Wissenschaftlichen Schätzungen zufolge liegt die Prävalenz der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) in Österreich bei 5–10 %. Der wichtigste Risikofaktor für die Entstehung ist das Rauchen, aber auch bestimmte Berufsgruppen wie Tunnelbauer, Schweißer und Zementarbeiter haben ein erhöhtes Risiko. Die langjährige Inhalation von Partikeln und Gasen führt zu einer Entzündungsreaktion in den Atemwegen, die mit der COPD assoziiert ist. Die Erkrankung präsentiert sich dann als persistierende und üblicherweise progrediente Atemwegsobstruktion.
Unter Beteiligung der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie wurde vergangenen März die neue S2K-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit COPD von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und der Deutschen Atemwegsliga herausgegeben. Seit dem letzten Update vor mehr als 10 Jahren gab es viele neue evidenzbasierte Entwicklungen und Erkenntnisse, die in die Neufassung integriert wurden. Sie unterscheidet sich in einigen Punkten von den 2017 aktualisierten GOLD-Empfehlungen und wird im Folgenden auszugsweise wiedergegeben.
Das Vorliegen einer COPD ist bei allen Patienten mit Husten, Auswurf, Atemnot und/oder Vorhandensein von Risikofaktoren und/oder einer Expositionsanamnese in Erwägung zu ziehen und wird durch den Nachweis einer nicht vollständig reversiblen Atemwegsobstruktion gesichert.
Mit drei anamnestischen Fragen lässt sich die Prätestwahrscheinlichkeit der Spirometrie erheblich steigern. Werden alle drei Fragen bejaht, liegt mit 50%iger Wahrscheinlichkeit eine COPD vor.
Als Basis für das Stufenschema der medikamentösen Therapie dient analog zu den GOLD-Empfehlungen die Einteilung der Patienten in die Gruppen A, B, C und D, entsprechend ihrer Symptomatik und Exazerbationsanamnese. (Abb. 1) Für die Einstufung in gering oder höhergradig symptomatisch sollen bevorzugt der COPD Assessment Test (CAT) und das COPD Control Questionnaire (CCQ) verwendet werden. Mit dem modified Medical Research Council (mMRC) wird die Belastungsdyspnoe gemessen. Häufige und schwere Exazerbationen gelten als erhöhtes Risiko und werden den COPD-Stadien C oder D zugeordnet.
Im Unterschied zu den GOLD-Guidelines wurden die Gruppen C und D in der deutschen Leitlinie zusammengefasst, da die Therapie-Empfehlungen für diese häufig exazerbierenden Patientengruppen identisch sind. Auch wird in der S2K-Leitlinie zwischen vorbehandelten und nicht vorbehandelten Pateinten im Therapiepfad unterschieden. (Abb. 2)
Die medikamentöse Therapie sollte individuell für den Patienten ausgewählt und angepasst werden, in Abhängigkeit von Symptomatik, Exazerbationsrisiko, Ansprechen, unerwünschten Ereignissen, Komorbiditäten und Patientenpräferenz. Die Fähigkeit der Patienten, die Inhalatoren korrekt anzuwenden, wirkt sich entscheidend auf den Therapieerfolg aus. Sorgsame Anleitung und Kontrollen sollten daher durchgeführt werden.
Bronchodilatatoren sollen als Bedarfsmedikation zur Symptomlinderung oder als langfristige Basistherapie eingesetzt werden. Die Kombination von kurzwirksamen Betamimetika und Anticholinergika (SABA und SAMA) ist dabei der jeweiligen Monotherapie bezüglich Besserung des FEV1 und Linderung der Symptome überlegen. Für eine Dauertherapie sollen die langwirksamen Substanzen (LAMA und LABA) den kurzwirksamen vorgezogen werden, außer es liegt nur eine geringe Symptomatik vor. LAMA und LABA senken die Exazerbationsraten und verbessern signifikant die Lungenfunktion sowie die Dyspnoe und den allgemeinen Gesundheitsstatus. Die Kombinationstherapie aus beiden (LAMA + LAMA) ist effektiver als die jeweilige Monotherapie, beim Vorliegen von höhergradiger Symptomatik und nach klinischer Einschätzung sollen die Patienten daher initial mit einem langwirksamen Bronchodilatator oder einer LAMA+LABA-Kombination behandelt werden.
Während sich Tiotropium positiv auf die pneumologische Rehabilitation und die Belastbarkeit auswirkt, soll Theophyllin als schwacher Bronchodilatator mit nur mäßiger Symptomlinderung nur in Ausnahmefällen angewendet werden.
Kortikosteroide haben in den neuen Leitlinien an Stellenwert verloren. Inhalative Glukokortikoide (ICS) sind für die Initialtherapie nicht indiziert, und auch eine ICS-Monotherapie wird nicht empfohlen. Insbesondere bei schwerer Erkrankung kann eine ICS-Dauertherapie das Risiko für Pneumonien erhöhen. Ebenso soll eine Langzeitbehandlung mit oralen Kortikosteroiden möglichst vermieden werden. Lediglich bei Verdacht auf Vorliegen einer asthmatischen Komponente oder beim Auftreten von Exazerbationen trotz langwirksamer bronchodilatorischer Therapie sollen ICS zum Einsatz kommen und auch nur bei Therapieerfolg beibehalten werden.
Die Kombination von ICS + LABA wirkt im Vergleich zur jeweiligen Monotherapie effektiver auf Lungenfunktion, Belastbarkeit, Gesundheitsstatus und Reduktion von Exazerbationen bei mittelgradiger bis schwerer COPD. Eine Tripletherapie mit LABA + LAMA + ICS kann sich im Vergleich zu LABA + ICS positiv auf Lungenfunktion und Exazerbationen auswirken. Die Konsequenzen des Absetzens der ICS hinsichtlich Symptomatik, Lungenfunktion und Exazerbationen sind aufgrund der geringen und widersprüchlichen Datenlage noch nicht eindeutig vorherzusagen.
Bei Patienten mit Exazerbationen, Symptomen einer chronischen Bronchitis sowie schwerer Atemflusseinschränkung trotz Behandlung mit LABA + ICS oder LABA + LAMA + ICS soll der Einsatz des PDE4-Inhibitors Roflumilast erwogen werden.
Medikamente zur Behandlung der primären pulmonalen Hypertonie sollen bei COPD-Patienten mit pulmonaler Hypertonie nicht eingesetzt werden.
Ebenso wichtig wie die Pharmakotherapie sind die nichtmedikamentösen Maßnahmen, zu denen Rauchentwöhnung, körperliches Training, Rehabilitation und physiotherapeutische Atemtherapie zählen. Die Durchführung von Schutzimpfungen gegen Influenza und Pneumokokken reduziert zudem das Risiko für invasive Infektionen und tiefe Atemwegsinfektionen. Zu den apparativen beziehungsweise operativen Interventionen zählen Langzeitsauerstofftherapie, die nichtinvasive Beatmung, die Lungenvolumenreduktion und -transplantation.
Quellen:
Vogelmeier C et al., S2k-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit chronisch obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem (COPD). 2018; AWMF online
Deutsche Atemwegsliga e. V., Asthma und COPD – die neuen Leitlinien der Deutschen Atemwegsliga und der DGP. Pressemitteilung vom 16. 3. 2018