Die Forschung ist dem postakuten COVID-19-Syndrom immer mehr auf der Spur. Dieses Long-COVID-Phänomen ist durch persistente Symptome oder Langzeitkomplikationen vier Wochen nach dem Auftreten der Krankheitssymptome charakterisiert. Immer öfter wird von Patienten berichtet, die derartige Symptome nach einer akuten COVID-19-Erkrankung haben. Das bemerkenswerte daran: Die Folgeerscheinungen zeigen sich, obwohl die Betroffenen negativ (PCR-Test) auf SARS-CoV-2 getestet sind.1
Als Langzeitfolgen wurden psychische Folgeerscheinungen wie Ängste, Depressionen und Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Erschöpfung, Muskelschwäche, Gelenkschmerzen, Dyspnoe, Palpitationen und chronische Nierenschäden festgestellt.1 Die Auswirkungen auf Gehirn und Nervensystem geben Forschern derzeit noch Rätsel auf. Eine jüngst im Lancet Psychiatry veröffentlichte Studie kam zu dem Ergebnis, dass einer von drei COVID-19-Überlebenden eine psychiatrische oder neurologische Diagnose erhalten hat. Das untersuchte Kollektiv bestand aus über 236.000 Personen. Diese hohe Zahl überraschte die Wissenschafter. Auch Schlaganfälle und Gehirnblutungen traten in den ersten sechs Monaten nach der Erkrankung signifikant gehäuft auf.2, 3
Über die genauen Ursachen der negativen Auswirkungen auf das Gehirn lässt sich derzeit nur spekulieren. Eine Theorie besagt, dass SARS-CoV-2 die Blutgefäße im Gehirn schädigt. Als möglicher Mechanismus wurde eine Beeinträchtigung auf drei Wegen erforscht – Verdickung der Gefäßwände, Inflammation und Austreten von Blut in das umliegende Gewebe.2, 3
Die Theorie der Gefäßschädigung wird von einigen Wissenschaftern bereits verfolgt. Forscher haben im Journal Circulation Research dokumentiert, dass SARS-CoV-2 das Gefäßsystem auf einer zellulären Ebene beeinträchtigt. Das Spike-Protein des Virus schädigt offenbar vaskuläre endotheliale Zellen, indem ACE-(Angiotensin-converting Enzyme-)2 downreguliert wird. ACE2 fungiert im kardiovaskulären System gewöhnlich als Schutzfaktor. Entfällt dieser, kommt es zur Produktion reaktiver Sauerstoffspezies durch die Mitochondrien. Diese können ihrer gewohnten Funktion nicht mehr nachgehen.4
Ältere Patienten mit Vorerkrankungen haben für die erwähnten Langzeitfolgen ein höheres Risiko. Jedoch weist das Centers for Disease Control and Prevention darauf hin, dass auch jüngere Patienten, die vor COVID-19 körperlich sehr fit waren, von Long-COVID betroffen sind und oft mehrere Monate nach der Akuterkrankung unter weiteren Symptomen leiden.5
Schwer erkrankte Personen leiden lange an den Folgen, die eine COVID-19-Erkrankung an ihren Organen hinterlassen hat.Aber auch viele Menschen, die leicht oder mittelschwer erkrankt waren, berichten über langanhaltende, teils stark einschränkende Beschwerden, die unabhängig vom Alter oder von Risikofaktoren auftreten. Ein beträchtlicher Teil ist sogar von über Monate anhaltenden Krankheitszeichen unterschiedlicher Schweregrade betroffen. Neben dem in letzter Zeit oft thematisierten Fatigue-Syndrom gibt es auch Leistungsminderung aufgrund von Lungen-, Kreislauf- und Herzproblemen sowie neurologische Störungen und dazu anhaltende, teils sehr belastende Geschmacks- und Geruchsstörungen und Hauterscheinungen. Aus diesem Grund hat sich eine multidisziplinäre Arbeitsgruppe gebildet, die den aktuellen Wissensstand sichtet und sammelt und eine gemeinsame Leitlinie vorlegen wird, um Diagnostik, Behandlung, Betreuung und Rehabilitation der Patienten in hoher Qualität zu erleichtern.6
Long-COVID schränkt Arbeitsfähigkeit ein
Eine internationale Umfrage unter 3.762 Long-COVID-Patienten hat ergeben, dass mindestens ein halbes Jahr nach dem Beginn der Krankheit noch sehr häufig Müdigkeit (bei 78 % der Fälle), PEM (Post Exertional Malaise, 72 %) und kognitive Dysfunktion (55 %) vorlagen. 45 % der Befragten gaben an, aufgrund ihrer Erkrankung nun weniger arbeiten zu können. 22 % waren zum Zeitpunkt der Befragung nicht arbeitsfähig.
Quelle: Long-COVID-Symptome – Überschneidung mit dem chronischen Müdigkeitssyndrom? Studien sollen Aufschluss geben. Medscape, 27. Apr. 2021; Originalpublikation: Davis HE, Assaf GS, Mc Corkell L, Characterizing Long COVID in an International Cohort: 7 Months of Symptoms and Their Impact.
Literatur: