Schwindel ist keine selbstständige Krankheit, sondern wird als multisensorisches und sensomotorisches Syndrom unterschiedlicher Ätiologie und Pathogenese betrachtet, welches als Haupt- oder Begleiterscheinung anderer Erkrankungen auftritt. Aus diesem Grund ist es wichtig zu differenzieren, um welche Art von Schwindel es sich handelt.
Mit dem Alter steigt die Prävalenz von Schwindel an: Im jungen Erwachsenenalter leiden weniger als 10 % an Schwindel, während bei den über Sechzigjährigen fast jede:r Vierte davon betroffen ist. Frauen sind fast doppelt so häufig betroffen wie Männer.
In jedem Fall ist das körperliche Warnsignal „Schwindel“ ernst zu nehmen, da auch immer die Möglichkeit besteht, dass eine Erkrankung (z. B. kardiovaskuläre Störungen, Infektionskrankheiten, degenerative Prozesse, Stoffwechselstörungen, Neoplasien, Traumen, Allergien, Autoimmunprozesse) der Grund für die Beschwerden ist. Auch eine Polymedikation kann für das Symptom Schwindel verantwortlich sein. Aus diesem Grund sollte immer eine ärztliche Abklärung empfohlen werden.
Auf den ersten Blick – Wirksames für die Selbstmedikation
Gleichgewichtsorgane bzw. -systeme:
– Störung der Reizaufnahme im Gleichgewichtsorgan (Vestibularapparat) im Innenohr und/oder der Reizweiterleitung durch den Nervus vestibulocochlearis (peripher-vestibuläre Schwindelform)
– Störung in Hirnstamm, Kleinhirn oder Cortex (zentral-vestibuläre Schwindelform)
– Störung des visuellen oder somatosensorischen (propriozeptiven) Sinnessystems
Verschiedene Erkrankungen können Schwindel als Symptom haben, z. B.:
Prinzipiell wird zwischen vestibulärem und nichtvestibulärem Schwindel unterschieden.
Vestibulärer Schwindel ⇒ entsteht „im Kopf“, z. B. durch widersprüchliche Reize, gestörte Verarbeitung; die Auslöser sind Erkrankungen oder Irritationen des Gleichgewichtssystems; Betroffene erleben den Schwindel meist als Drehschwindel, z. B.:
Nichtvestibulärer Schwindel ⇒ Auslöser für Schwindel liegt nicht in den Gleichgewichtsorganen. Beispiele:
Die Therapie richtet sich nach der Art des Schwindels; Antivertiginosa werden meist bei heftigem Drehschwindel (evtl. mit Übelkeit) kurzfristig eingesetzt, z. B. Betahistin (H3-Antihistaminikum), Flunarizin und Cinnarizin (Calciumkanalblocker), Sulpirid (atypisches Neuroleptikum).
Zu beachten! Alle Antivertiginosa wirken zentral ⇒ Müdigkeit und Benommenheit als Nebenwirkung möglich; kann in der Folge wiederum zu Schwindel führen.
Begleitsymptome eines Schwindels, die schwere Erkrankungen anzeigen können:
Bei vielen Schwindelbeschwerden liegt eine neurologische Störung vor. Aber auch Alter, bestimmte Grunderkrankungen und Medikamente können Schwindelgefühle auslösen.
Oft sind die Schwindelerscheinungen von Übelkeit, Erbrechen, Schweißausbrüchen und Angstzuständen begleitet. Viele Vertigo-Patient:innen sind im Alltagsleben, v. a. außerhalb der eigenen vier Wände, stark verunsichert, meiden Unternehmungen und fühlen sich in ihrer Lebensqualität eingeschränkt.
Ältere Menschen haben meist viele „Voraussetzungen“, welche die Entstehung von Schwindel begünstigen. In vielen Fällen ist Schwindel im Alter einfach eine normale Folge des Alterungsprozesses, da letztlich die Sinnesorgane nicht mehr optimal „zusammenspielen“. Oft ist das Innenohr schlechter durchblutet, die Nervenübertragung verlangsamt, und die Reizverarbeitung im Gehirn funktioniert nicht mehr so gut. Die Symptome äußern sich in Schwank- und Drehschwindel und den damit verbundenen Gleichgewichtsstörungen. Aber auch das räumliche Sehvermögen ist im Alter eingeschränkt, und zusätzlich kann die abnehmende Muskelmasse die Tiefensensibilität stören. Weiters können alterstypische Erkrankungen – wie zu hoher oder zu niedriger Blutdruck, Gefäßerkrankungen, Stoffwechselstörungen, Diabetes, Parkinson u. a. – Schwindel verursachen. Nicht vergessen sollte man die psychischen Gründe für Schwindel bei älteren Personen: Laut Deutscher Seniorenliga sind Depressionen, Einsamkeit, Trauer oder Angst für ungefähr ein Drittel aller Schwindelanfälle verantwortlich.
Aber nicht nur eine Funktionsstörung des Gleichgewichtssinns, sondern auch die Psyche kann Schwindelanfälle auslösen. Dieser „psychische“ Schwindel (nichtorganischer, psychogener oder somatoformer Schwindel) tritt häufig als Folge unterschiedlicher Ängste, Konflikte und psychosozialer Stressfaktoren (etwa Panikattacken) auf. Externe Auslöser können Brücken, leere Räume, Menschenansammlungen u. a. sein. Die Übergänge sind meist fließend. Interessant ist auch, dass viele ursprünglich organisch bedingte Schwindelerkrankungen in einen psychogenen Schwindel übergehen können und in diesem Fall besteht die Gefahr einer Chronifizierung.
Bestimmte Medikamente können als Nebenwirkung oder bei zu hoher Dosierung Schwindel auslösen, etwa Beruhigungs- und Schlafmittel, muskelentspannende Mittel, Antiepileptika, Antidepressiva, Migräne-Präparate, Diuretika und Herz-Kreislauf-Medikamente. Wenn der Verdacht besteht, dass die aktuelle Medikation für den Schwindel verantwortlich ist, sollte umgehend eine ärztliche Konsultation erfolgen.