, frühzeitig mit der Behandlung zu beginnen.

  • schleimhautabschwellende Präparate (oral, lokal), um die Ausführungsgänge der Nasennebenhöhlen wieder freizu­machen ⇒ wegen Nebenwirkungen und Gewöhnungsgefahr nur über einen Zeitraum von maximal 10 Tagen verwenden (Rebound-Effekt und Rhinitis medicamentosa); eventuell abwechselnd immer nur eine Seite therapieren; bevorzugt Präparate mit niedriger Dosierung („Kinderdosierungen“) und konservierungsmittelfreie Präparate verwenden; bei oralen Dekongestiva muss unbedingt auf die Kontraindikationen geachtet werden (z. B. erhöhter Blutdruck, Hyperthyreose, KHK u. a.).
  • Nasenspülungen oder -sprays mit hypertonen gepufferten Lösungen können die Beschwerden bei chronischen Verläufen mildern, das gilt auch für die Inhalation warmer Dämpfe.
  • Zubereitungen mit Hyaluronsäure unterstützen die Schleimhäute bei der „Befeuchtung“.
  • Dexpanthenol unterstützt die Regeneration einer geschädigten Schleimhaut.
  • Zusätze von ätherischen Ölen zur lokalen Anwendung werden bei Schnupfen meist als angenehm empfunden (nicht für Säuglinge und Kleinkinder)
  • Die orale Einnahme von ätherischen Ölen wie Myrtol, Cineol oder Speiköl kann auf unterschiedliche Art und Weise die Beschwerden einer Sinusitis positiv beeinflussen.
  • Weiters helfen Sekretolytika und Mukolytika, die Viskosität des Schleims herabzusetzen und den Sekretstau zu beseitigen, z. B. Acetylcystein, Ambroxol.
  • Kombinationsphytotherapeutika, z. B. aus Schlüsselblume, Enzian, Sauerampfer, Holunder und Eisenkraut, wirken gegen akute und chronische Entzündungen der Nasennebenhöhlen.
  • Acetylsalicylsäure, Ibuprofen oder Paracetamol zur Linderung der Schmerzsymptomatik, auch in Kombination z. B. mit Pseudoephedrin, Phenylephrin, Ephedrinsulfat (schleimhautabschwellend)

Zu beachten: Bei bronchialen Grunderkrankungen sind ätherische Öle mit Vorsicht anzuwenden, da sie z. B. einen Asthmaanfall auslösen können; Nasenduschen müssen regelmäßig gereinigt werden bzw. desinfiziert werden; Spüllösungen immer frisch zubereiten.

Wichtig! Bei der Abgabe eines Kortison-Nasensprays müssen die Patient:innen darauf hingewiesen werden, dass die volle Wirkung erst nach einigen Tagen eintritt. Damit soll verhindert werden, dass der Spray nicht abgesetzt wird, da er im Gegensatz zu einem abschwellenden Spray keine sofortige Wirkung zeigt.

Weitere unterstützende Therapieoptionen:

  • Präparate zur Stärkung des Immunsystems ⇒ Echinacea, schwarze Holunderbeere, Zistrose, Kapland-Pelargonie, Eleutherococcus, Enzympräparate, Vitamine, Mineralstoffe (Vitamin C, Vitamin D, Zink, Selen), Pro- und Präbiotika
  • Schüßler-Salze
  • Homöopathie

Beratungstipps

Unterstützende, einfache Maßnahmen:

  • viel trinken; Schleim in den Atemwegen wird verflüssigt
  • Inhalationen (42–45 °C) zur Befeuchtung und Befreiung der Atemwege mit geeigneten schleimlösenden Zusätzen; damit die Wirkstoffe tief in die Atemwege gelangen ⇒ vorher abschwellende Nasensprays bzw. Nasentropfen benutzen
  • Ruhe und Wärme ⇒ warme Hals- und Brustwickel, Rotlicht, Erkältungsbad

Arztbesuch empfehlen:

Eine fachärztliche Untersuchung sowie weiterführende Diagnostik und dringende Behandlung sind erforderlich bei:

  • starken Schmerzen, starkem Gesichtsschmerz
  • Fieber
  • Nasenbluten
  • erworbener Asymmetrie des Mittelgesichtes oder der Augen
  • Schwellungen um die Augen, präfrontaler Schwellung
  • entzündlichen Hautrötungen
  • Lichtempfindlichkeit und Nackensteife
  • Sehstörungen

Epilog

Die Apotheke ist häufig die erste Anlaufstelle für Patient:innen mit einer Rhinitis bzw. Rhinosinusitis.

Bei computertomografischen Aufnahmen der Nasennebenhöhlen wird gezeigt, dass bei einer Erkältung die Schleimhäute der Nase und Nebenhöhlen gleichzeitig beteiligt sind.

Sekretstau lösen

Schleimhautabschwellende Präparate (lokal oder oral) helfen, die Ausführungsgänge der Nasennebenhöhlen ­wieder frei zu machen bzw. freizu­halten. Die lokale Anwendung von α-Sympa­thomimetika in Form von Nasentropfen, -sprays und -gelen lässt die Nasenschleimhäute abschwellen und führt zu ­einer Verbesserung des ­Sekretabflusses. Die Wirkung setzt nach wenigen ­Minuten ein und dauert je nach Wirkstoff vier bis acht Stunden an. Nasengele sind auch bei empfindlicher Schleimhaut gut verträglich. Die Gel-Grundlage beugt einer möglichen Austrocknung der Nasenschleimhaut vor, und die ­Anwendung eignet sich daher speziell zur Behandlung von Schnupfen mit Krustenbildung.
Aufgrund von möglichen Nebenwirkungen (Hypertonie, Angstgefühl, Erregung u. a.) sollten Nasengele bei Kindern nur mit Vorsicht angewendet werden. Prinzipiell ist gerade bei Kindern die Verwendung von Nasentropfen bzw. -sprays in kindergerechten, dem Alter entsprechenden Dosierungen zu bevorzugen.
Nasentropfen und -sprays können im Intervall mit Meerwassersprays (auch mit Zusätzen wie Hyaluronat, Dexpanthenol etc.) angewendet werden, um eine Austrocknung der Schleimhäute zu verhindern. Zubereitungen mit ätherischen Ölen zur lokalen Anwendung werden bei Schnupfen meist als angenehm empfunden (nicht für Säuglinge und Kleinkinder).

Myrtol, Cineol und Speiköl

Myrtol ist ein standardisiertes Gemisch aus Limonen, Cineol und α-Pinen ­(Destillation von Eukalyptus- und ­Zitrusöl) und wirkt sekretomotorisch, sekretolytisch, mukolytisch, anti­phlogistisch und schleimhautabschwellend. Cineol wird aus ­Eukalyptusöl gewonnen und hat ähnliche Wirkungen wie Myrtol. Speiköl (auch „Speiköl“) ist das ätherische Öl einer Lavendelart ­(Lavandula latifolia) und besitzt einen ­hohen Anteil an Campher und Cineol.Alle drei Substanzen aktivieren die na­türlichen Selbstreinigungskräfte der Atemwege; der festgesetzte Schleim wird gelöst, und die entzündlich veränderte Schleimhaut kann sich wieder regenerieren. Zusätzlich unterstützen entzündungshemmende Eigenschaften den Heilungsprozess. Wichtig ist die Einnahme eine halbe Stunde vor einer Mahlzeit. Bei magenempfindlichen Personen empfiehlt sich die Einnahme nach dem Essen. Zur Erleichterung der Nachtruhe kann die letzte Dosis vor dem Schlafengehen eingenommen werden.