Cholesterin – Ein „fettes“ Problem der Gefäße

Entgegen der Meinung vieler Menschen stammen rund 90 % des Cholesterins im Organismus aus endogener Synthese, nur 10 % des Gesamtcholesterins werden über die Nahrung aufgenommen. Hier sind es hauptsächlich tierische Lebens­mittel, die Cholesterin enthalten wie zum Beispiel Butter mit 280 mg Cholesterin/100 g, Eier 300 mg/100 g oder Vollmilch 12 mg/100 g. Bei Fleisch und ­Innereien kommt es auf das jeweilige verwendete Stück an, so stecken circa 60 mg Cholesterin/100 g in einem durchschnittlichen Rinderfilet, wobei Kalbsleber mit rund 360 mg/100 g schon weitaus mehr Cholesterin enthält. Der weitgehende Verzicht auf tierische Lebensmittel hat also durchaus einen großen Einfluss auf den Gesamtcholesterinspiegel und ist definitiv empfehlenswert bei erhöhten Cholesterinwerten oder weiteren Risikofaktoren, die sich negativ auf arteriosklerotische Prozesse auswirken.

Leitlinie

Mit Erscheinen der neuen ESC (European Society of Cardiology) Leitlinie zur „Diagnostik und Therapie von Dyslipidämien“1 orientiert sich die cholesterinsenkende Therapie nicht mehr ausschließlich an den reinen Laborwerten von LDL-C, HDL-C, TG und Gesamtcholesterin, vielmehr werden zusätzliche Risikofaktoren und Grunderkrankungen in die Therapieentscheidung miteinbezogen. Anhand von definierten Risikoparametern (Alter, Zigarettenkonsum, Diabetes m., chron. Nieren­erkrankung, Hypertonie etc.) werden die Patient:innen in vier Risikogruppen eingeteilt („sehr hohes Risiko“ bis „niedriges ­Risiko“). Die zu erreichenden LDL-C ­Werte sind für jede Risikogruppe einzeln definiert. Das Ziel der Klassifizierung und der nachfolgenden Therapie ist die Eindämmung arteriosklerotischer Gefäßveränderungen und die Risikominimierung für Schlaganfälle und Herzinfarkte.

Therapie

Die Therapie der Hypercholesterinämie stützt sich auf drei Säulen: die Anpassung des Lebensstils, die nichtmedikamentöse/orthomolekulare Therapie und die Arzneimitteltherapie. Den größten Stellenwert sollte natürlich die Veränderung des Lebensstils einnehmen, wobei besonders die passende Ernährung, der Rauchstopp und mehr Bewegung im Alltag eine essenzielle Rolle spielen. In puncto Ernährung sollten gesättigte Fette und Transfette vermieden und der Ballaststoffanteil erhöht werden, neben einer ausgewogenen Ernährung mit möglichst wenig tierischem Fett. Auch die erhöhte Zufuhr von Phytosterolen und roter Reis werden in den aktuellen Leitlinien empfohlen. Letzterer darf laut EU-Verordnung seit Juni 2022 allerdings nur noch mit einem Maximalgehalt von 3 mg Monacolin K in Verkehr gebracht werden. In der Schweiz ist der Verkauf von Rotschimmelreispräparaten verboten. Rotschimmelreis (Roter Reis) wird durch die Fermentation von Reis mit dem Schimmelpilz Monascus purpureus gewonnen. Bei Monacolin K handelt es sich chemisch gesehen um ­Lovastatin, einen HMG-CoA-Reduktasehemmer mit den bekannten Nebenwirkungen, zu denen u. a. Muskelschmerzen, Myopathien, Kopfschmerzen und Verdauungsbeschwerden zählen. Als CYP3A- ­Substrat kann es vor allem bei der Kombination mit CYP-Hemmern zu schweren Wechselwirkungen (z. B. Rhabdomyolyse) kommen. Neben Lovastatin ist auch Atorvastatin ein CYP3A-Substrat, die anderen Statine hingegen interagieren wenig bis kaum mit dem CYP450-System. Wird die gewünschte Senkung des Gesamtcholesterins mit der höchstmöglichen Statindosis nicht erreicht, kann das Statin mit Ezetimib, einem Cholesterinresorptionshemmer, kombiniert werden. Die früher noch häufig verwendeten Ionenaustauscherharze bzw. Gallensäurebinder (Colestyramin) sind heutzutage aufgrund neuerer, potenterer Wirkstoffe bereits weitgehend obsolet. Zur Senkung erhöhter Triglyceridspiegel stehen die Fibrate (Be­zafibrat, Fenofibrat und Gemfibrozil) zur Verfügung, welche als PPAR-α-Agonisten (Peroxisom-Proliferator-aktivierter Rezeptor) in den Lipid- und Lipoproteinstoffwechsel eingreifen. Zu den eher neueren Arzneistoffen gehören die PCSK-9-Hemmer (Proproteinkonvertase-Subtilisin/Kexin-Typ-9-Hemmer), die durch die Bindung an PCSK-9 die Reduktion von LDL-Rezeptoren an der Zellmembran der Leberoberfläche verhindern. ­Dadurch bleibt eine größere Zahl an LDL-Rezeptoren aktiv und der LDL-Spiegel im Blut wird stark gesenkt. Je nach Wirkstoff erfolgt die Verabreichung zweiwöchentlich bzw. monatlich als s. c.-Injektion. Ebenfalls neu ist die Klasse der ATP-Citrat-Lyase-Hemmer mit dem Arzneistoff Bempedoinsäure. Diese hemmt das der HMG-CoA-Reduktase vorgeschaltete Enzym ATP-Citrat-Lyase und somit die Cholesterinbiosynthese. Neben der Senkung des Gesamtcholesterins und des LDL-C wird auch die endogene Fettsäuresynthese in der Leber gedrosselt. Bempedoinsäure ist auch in Kombination mit Ezetimib erhältlich. Sicherlich die neueste Arzneistoffgruppe bei Hyperlipidämie ist die Gruppe der siRNA (small interfering RNA) mit dem in ­Österreich zugelassenen Wirkstoff Inclisiran. Dieses wirkt über einen RNA-Interferenzmechanismus, wodurch die mRNA von PCSK-9 verstärkt abgebaut wird. Vergleichbar mit den PCSK-9-Hemmern kommt es in der Folge zu einer vermehrten Anzahl an LDL-Rezeptoren an der Leberoberfläche und einer damit verbundenen Steigerung der LDL-C-Aufnahme aus dem Blut in die Leberzellen. Inclisiran wird ebenfalls als s. c.-Injektion verabreicht, nach einer Startphase mit kürzeren Intervallen, allerdings nur noch alle 6 Monate.

Orthomolekulare Wirkstoffe

Ergänzend gibt es noch eine Reihe orthomolekularer Wirkstoffe und Phytopharmaka, die gefäßprotektiv wirken und den Cholesterinspiegel positiv beeinflussen. Die Inhaltsstoffe der Bergamotte, Brutieridin und Melitidin hemmen, ähnlich wie Statine, die HMG-CoA-Reduktase und bewirken somit eine Senkung des Gesamtcholesterins. Cynarin und Chlorogensäure aus der ­Artischocke steigern die Gallensäureproduktion, was durch den dadurch erhöhten Cholesterinverbrauch in der Leber ebenfalls zu einer Reduktion des Gesamtcholesterins im Blut führt. Phytosterole wie β-Sitosterin hemmen die Cholesterinresorption aus dem Darm und steigern die Cholesterinausscheidung. Ebenso gefäßprotektive und lipidsenkende Eigenschaften haben Omega-3-Fettsäuren, Knoblauch, Curcuma, Berberin, grüner Tee und Quellstoffe wie Lein- und Flohsamen.