Laut Schätzungen lebt in Österreich eine Million Menschen mit Schwerhörigkeit. Sprich, etwa jeder zehnte hier lebende Mensch hört in der einen oder anderen Form schlecht. Manche gar nicht. Die Chance, dass ein Mensch mit dieser Beeinträchtigung gerade Ihre Apotheke betritt, ist also nicht unbedingt als gering einzuschätzen. Doch wie geht man als Apotheker:in am besten mit dieser Beeinträchtigung um?
Eines vorweg: Schreien bringt gar nix – salopp formuliert. Weder in der Erziehung – da allerdings aus anderen Gründen – noch im Umgang mit schwerhörigen Menschen erfüllt Schreien oder das Laut-Werden irgendeinen Zweck. Klar neigt man automatisch dazu, etwas lauter zu werden, wenn man merkt, dass das Gegenüber die Erklärungen nicht verstanden hat. Das Problem: In den allermeisten Fällen geht es nicht um die fehlende Lautstärke, sondern um eine Störung bei den Frequenzen, die gehört werden können. Wenn man die Lautstärke des Gesagten erhöht bzw. „schreit“, kann dies unter Umständen dazu führen, dass ein etwaiges Hörgerät die Stimme verzerrt und der betroffene Mensch noch schlechter versteht, was man ihm eigentlich mitteilen will. Dazu kommt die Scham bzw. eine Verunsicherung, die beim/bei der Kund:in entsteht, weil Sie durch das Schreien alle anderen anwesenden Kund:innen darauf aufmerksam machen, dass der/die betroffene Kund:in schwerhörig ist.
Wenn Sie merken, dass ein:e Kund:in das Gesagte nur schwer versteht, ist die direkte Ansprache ins Gesicht des Gegenübers besonders wichtig. Die eigenen Mundbewegungen sollten dabei gut zu sehen sein und die Erklärungen sollten in kurze und klar verständliche Sätze verpackt werden. Besonders achten sollte man auf deutliche und langsame Formulierungen. Schwerhörige Menschen brauchen eine erhöhte Konzentration, um das Gesagte zu verstehen. Komplizierte Redewendungen oder Fachbegriffe sollte man am besten weglassen – gleichzeitig muss man aber auch vermeiden, in die Babysprache zu verfallen. Um zu überprüfen, ob ihre Sätze auch tatsächlich verstanden wurden – manchen schwerhörigen Patient:innen ist es unangenehm, wenn sie der Beratung nicht folgen können –, kann man durchaus freundlich nachfragen, ob es noch Fragen gibt. Um zu vermeiden, dass es bei der Einnahme der Medikamente zu Fehlern kommt, sollte man die wichtigsten Informationen wie Einnahmezeitpunkt, Dosierung oder die Gefahr von Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten auch aufschreiben. Visuelle Kommunikationsmittel wie Notizzettel oder Symbole sind eine sehr gute Möglichkeit, um schwerhörigen Menschen das Leben leichter zu machen. Wenn möglich können Sie auch ein paar grundlegende Gebärden der Gebärdensprache erlernen.
Auf YouTube finden sich einige Filme, mit deren Hilfe das Erlernen der Gebärdensprache vereinfacht wird, z.B. hier.
Anders stellt sich die Situation im Umgang mit blinden oder sehbehinderten Menschen dar. Laut dem Blinden- und Sehbehindertenverband Österreich geht man davon aus, dass in Österreich rund 3,4 % der Bevölkerung betroffen sind, das wären in etwa 340.000 Menschen. Auch bei Menschen mit Sehbehinderungen gibt es ein paar einfache Regeln, deren Beachtung die Beratung und den Umgang erleichtert. Wichtig ist – wie eigentlich bei allen Kund:innen – die direkte Ansprache. Sinnvoll wäre es auch auszusprechen, was man gerade tut, da das Gegenüber ja nicht sieht, was Sie gerade erledigen. Wenn Sie etwa ein Rezept entgegennehmen, das Sie erst aus dem Lager holen müssen, könnten Sie das folgendermaßen kommunizieren: „Ich schaue kurz nach, ob wir das Medikament lagernd haben.“ Damit signalisieren Sie ihrem Gegenüber, dass Sie weggehen und im Gespräch eine kurze Pause eintritt. Möchte der/die Kund:in etwas aus dem Kosmetikbereich, z. B. eine Hand- oder Körpercreme, so sollten Sie ihm/ihr das Produkt direkt ihn die Hand geben. So wie es für sehende Kund:innen wichtig ist, die verschiedenen Packungsgrößen nebeneinander zu sehen, ist es für sehbehinderte Menschen notwendig, diese zu fühlen. Durch das Betasten können sie sich eine Vorstellung davon machen, wie viel Inhalt das Produkt hat. Da blinde Menschen sehr stark auf die sprachliche Kommunikation angewiesen sind, sollte man genau erklären, wo man etwas hinstellt. Zum Beispiel: „Ich stelle die Tasche mit den Medikamenten links neben Sie auf den Tresen.“ Beim Bezahlen mit Bargeld empfiehlt es sich, die Summe, die Sie vom/von der Kund:in erhalten haben, zu nennen und ihm/ihr das Rückgeld direkt in die Hand zu zählen. Am Ende kann man noch einmal höflich nachfragen, ob man sonst noch etwas tun kann. So ist es durchaus möglich, dass der/die Kund:in froh ist, wenn man ihn/sie nach draußen begleitet, um eventuell auf dem Weg liegende Hindernisse wie etwa Stufen leichter zu umschiffen.
Im Folgenden noch ein paar allgemeine Tipps zum respektvollen Umgang mit behinderten Menschen, die vom Paritätischen Wohlfahrtsverband (Landesverband Hessen e. V.) erstellt wurden: