Beratungsleitfaden: Wundbehandlung

Die Wundheilung ist der Prozess im Körper, der das möglichst rasche Verschließen einer Wunde zum Ziel hat. Hierbei können zwei unterschiedliche Wege definiert werden: Bei der Regeneration wird durch spezifisches Gewebe das verloren gegangene Gewebe ersetzt– dieser Prozess ist bei Schleimhäuten, Epithelien (Epidermis) und im Bereich des Magen-Darm-Traktes möglich, wohingegen bei der Reparation das zerstörte Gewebe durch unspezifisches Bindegewebe ersetzt wird. Die Wundheilung selbst ist in vier Phasen eingeteilt, die parallel und überschneidend ablaufen:

  • Exsudationsphase
  • Resorptionsphase
  • Proliferationsphase
  • Regenerations- oder Reparationsphase

 

Auf den ersten Blick / Wirksames für die Selbstmedikation

Wundreinigung und Desinfektion: Octenidin, Polyhexanid, Povidon-Iod, Wasserstoffperoxid, alkoholische Antiseptika

Wundheilungsfördernde Salben und Gele: Produkte mit Dexpanthenol, Hyaluronsäure oder Zinkoxid

Wundauflagen und Verbände: sterile Pflaster, Mullbinden, Hydrogele und Alginatverbände

Schmerzmittel: Paracetamol oder Ibuprofen zur Schmerzlinderung bei größeren oder schmerzhaften Wunden

Spezielle Wundauflagen: Elastic-Wundverbände, ­Fingerstrips und Fingerkuppenpflaster, wasserfeste ­Pflaster, sensitive Pflaster

Weiters: silberhaltige Wundauflagen, Sprühpflaster und Hydrogele, Produkte zur Narbenpflege (Narbenpflaster, Silikongelfolien …)


Typische Fragestellungen in der Apotheke

Um welche Art von Wunde handelt es sich?

  • Akute Wunden: Dazu gehören Schnittwunden, Schürfwunden, Stichwunden und Verbrennungen.
  • Chronische Wunden: Hierzu zählen Dekubitus, Ulcus cruris und diabetische Fußulzera ⇒ unbedingt abklären, ob eine ärztliche Untersuchung bereits stattgefunden hat!
  • Mechanische, chemische und thermische Wunden: Jede Kategorie erfordert eine spezifische Behandlungsstrategie.

Welche Erste-Hilfe-Maßnahmen wurden bereits ergriffen?

  • Reinigung der Wunde mit steriler Kochsalzlösung oder mit speziellen Wundreinigern
  • Anwendung von antiseptischen Lösungen zur Vermeidung von Infektionen
  • Abdeckung der Wunde mit einem sterilen Verband oder Pflaster

Womit wurde die Wunde behandelt, bzw. welche Produkte sind in der Hausapotheke vorhanden?

  • Antiseptika: zum Beispiel Povidon-Iod, Octenidin oder Wasserstoffperoxid
  • Wundheilungsfördernde Salben und Gele: Produkte mit Dexpanthenol, Hyaluronsäure oder Zinkoxid
  • Wundauflagen und Verbände: sterile Pflaster, Mullbinden, Hydrogele und Alginatverbände
  • Schmerzmittel: Paracetamol oder Ibuprofen zur Schmerzlinderung bei größeren oder schmerzhaften Wunden

Bei Brandwunden: Wann war die Verbrennung? Was war Teil der Akutversorgung?

  • sofortige Kühlung der Wunde mit lauwarmem Wasser
  • Anwendung spezieller Brandsalben und -gele zur Schmerzlinderung und Heilungsförderung
  • Beratung zur weiteren ärztlichen Behandlung bei schweren Verbrennungen (Verlaufskontrolle)

Zur postoperativen Versorgung: Wann war der Eingriff? Wann ist die Nachbehandlung?

    • sterile Pflaster und Wundauflagen zur Abdeckung und zum Schutz der Wunde
  • Narbensalben und -gele zur Verbesserung der Heilung und Minimierung der Narbenbildung

SELBSTmedikation

Wundreinigung und Desinfektion

  • Octenidin und Polyhexanid: Diese Antiseptika sind farblos, brennen nicht und haben ein breites Wirkspektrum. Sie sind gut verträglich und können bei verschiedenen Arten von Wunden eingesetzt werden.
  • Povidon-Iod: Obwohl wirksam, wird es durch Blut und Eiter inaktiviert und ist daher für blutende Wunden ungeeignet. Zudem kann die Braunfärbung von Textilien ein Nachteil sein. Cave: In Kombination mit Octenidin können sich an der Wunde stark hautreizende Iod-Radikale bilden. CAVE: Schilddrüsenerkrankungen
  • Alkoholische Antiseptika: Aufgrund des Brennens auf der Haut und der möglichen Reizung nicht empfehlenswert. Sie sollten nur in Ausnahmefällen und bei nichtblutenden Wunden angewendet werden.Die Entfernung von Schmutzpartikeln und Keimen ist der erste Schritt der Wundversorgung. Kleinere Fremdkörper können mit fließendem Leitungswasser oder steriler Kochsalzlösung herausgespült werden. Bei komplizierteren Wunden sollten sterile Instrumente verwendet werden.

Feuchte vs. trockene Wundversorgung

Feuchte Wundheilung bietet durch Produkte wie Hydrokolloid- und Hydrogelverbände viele Vorteile:

  • Schnellere Gewebebildung: In einer feuchten Umgebung verläuft die Gewebeneubildung bis zu 50 % schneller als unter einer trockenen Kruste.
  • Reduziertes Narbenrisiko: Eine feuchte Umgebung unterstützt die Hautzellen und minimiert das Risiko einer unschönen Narbenbildung.
  • Atraumatischer Verbandwechsel: Moderne feuchte Wundauflagen ermöglichen einen schmerzfreien Verbandwechsel, da sie nicht in die Wunde einwachsen.

Trotz der Vorteile der feuchten Wundheilung wird die Mehrheit der Wunden traditionell trocken versorgt. Es besteht ein erheblicher Beratungsbedarf, um die Vorteile der feuchten Wundversorgung in der Apotheke an Kund:innen zu vermitteln.

Spezifische Wundauflagen

Je nach Wundart und -ort sind spezielle Pflaster oder Verbände zu empfehlen:

  • elastische Wundverbände: ideal für Gelenke und bewegliche Körperteile. Diese Verbände passen sich den Bewegungen an und bieten so einen optimalen Schutz.
  • Fingerstrips und Fingerkuppenpflaster: für Wunden an den Händen und den Fingern. Sie sind so gestaltet, dass sie auch bei häufiger Bewegung sicher haften.
  • wasserfeste Pflaster: zum Schutz beim Duschen oder beim Schwimmen. Diese Pflaster bieten eine zuverlässige Abdichtung gegen Wasser und Schmutz.
  • sensitive Pflaster: für empfindliche Haut und insbesondere bei Kindern. Diese Pflaster sind hypoallergen und besonders hautfreundlich, um Reizungen zu vermeiden.

Besondere Anwendungen:

Silberhaltige Wundauflagen ⇒ besitzen antibakterielle und antiseptische Eigenschaften ⇒ Anwendung v.a. bei Wunden, die infiziert sind oder ein hohes Infektionsrisiko haben.

Sprühpflaster ⇒ bilden beim Auftragen auf die Haut einen wasserfesten und elastischen Schutzfilm ⇒ für schwer ­zugängliche Wundstellen und zur schnellen Abdeckung ­kleinerer Verletzungen

Hydrogele ⇒ wirken kühlend und sorgen für eine optimale Feuchtigkeitsregulierung der Wunde ⇒ fördern die Heilung indem sie trockenen Wunden Feuchtigkeit zuführen und bei nässenden Wunden überschüssiges Sekret aufnehmen ⇒ ­minimieren das Risiko einer ausgeprägten Narbenbildung

Narbenpflaster und Silikonfolien ⇒ fördern die Heilung, reduzieren die Narbenbildung ⇒ Anwendung bei frischen und bestehenden Narben ⇒ Anwendungszeitraum 12-24 h über mehrere Wochen

Narben und Versorgung

Narben entstehen, wenn tiefere Hautschichten verletzt werden. Spezielle Narbenpflegeprodukte wie Pflaster und Silikonfolien (siehe Tabelle) unterstützen die Wundheilung und können das Ausmaß der Narbenbildung verringern. Regenerative Wundheilung erfolgt, wenn geschädigte Zellen durch teilungsfähige Zellen, wie die der Basalschicht der Epidermis, ersetzt werden. Oberflächliche Verletzungen, die nur die Epidermis betreffen, wie Schürfwunden, heilen ohne Narben aus. Bei tieferen Verletzungen entsteht Narbengewebe, welches sich durch fehlende Hautanhangsgebilde und geringere Elastizität als die von normaler Haut unterscheidet.

Frische Narben sind durch die Bildung feiner Blutgefäße ­gerötet und werden mit der Zeit heller, da pigmentbildende Zellen fehlen. Die Sichtbarkeit einer Narbe wird von der Art der Verletzung, dem Heilungsverlauf, dem allgemeinen Gesundheitszustand, genetischen Faktoren und dem Alter der Betroffenen beeinflusst.

Es ist schwierig, Narbenbildung bei großen Wunden vollständig zu verhindern. Die Anwendung von feuchten Wundheilungsmethoden kann das Risiko jedoch stark reduzieren. Narbenpflaster und Silikonfolien sind sowohl für frische als auch ältere Narben geeignet und können direkt nach dem Wundverschluss verwendet werden.


Epilog

Das Ziel jeder Wundbehandlung ist das rasche und komplikationslose Abheilen von Wunden. Ein besonderes Augenmerk sollte in der Beratung auf bestimmte Patientengruppen gelegt werden.

Zur Akutversorgung von Bagatellverletzungen steht in der Apotheke neben den Desinfektionsmitteln und Wundschnellverbänden also ein umfangreiches Sortiment zur Verfügung. Die optimale Wundversorgung in der Apotheke erfordert eine Kombination aus Fachwissen, geeigneten Produkten und der Fähigkeit, die individuellen Bedürfnisse der Patient:innen zu erkennen. Durch eine umfassende Beratung können Apotheker:innen ihre Kund:innen dabei unterstützen, den Heilungsprozess zu beschleunigen und Komplikationen zu vermeiden.

Komplikationen und besondere Patientengruppen

Eine primäre Wundheilung, d. h. eine komplikationsfreie Heilung, ist das Ziel jeder Wundbehandlung. Sekundäre Wundheilung tritt auf, wenn der Heilungsprozess durch Faktoren wie Infektionen, Durchblutungsstörungen oder Diabetes mellitus gestört wird. Besonders bei älteren und immungeschwächten Patient:innen ist eine sorgfältige Wundversorgung essenziell.

  • Infektionen: ein häufiger Grund für Komplikationen in der Wundheilung. Eine infizierte Wunde zeigt oft Anzeichen wie Rötungen, Schwellungen, Eiterbildung und Schmerzen. Eine schnelle und adäquate Behandlung mit Antibiotika und antiseptische Maßnahmen sind entscheidend.
  • Chronische Erkrankungen: Patient:innen mit Diabetes mellitus oder Durchblutungsstörungen haben ein erhöhtes Risiko für Wundheilungsstörungen. Die regelmäßige Kontrolle und eine gezielte Therapie sind notwendig, um Komplikationen zu vermeiden.
    – Diabetes mellitus: Diese Erkrankung beeinträchtigt die Wundheilung erheblich, da sie die Durchblutung und die Nervenfunktion stört. Diabetiker:innen haben ein erhöhtes Risiko für Infektionen und sind anfälliger für chronische Wunden, insbesondere am Fuß (diabetischer Fuß). Eine strikte Blutzuckerkontrolle und spezielle Wundpflegeprodukte sind notwendig, um die Heilung zu fördern.
    – Durchblutungsstörungen: Erkrankungen wie die periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK) reduzieren die Blutzufuhr zu den Extremitäten und verlangsamen dadurch die Heilung. Eine verbesserte Durchblutung durch medikamentöse oder chirurgische Maßnahmen kann die Wundheilung unterstützen.
  • Immungeschwächte Patient:innen: Diese Patientengruppe benötigt eine besondere Aufmerksamkeit, da ihre Wundheilung oft langsamer verläuft und das Risiko für Infektionen stark erhöht ist. Erkrankungen wie HIV/AIDS, chronische Niereninsuffizienz oder die Einnahme von immunsuppressiven Medikamenten können die Wundheilung beeinträchtigen.
  • Ernährungsdefizite: Eine unzureichende Zufuhr von Proteinen, Vitaminen (Vitamin C!) und Mineralstoffen (Zink und Eisen) kann die Wundheilung negativ beeinflussen.

Beratungstipp

Eine optimale Beratung zur Wundversorgung kann nur dann stattfinden, wenn die individuellen Bedürfnisse der Kund:innen mit dem Fachwissen der Apothekerschaft kombiniert wird.