Das „Mikrobiom“ bezieht sich auf die Bakterienbesiedelung des Körpers.
Der gesamte menschliche Körper ist von vorwiegend „guten“ Bakterien besiedelt, die für seine Gesundheit erforderlich sind. In den letzten Jahren erhielt die Rolle des Mikrobioms in verschiedenen Körperfunktionen und auch bei kinderlosen Paaren verstärkt Aufmerksamkeit. Es wurde festgestellt, dass selbst Körperregionen, die zuvor als völlig bakterienfrei galten, wie die Gebärmutter, die Eileiter und die Eierstöcke, eine Bakterienbesiedelung aufweisen.
Schon vor fast 20 Jahren, lange bevor die Mikrobiom-Forschung in das Rampenlicht trat, konnte eine Studie Keime an der Spitze von Kathetern mit dem klinischen Ausgang nach dem Embryotransfer in Verbindung bringen. Frauen, bei denen nachgewiesenermaßen Laktobazillen am Transferkatheter vorhanden waren, wiesen signifikant höhere Schwangerschaftsraten auf als Frauen mit anderen Bakterien. Zu dieser Zeit ging man jedoch von einer Kontamination während des Durchgangs durch den Gebärmutterhals aus, anstatt von einer Besiedelung der Gebärmutter. Die bakterielle Besiedelung des weiblichen Genitaltrakts sowie der Samenflüssigkeit kann die menschliche Reproduktion auf mehreren Ebenen beeinflussen. Das Mikrobiom kann sich einerseits auf die Migration der Samenzellen zur Eizelle und des Embryos in die Gebärmutterhöhle auswirken. Eine gesunde bakterielle Besiedelung scheint auch für die Implantation des Embryos entscheidend zu sein. In einigen Pathologien zeigt sich zudem eine abweichende Mikrobiom-Zusammensetzung. Krankheitsbilder wie Endometriose, Hydrosalpinx und eine chronische Endometritis können sich erheblich auf das Mikrobiom auswirken.
Mehrere Studien konnten bereits eine Assoziation zwischen dem vaginalen Mikrobiom und den Schwangerschaftsraten nach IVF herstellen. Dennoch liefert das vaginale Mikrobiom lediglich indirekte Hinweise auf eine mögliche Dysbiose des Endometriums. Eine präzisere Diagnostik ergibt sich durch die direkte Untersuchung des Mikrobioms im Endometrium mittels Pipelle oder Strichcurettage, üblicherweise postovulatorisch während der Lutealphase. Die Bakterienbesiedelung der Schleimhaut kann zyklischen Schwankungen unterliegen und kurz nach der Menstruationsblutung ganz anders sein als kurz davor. In einer umfangreichen Studie konnten Autoren jedoch zeigen, dass das Mikrobiom im Endometrium bei wiederholten Tests überraschend stabil war.
Traditionell wurden zur Abklärung von Endometrium-Proben Bakterienkulturen durchgeführt. Allerdings können pathogene Bakterien oft nicht kultiviert werden. Darüber hinaus kann durch eine Kultur nie festgestellt werden, ob die bakterielle Besiedelung im Gleichgewicht ist (Eubiose) oder nicht (Dysbiose), insbesondere ob das Endometrium in Bezug auf Laktobazillen dominiert. Um ein direktes Abbild des aktuellen Zustands der Bakterienbesiedelung zu erhalten, ist die Sequenzierung der Bakterien-DNA erforderlich. Dies ermöglicht eine genaue Bestimmung des Verhältnisses einzelner Bakterien zueinander. Darüber hinaus kann die direkte Sequenzierung pathogener Bakterien im Rahmen der Mikrobiom-Diagnostik die oft anspruchsvolle Diagnose einer chronischen Endometritis erleichtern.
Mehrere Studien konnten bereits Auswirkungen des Mikrobioms auf das reproduktionsmedizinische Ergebnis zeigen, wobei signifikant reduzierte Schwangerschafts- und erhöhte Abortraten festgestellt wurden, wenn kein Laktobazillen-dominantes Mikrobiom vorhanden war. Eine solche Dysbiose des Endometriums scheint häufig vorzukommen. In der Literatur werden 40–50 % nicht-Laktobazillen-dominante Proben beschrieben, was mit unserer Erfahrung übereinstimmt. Theoretisch könnte bei einem Mangel an Laktobazillen die Zufuhr mittels Probiotika dazu beitragen, diese Dysbiose auszugleichen. Allerdings ist die Supplementierung von Probiotika wissenschaftlich umstritten. Neuere Studien konnten keinen Vorteil in Bezug auf Implantations- und Schwangerschaftsraten nachweisen. Dadurch, dass Kinderwunschpatientinnen oftmals eine Vielzahl von Supplementen und Medikamenten zu sich nehmen, sollte deshalb eine nicht wissenschaftlich basierte zusätzliche Belastung durch Probiotika-Einnahmen möglichst vermieden werden. Auch in der Schwangerschaft könnte das Mikrobiom des Endometriums immer noch Einfluss auf den Verlauf haben. Frauen mit einem nicht-Laktobazillen-dominanten Mikrobiom hatten ein erhöhtes Risiko für Fehlgeburten, und eine Dysbiose wurde auch mit Frühgeburten und der Entwicklung von Präeklampsie in Verbindung gebracht. Hierbei ist jedoch der Einsatz von Probiotika weiterhin wissenschaftlich umstritten.
Ein faszinierendes Zukunftsthema ist zweifellos das Mikrobiom der Samenflüssigkeit, für das es bisher noch deutlich weniger Daten gibt. Dennoch wurde festgestellt, dass eine erhöhte Anzahl von Laktobazillen in der Samenflüssigkeit einen positiven Effekt auf die Spermienmotilität haben kann. Ob jedoch eine Supplementierung mit Laktobazillen bei Männern vorteilhaft sein könnte, bleibt weitgehend unbekannt.
In der Zukunft wird die Mikrobiom-Sequenzierung voraussichtlich immer einfacher und kostengünstiger werden, und Studien werden zusätzliche Erkenntnisse über die Rolle des Mikrobioms im Zusammenhang mit der menschlichen Fortpflanzung liefern. Darüber hinaus werden klinische Studien die Wirksamkeit potenzieller antibiotischer und probiotischer Therapien für Männer und Frauen untersuchen müssen. Dies dient einerseits dazu, eine Dysbiose des Mikrobioms effektiv zu behandeln, wenn dies erforderlich ist, und andererseits dazu, die Patient:innen vor unnötigen und potenziell belastenden Behandlungen zu schützen.