Beratungsleitfaden: Wund- und Narbenpflege

Das Ziel jeder Wundversorgung ist die Vermeidung von Infektionen und die Unterstützung und Beschleunigung der Wundheilung. Eine saubere, nicht infizierte Wunde sollte das Ziel jeder Wundbehandlung sein, da Infektionen den physiologischen Heilungsprozess hemmen und unschöne Narben entstehen können.

Die im täglichen Leben am häufigsten vorkommenden Verletzungen sind Schürf- und Kratzwunden, Blasen, kleinflächige Verbrennungen und Verbrühungen. Die/Der Kund:in sollte über die reichhaltige Auswahl an verfügbaren Desinfektionsmitteln, Wundauflagen und Heilsalben sowie über deren richtige Anwendung informiert werden. Auch für die Zusammenstellung einer vernünftigen „Wundversorgungshausapotheke“ bieten sich an der Tara sehr viele Möglichkeiten.

Auf den ersten Blick – Wirksames für die Selbstmedikation

    • Silikonpräparate (z. B. Gele, Pflaster): Okklusion und Durchfeuchtung beeinflussen die Wachstumsfaktoren und Kollagenproduktion.
    • Heparin lockert die Kollagenstruktur auf, wirkt entzündungshemmend und begünstigt die Wasserbindung im Narbengewebe.
    • Dexpanthenol lindert Juckreiz, hemmt die Entzündung und fördert die
      Wundheilung.
    • Allantoin wirkt reizlindernd, fördert die Wundheilung und erhöht die Wasserbindungskapazität.
    • Zwiebelextrakt wirkt entzündungshemmend, bakterizid und hemmend auf die Fibroblastenproliferation.
    • Massageöle halten das Gewebe geschmeidig und belastungsfähig.

Empfehlungen für das Gespräch an der Tara

Fragen an die/den Kund:in:

  • „Alter“ der Wunde bzw. Narbe ⇒ akut oder chronisch; „unreife“ oder „reife“ Narbe?
  • Um welche Wunde bzw. Narbe handelt es sich ⇒ Lokalisation, Art der Wunde bzw. Narbe?
  • Welche Maßnahmen wurden bereits unternommen?
  • Sind Begleitsymptome vorhanden, z. B. Rötung, Entzündung, Schmerzen?

Ziel einer phasengerechten Wundheilung ist eine rasche, einfache und für die/den Patient:in angenehme und schmerzfreie Behandlung der Wunde.

Optimale Wundversorgung

Damit die Wunde schnell und ohne Komplikationen abheilt, sollten optimale Bedingungen geschaffen werden, z. B. eine saubere Wunde, glatte und dicht aneinanderliegende Wundränder, eine gute Durchblutung des Gewebes und ein feuchtes Wundmilieu; eine sorgfältige Wundreinigung ist wichtig, um Schmutzpartikel aus der Wunde zu entfernen und einer Wundinfektion vorzubeugen.

Wundheilung

Der Prozess der Wundheilung verläuft in drei Phasen, die sich
zeitlich überlappen und auch parallel verlaufen können; über
die Aktivierung der Gerinnungskaskade unter Mitwirkung des
Gewebefaktors (Faktor III oder Gewebethromboplastin) wird
die Wunde „provisorisch“ verschlossen ⇒ Vermeidung von
weiteren Blutverlusten und Schutz vor Keimen.

  • Exsudationsphase bzw. Reinigungs- oder Entzündungsphase (1–4 Tage) ⇒ Es bildet sich eine Kruste aus Blutplättchen und Wundsekret; Entzündungszellen wandern aus dem Blut in die Wunde ein.
  • Granulations- bzw. Proliferationsphase (2–16 Tage) ⇒ Es bilden sich neue Blutgefäße und neues Bindegewebe.
  • Epithelisierungsphase bzw. reparative Phase (5–25 Tage) ⇒ Die Wunde wird von neu gebildeter Hornhaut verschlossen.

Wichtig! Besonders in der Granulations- und Epithelisierungsphase ist eine „Wundruhe“ in einem optimalen feuchten Grundmilieu wichtig.

Narbe (Cicatrix) ⇒ entsteht bei der physiologischen Wundheilung, wenn tiefere Hautschichten verletzt sind; bei kleinen Verletzungen (Schürfwunden, kleinen Schnitten) ist nur die obere Schicht der Epidermis verletzt, die intakte Basalschicht (Stratum basale) kann neue Hautzellen produzieren; bei Verletzungen bis in die Lederhaut oder tiefer ist eine Wundheilung ohne Narbenbildung nicht möglich ⇒ Hautzellen werden durch unelastisches Bindegewebe ersetzt, d. h., es handelt sich um eine gutartige Vermehrung von Bindegewebe. In der Heilungsphase (unreife Narbe, mehrere Monate bis ein Jahr) ist das Gewebe oft gerötet und leicht erhaben; manchmal kann es auch zu Juckreiz und Schmerzen kommen; „reife“ Narben sind weich, flach, blass und schmerzlos.

Wichtig: Da Narben kein Pigment enthalten, müssen diese vor der Sonne geschützt werden. Pathologische Narben liegen vor, wenn diese Schmerzen, Juckreiz, Berührungsempfindlichkeit oder Bewegungseinschränkungen verursachen oder wenn aufgrund ihres Aussehens die/der Betroffene psychische Probleme hat.

Einteilung Narben

  • Physiologische Narben ⇒ verursachen nach vollständiger „Ausreifung“ in den meisten Fällen keine Beschwerden.
  • Hypertrophe Narben ⇒ wulstartig über das umgebende Hautniveau erhaben und rötlich; auf den Bereich der ursprünglichen Wunde beschränkt; entstehen oft bei verzögerter Wundheilung oder durch mangelnde Ruhestellung in der ersten Phase der Wundheilung; auch bei entzündlichen Hauterkrankungen (z. B. schwere Akne), Verbrennungen und Verbrühungen und in Körperbereichen mit erhöhter Hautspannung (Dekolleté, Hals, Schulterbereich, oberer Rücken) ist das Risiko erhöht.
  • Keloide ⇒ erhöhte Wucherungen, die über den Rand der Wunde hinauswachsen und häufig „lippenförmige“ Stränge bilden; sie sind blass- bis tiefrot, hart, mit Druck- oder Spannungsschmerz und Juckreiz; ein erhöhtes Risiko besteht bei genetischer Veranlagung, starker Hautpigmentierung und in der Pubertät und Schwangerschaft (Einfluss der Hormone auf das überschießende Wachstum).
  • Atrophe Narben ⇒ eingesunkene Narben (Akne, aufgekratzte, entzündete Windpocken-Pusteln); die Ursache ist eine längerdauernde Entzündung in tieferen Hautschichten; führt zu einer Zerstörung von Lederhaut und Unterhautfettgewebe und in Folge zu Substanzverlust.
  • Verbrennungs- und Verbrühungsnarben ⇒ hypertrophe Narben, die auch Keloide bilden können

Selbstmedikation

Narbenpflege frühzeitig beginnen

Rascher Therapiebeginn ⇒ steigert die Chancen, dass sich die Narbe glatt, elastisch, widerstandsfähig und kosmetisch unauffällig entwickelt. Laut S2k-Leitlinie „Therapie pathologischer Narben (hypertrophe Narben und Keloide)“ ⇒ Silikongele und Externa mit Zwiebelextrakt zur Vorbeugung und Therapie; diese sollten nach dem Verschluss der Wunde zu Beginn vorsichtig und bei zunehmender Festigkeit des Gewebes kräftig einmassiert werden.

  • Silikonpräparate (z. B. Gele, Pflaster) ⇒ Okklusion und Durchfeuchtung beeinflussen die Wachstumsfaktoren und Kollagenproduktion.
  • Zwiebelextrakt ⇒ entzündungshemmend, bakterizid und hemmend bei der Fibroblastenproliferation; mehrmals tägliche Anwendung mit einer leichten Massage des Narbengewebes; bei älteren Narben kann eine Anwendung unter Okklusion probiert werden.
  • Heparin ⇒ lockert die Kollagenstruktur auf, wirkt entzündungshemmend und begünstigt die Wasserbindung im Narbengewebe.
  • Dexpanthenol ⇒ lindert Juckreiz, hemmt die Entzündung und fördert die Wundheilung.
  • Allantoin ⇒ reizlindernd, fördert die Wundheilung und erhöht die Wasserbindungskapazität.
  • Massageöle (z. B. Johanniskrautöl, Wildrosenöl u. a.) ⇒ halten das Gewebe geschmeidig und belastungsfähig.
  • Zur Vorbeugung und Therapie ⇒ regelmäßige, sanfte Massage, frühestens 4 Wochen nach Wundverschluss; wirkt durchblutungsfördernd, lockert das Gewebe auf und fördert den Abbau von überschüssigem Kollagen.

Wichtig für die Beratung! Geduld und Kontinuität sind notwendig; Prozess der Narbenbildung erfolgt über eine lange Zeit (Monate bis Jahre); regelmäßige Anwendung über einen längeren Zeitraum ⇒ 3 bis 6 Monate (je nach Produkt), eine Besserung sollte nach 2 bis 3 Monaten zu erkennen sein (ansonsten Produktwechsel).

Therapien bei wulstigen Narben

  • Microneedling (v. a. bei Verbrennungs- und Verbrühungsnarben) ⇒ Narbengewebe wird mit vielen kleinen Nadeln durchstochen; durch die winzigen Verletzungen wird die Wundheilung in Gang gesetzt und kann so das Narbenbild durch die Bildung von Kollagen verbessern.
  • Narbenoperation ⇒ frühestens nach einem Jahr; die Narbe wird komplett oder teilweise entfernt, vernäht oder mit einem Hauttransplantat abgedeckt.

Beratungstipps zur Vermeidung pathologischer Narben

  • Zug- und Dehnbelastungen und ruckartige Bewegungen vermeiden ⇒ beeinträchtigen das junge Narbengewebe und begünstigen die Bildung hypertropher Narben.
  • Keine enganliegende Kleidung tragen, die scheuern könnte.
  • Bei juckenden Narben nicht kratzen.
  • Narbengewebe verfügt über keinen Eigenschutz in der Sonne ⇒ direkte Sonne vermeiden oder hohen Sonnenschutz verwenden.
  • Vermeidung von UV-Strahlung bei frischen Wunden ⇒ kann den Heilungsprozess, die Farbe und die Beschaffenheit von Narbengewebe beeinträchtigen.
  • Starke Temperaturschwankungen meiden ⇒ beeinflussen die Vernarbung negativ, z. B. Sauna.

Epilog

Ein feuchtes Wundmilieu kann die Heilung beschleunigen und einer Narbenbildung entgegenwirken.

Früher wurde immer der Rat gegeben, „Luft“ an die Wunde zu lassen. Der Nachteil dieser „trockenen“ Wundheilung ist jedoch, dass es dabei zur Schorfbildung kommt und der Prozess der Wundheilung eher verlangsamt und gleichzeitig die Narbenbildung begünstigt wird.

Feuchte Wundheilung

Heute wird auch zur Behandlung ganz typischer Alltagswunden das Prinzip der „feuchten“ Wundheilung empfohlen. Moderne Wundverbände beeinflussen die physiologischen Wundheilungsprozesse positiv, da sie ein feuchtes Wundmilieu schaffen und somit die Granulations- und Epithelisierungsphase fördern. Durch die feuchte Wundheilung wird die Bildung von Schorf verhindert, die Heilungsphase beschleunigt und einer Narbenbildung vorgebeugt. Innovative Gelpflaster erfüllen diese Kriterien der feuchten Wundheilung optimal. Sie liegen wie eine zweite Haut auf der Wunde und bieten somit Schutz vor äußeren Einflüssen und können außerdem mehrere Tage auf der Wunde verbleiben.

Hydroaktive Wundauflagen

Zu den hydroaktiven Wundauflagen zählen Kompressen aus Hydrogel, Alginat, Hydrokolloid, Schäumen, Superabsorbern und semipermeablen Folien. Vor allem Hydrogele entsprechen dem Therapieansatz der feuchten Wundheilung. Aufgrund der atmungsaktiven Eigenschaften können Hydrogele während der gesamten Wundheilungsphase und auch bei verschiedenen Wundarten (besonders zur Behandlung von Schürfwunden und kleineren Schnittwunden) angewendet werden. Alginate sind starke Gelbildner und werden deshalb bei stark nässenden Wunden mit oder ohne Infektion eingesetzt. Sie bilden ein visköses Gel und haben ein enormes Quell- und Bindungsvermögen, womit automatisch eine natürliche Wundreinigung unterstützt wird. Hydrokolloid bewahrt die Wunde vor Bakterien und Verunreinigungen. Es saugt Wundsekret auf und verwandelt dieses in ein gelartiges Kissen, dass die Wunde schützt und für ein feuchtes Milieu sorgt.

Narbenpflaster

Das Ziel von Narbenpflastern ist, das Narbengewebe zu reduzieren, die Narben insgesamt heller, elastischer und flacher zu gestalten. Klassische Narbenpflaster sollten erst nach der abgeschlossenen Wundheilung angewendet werden. Optimal wäre eine Behandlung über 2 bis 3 Monate, ist aber natürlich auch abhängig von der jeweiligen Wunde und deren Beschaffenheit. Narbenpflaster sind atmungsaktiv und wasserundurchlässig und erzeugen somit ein Hautklima, dass die Stoffwechselprozesse anregt und die Neubildung von Hautzellen fördert. Zu beachten ist, dass das Pflaster nie für mehr als 12 Stunden entfernt werden darf, denn nur dann ist der Regenerationsprozess gewährleistet.