Dr. Stefan Edlinger: Die Symptome, welche Patient:innen zu uns führen, reichen von einer einfach „nur“ verstopften Nase, vermehrtem Nasenfluss über einen eingeschränkten Geruchssinn bis zu einem Druckgefühl im Gesichtsbereich und wiederkehrenden akuten Entzündungen. Auch primär nicht typische „Nasenbeschwerden“ führen Patient:innen zu uns. Zu diesen zählen Hustenreiz, Globusgefühl, Heiserkeit oder verschlagene Ohren. Dies lässt sich über eine vermehrte Sekretproduktion und den Sekretfluss nach retrograd in Richtung Rachen erklären.
Viele der Betroffenen haben schon eine längere Leidensgeschichte hinter sich. Dies hat nichts mit einer fehlerhaften oder falschen Vortherapie, sondern mit der Eigenart der chronischen Rhinosinusitis beziehungsweise der wiederkehrenden akuten Rhinosinusitis zu tun. Beiden liegen Faktoren zugrunde, dass auch bei optimaler Vorbehandlung Rezidive häufig zu finden sind.
Bei der chronischen Verlaufsform lassen sich zwei Formen unterscheiden, eine mit und eine ohne Ausbildung von Nasenpolypen oder kurz: CRSwNP und CRSsNP.
Zur ersten Abklärung einer Rhinosinusitis sollte neben einer genauen Anamnese zumindest eine anteriore Rhinoskopie, besser jedoch eine Nasenendoskopie erfolgen. Gehäuft können neben einer chronischen Rhinosinusitis Allergien, Asthma oder auch eine NSAR-Unverträglichkeit vorkommen. Bei gleichzeitigem Bestehen einer Analgetikaintoleranz, eines Asthma bronchiale und einer chronischen Rhinosinusitis liegt ein Morbus Widal vor – auch als „Samter-Trias“ bezeichnet. Eine Bildgebung mittels Computertomografie oder digitaler Volumentomografie sollte bei Unklarheiten veranlasst werden. Laboruntersuchungen beispielsweise zur Messung des Gesamt-IgE und des Blutbildes – darin im Speziellen die eosinophilen Granulozyten – können bei der Auswahl des geeigneten Biologikums hilfreich sein. Eine routinemäßig durchgeführte Allergie- oder mikrobiologische Diagnostik ist aus heutiger Sicht nicht zielführend.
Im Gegensatz zur akuten Sinusitis stellt die chronische Form nicht selten eine therapeutische Herausforderung dar und zeigt eine hohe Rezidivneigung. Topische Glukokortikoide sind eine effektive Behandlungsmethode in der Kurz- und Langzeitanwendung der chronischen Rhinosinusitis. Die systemische Bioverfügbarkeit ist nur sehr gering. Additiv können systemische Glukokortikoide in kurzzeitiger Anwendung effektiv die Polypengröße und die Beschwerden reduzieren.
„Aktuell sind es Tendenzen aus den ersten eigenen Daten und individuelle Erfahrungen, welche die Wahl des Antikörpers beeinflussen.“
In der Regel halten diese Effekte zwei bis vier Monate an. Ergänzend und begleitend sind Nasenspülungen zu empfehlen. Führt eine konservative Therapie nicht zum gewünschten Therapieerfolg, ist die endoskopische Eröffnung der Nasennebenhöhlen – FESS – die Therapie der Wahl. Ziel des Eingriffs ist es, die natürlichen Ventilations- und Drainagewege wiederherzustellen. Seit 2020 steht mit den Biologika eine neue Medikamentengruppe für schwere und rezidivierende Fälle zur Verfügung. Aus Sicht des HNO-Arztes sind diese eine vielversprechende Add-on-Therapieoption in der Behandlung der CRSwNP. Angriffspunkt dieser Medikamentengruppe ist direkt die Typ-2-Inflammation.
Abhängig vom zugrunde liegenden Pathomechanismus und der Ausprägung der Erkrankung sind lokale Therapiemaßnahmen unterschiedlich erfolgreich. Prinzipiell kann deshalb gesagt werden: Ein Therapieversuch mit lokalen Maßnahmen ist immer zu empfehlen!
Die neuen Wirkstoffe – Dupilumab, Mepolizumab und Omalizumab – eignen sich für einen Großteil der Betroffenen, da sie vom Wirkungs- und Nebenwirkungsprofil sehr günstige Eigenschaften zeigen. Vonseiten der Krankenkassen müssen zusätzlich mehrere Kriterien erfüllt werden. So sind die Präparate für schwere Verlaufsformen der CRSwNP – der Form mit sichtbaren Polypen – als Zusatztherapie zugelassen, wenn die Erkrankung mit systemischen Kortikosteroiden und/oder chirurgischem Eingriff nicht ausreichend kontrolliert werden kann. Da die CRSwNP bei Jugendlichen selten bis kaum vorkommt, gibt es hierzu sehr wenige bis keine Erfahrungswerte.
Die Auswahl des geeigneten Antikörpers stellt sich auch nach mehr als zwei Jahren an Erfahrungswerten noch immer nicht ganz so einfach dar. Derzeit läuft gerade eine breit angelegte, internationale Studie mit dem Ziel, anhand von Laborwerten, Anamnese und Zusatzerkrankungen Kriterien für die Wahl des optimalen Antikörpers zu finden. Aktuell sind es Tendenzen aus den ersten eigenen Daten und individuelle Erfahrungen, welche die Wahl des Antikörpers beeinflussen.
Definitiv, ja! Erste Daten wurden hierzu bereits publiziert. Weitere Langzeitstudien sind noch im Laufen. Ich selbst habe seit 2020 bei etwa 200 Patient:innen eine Antikörpertherapie indiziert und begonnen. Auch meine Erfahrungswerte spiegeln diesen Trend wider.
Da die zugrunde liegenden Pathomechanismen der chronischen Sinusitis immer noch nicht geklärt sind und eine Beschwerdefreiheit in einem Großteil der Fälle nur bei laufender Antikörpertherapie gegeben ist, spreche ich lieber von einer Symptomfreiheit als von Heilung. Ziel ist es, Patient:innen zu begleiten und die Beschwerden auf ein Minimum bis hin zur vollkommenen Symptomfreiheit zu reduzieren. Nach Beendigung einer Therapie oder bei fehlender Compliance kehren die Beschwerden leider in vielen Fällen bereits nach kurzer Zeit wieder zurück.
Antikörper sind zur Behandlung der chronischen Sinusitis noch eine eher neue Wirkstoffgruppe. Aus diesem Grund werden mir regelmäßig Fragen zu Erfahrungswerten und Nebenwirkungen gestellt. Teilweise sind die Präparate schon seit mehr als 10 Jahren – beispielsweise für die Behandlung von Asthma bronchiale – zugelassen, sodass hier auch ausreichend Langzeitdaten vorliegen, um von einer sicheren Therapieform sprechen zu können. Ebenso häufig kommen Fragen zur Therapiedauer. Generell sind Biologika als lebenslange Therapie anzusehen. Ob ein Auslassversuch nach Monaten bzw. Jahren möglich sein wird, ist noch nicht geklärt.
Vielen Dank für das Gespräch!